John Scalzi: Der wilde Planet

  • In der Zukunft werden HiFi-Anlagen wieder teurer


    Diejenigen, die bei Heyne mit der Gestaltung von SF-Romanen zu tun haben, scheinen die Leser solcher Bücher durch die Bank für Leute zu halten, die reflexartig nach allem greifen, auf dem ein effektvoll ballerndes Raumschiff abgebildet ist. Anders ist das Cover von "Der wilde Planet" nicht zu erklären, denn ein Raumschiff kommt im Buch selbst nicht vor, und erst recht kein Laserstrahlen abfeuerndes.


    Tatsächlich ist die Technik, die in Scalzis neuem Roman, der auf einer älteren Erzählung von Henry Beam Piper aus dem Jahr 1962 basiert, beschrieben wird, gleichsam altbacken. Der Planet, auf dem die Handlung spielt, ist zwar 180 Lichtjahre von der Erde entfernt, wobei Scalzi an keiner Stelle erklärt, wie diese Entfernung technisch überwunden wird, aber etwa die Gleiter, in denen man herumfliegt, werden von vier einfachen Rotoren in der Luft gehalten, und die Roboter, die für gefährliche Einsätze genutzt werden, müssen über "InfoPanels" von Hand gesteuert werden, wobei jene InfoPanels auch für die gesamte Kommunikation genutzt werden. Die Neuinstallation des Gleiter-Betriebssystems dauert übrigens, wie wir erfahren, gute zwei Stunden - selbst Windows XP ist schneller reinstalliert. Originellerweise sind Sound-Anlagen, also letztlich simple Beschallungssysteme, in dieser Zukunft wieder deutlich teurer als heutzutage. Für ein System, das die gigantische, nachgerade verblüffende Fähigkeit hat, den Frequenzbereich von 2 Hertz bis 44 Kilohertz abzubilden, muss der Protagonist ordentlich Geld ("Credits") auf den Tisch legen. Eine Anlage mit beinahe solchen Merkmalen kostet beim Elektrodiscounter um die Ecke heutzutage ein paar Pipperlinge. Geschenkt. "Der wilde Planet" ist nämlich sowieso kein SF-Buch, sondern ein Anwaltsroman, der auch nicht auf einem anderen Planeten spielen müsste, sondern mit der fast gleichen Story irgendwo im Regenwald angesiedelt sein könnte.


    Hauptfigur ist der eigenbrötlerische "Prospektor" Jack Holloway, der als Subunternehmer für die ZaraCorp auf einem erdähnlichen Planeten der Klasse III einen Claim nach Bodenschätzen absucht. Sobald so ein Prospektor, von dem es viele gibt, fündig geworden ist, beginnt das Unternehmen mit dem Abbau der Ressourcen, wovon der ansonsten auf eigenes Risiko arbeitende Subunternehmer dann einen kleinen Teil der Erlöse bekommt. Jack hat Glück im Unglück: Bei einer Probesprengung wird zwar ein Erdrutsch verursacht, also eine Form von Umweltzerstörung, die auf der heimatlichen Erde nicht gerne gesehen wird und enorme Kosten für Jack verursachen würde, aber da hierdurch ein ergiebiges Vorkommen der sündhaft teuren "Sonnensteine" freigesetzt wurde, sogar das größte bisher entdeckte, wäre Jack fein raus. Vorsichtig ausgedrückt. Seine Einnahmen könnten im Milliardenbereich liegen, würde er im Baumhaus, das er auf dem "wilden" Planeten bewohnt, nicht eine weitere Entdeckung machen. Dort trifft er auf possierliche, katzenähnliche Wesen, die so intelligent zu sein scheinen, dass man ihnen Bewusstsein und Persönlichkeit attestieren müsste. Wäre das aber der Fall, müsste die ZaraCorp mit der Ausbeutung des Planeten und auch von Jacks Sonnenstein-Mine sofort aufhören, denn ein Planet mit intelligenten Bewohnern wäre nicht mehr in der Klasse III, sondern in IIIa, was bedeutet, dass die Bodenschätze zur Sicherung der weiteren Existenz der Bewohner unangetastet bleiben müssen. Damit gerät nicht nur Jack in eine Zwickmühle.


    Die etwas vorhersehbare und schon aufgrund ihrer Entstehungsgeschichte nicht unbedingt originelle Öko-Gerichtsstory erzählt Scalzi geradlinig, solide und prinzipiell gefällig, hin und wieder wird es sogar amüsant, etwa wenn Holloway, der früher selbst Anwalt war, mit den Firmenanwälten der ZaraCorp aneinandergerät oder seine Auftraggeber mit teilweise erfundenen Präzedenzfällen unter Druck zu setzen versucht. Allerdings halten sich solche Elemente in Grenzen; den verblüffenden, selbstironischen Humor aus "Krieg der Klone", der letztlich für Scalzis weltweiten Erfolg verantwortlich war, sucht man auch hier wieder vergeblich. Gemeinsam mit einer konventionellen und nicht zuletzt aus Camerons "Avatar" bekannten Story, der es hier völlig an technischen Visionen fehlt, ergibt sich Durchschnittsware, deren etwas stereotypes Personal auch nicht immer überzeugt. Scalzi ist mit seinem Erstling ordentlich gestartet, um bei den Folgeromanen spürbar abzubauen. Mit "Der wilde Planet" hat er sich nun ziemlich weit von den Giganten des Genres (Dan Simmons, Iain Banks, Robert Charles Wilson, Peter F. Hamilton usw.) entfernt. Das Buch ist gerade noch unterhaltsam genug, um nicht zu verärgern, aber unterm Strich so sehr Science Fiction wie irgendein weiterer Thriller aus Grishams Feder. Kann man lesen, muss man aber nicht. Die Botschaft lautet: Besser noch heute eine Stereoanlage kaufen. Ach, und natürlich: Ökosysteme sollte man schützen.


    Abschließend eine Bitte an die Verantwortlichen bei Heyne (gilt auch für Goldmann und andere Lizenzverleger im SF-Bereich): LEST doch die Romane mal, bevor Ihr Cover dafür entwerfen lasst. Danke!

  • Ui, viele guten Worte hast du ja nicht übrig für das Buch, Tom :-)


    Ich bin deiner Meinung was das Cover angeht, Raumschiffe kommen im Roman nicht vor. Aber ich gestehe, dass man mich mit einem Raumschiff immer ködern kann. Dieses Buch habe ich allerdings nicht wegen des Covers gekauft, sondern weil Scalzi draufstand.


    Mir persönlich hat "Der wilde Planet" gut gefallen, zwar nicht ganz so gut wie "Agent der Sterne", aber doch ganz unterhaltsam. Die technischen Dinge habe ich einfach hingenommen, von Sound-Anlagen etc. habe ich sowieso keine Ahnung. Mich hätte es auch interessiert, wie die Menschen denn nun zwischen den Sternen reisen, aber das erklärt Scalzi auch in seinen anderen Romanen nicht, also was soll's.


    Die Parallele zu "Avatar" ist mir, ehrlich gesagt, erst beim Lesen der obigen Rezi aufgefallen. Recht hast du, Tom. Aber ich kann den Film nicht leiden, da bleibe ich doch lieber bei Scalzi.


    Wie ich schon in einem anderen Forum schrieb, ist "Der wilde Planet" Sci-Fi-Popcorn. Keine schwere Kost, sondern leicht, witzig, unterhaltsam und - wie ich fand - bis zum Schluß spannend. Lektüre für Zwischendurch, die ich jedem empfehlen kann, ob er nun SF mag oder nicht.


    ***
    Aeria

  • Hallo, Aeria.


    Ich habe das Buch auch gekauft, weil "Scalzi" draufsteht. Würde ich mich von solchen Covergestaltungen ködern lassen, wären meine Bücherschränke mit B-SF überfüllt. Trotzdem ärgert mich das. Übrigens auch bei historischen Romanen, auf den immer Ausschnitte aus alten Gemälden abgebildet sind, die inhaltlich so gut wie nix mit dem Buch zu tun haben.


    Die seltsame Alltagstechnik, die für mich sehr nach zwanzigstem Jahrhundert "roch", kreide ich einem SF-Autor allerdings durchaus an. Scalzi hat hier ja eine ältere Geschichte adaptiert, nämlich "Little Fuzzy" von Henry Beam Piper aus dem Jahr 1962. Bei dieser Adaption hat er sich, wie ich meine, zu wenige Gedanken über die mögliche Fortentwicklung gemacht. Nicht umsonst ist völlig ausgespart, wie die knapp 180 Lichtjahre zum Planeten überwunden wurden. Es gibt in "Der wilde Planet" vieles an Technik, das heute schon überholt wäre, oder sehr wahrscheinlich demnächst überholt ist. Da tauchen stumm geschaltete Mikrofone auf, es gibt Linsenkameras, die InfoPanels müssen mit Monitoren verbunden werden (und können offenbar nicht einmal interagieren, man muss sie herumreichen, um Daten zu teilen - jeder Besitzer eines iPhones würde darüber lachen), und so weiter. Wie gesagt, von Science Fiction erwarte ich einfach auch, dass die technische Entwicklung weitergedacht wird, wenigstens ansatzweise. Nein, in "Der wilde Planet" gibt es sogar noch "Schlüssel" für die Gleiter, die zwar codiert sind (Daimler-Benz bietet das seit fast zwanzig Jahren an), sich aber ganz leicht knacken lassen. Ich prognostiziere, dass es in zehn Jahren überhaupt keine Autoschlüssel mehr geben wird, und auf diese Prognose würde ich sogar wetten.


    Was mich aber vor allem gestört hat, das ist die simple Underdog-Geschichte - der Ex-Anwalt, der es allen zeigt, und einen Großkonzern mit ein paar einfachen Tricks in die Knie zwingt. Hinzukommen die stereotype Figurenzeichnung, der blasse Humor und die Vorhersehbarkeit der Handlung. Und ich messe Scalzi an seinen früheren Werken. "Der wilde Planet" ist ein halbherzig umgesetztes Experiment, das sich Scalzi leisten kann, weil er arriviert ist, aber es ist Meilen von einem guten SF-Roman entfernt. Unterhaltsam, ja, wenn man Gerichtsgeschichten mag. Aber eben auch leicht anachronistisch - und davon abgesehen voller logischer Fallstricke.

  • Auch ich finde die Gestaltung der Scalzi Bücher bei Heyne ärgerlich und peinlich. Schlimmer aber die teilweise verzerrende Übersetzung und das schlampige Lektorat- man findet Tippfehler, die jede Textverarbetung finden würde. Bei Scalzis "Old Man's War" lautet der Titel dann bei Heyne "Der Krieg der Klone". Ich bin kein grosser Fan von Scalzi (ich mag auch Heinleins Spätwerk, das sehr ähnlich ist nicht) mit Ausnahme von "Androidenträume", das ich sehr gelungen finde, aber trotzdem würde man ihm einen liebevolleren Verlag und schönere Gestaltung wünschen.

    Lesen schadet eigentlich nicht.

    Dieser Beitrag wurde bereits 3 Mal editiert, zuletzt von Timm ()