Wir werden zusammen alt - Camille de Peretti

  • OT: Nous vieillirons ensemble


    Über den Autor
    1980 in Paris geboren, studierte Philosophie, arbeitete in England und Amerika im Finanzbereich und gründete eine eigene Theatertruppe. Sie lebt heute als freie Autorin in Paris. Ihre Werke wurden bereits in mehrere Sprachen übersetzt, «Wir werden zusammen alt» ist ihr drittes Buch, in Deutschland wird sie mit diesem Roman erstmals vorgestellt.


    Kurzbeschreibung
    Am Sonntag werden die Mütter und Väter in der Seniorenresidenz Bégonias von ihren Söhnen und Töchtern besucht. Es öffnet sich ein Kosmos voller Überraschungen: Thérèse findet die Liebe ihres Lebens, spät, aber umso heftiger. Kapitän Dreyfus kommandiert Madame Alma und ihre Freundinnen herum, bis er unbemerkt von seinem Sohn durch ein Loch im Gartenzaun entflieht - der küsst nebenan eine Krankenschwester. Und die schon etwas vergessliche Geneviève kann sich nicht mehr daran erinnern, dass der Mann, mit dem sie eine leidenschaftliche Affäre hat, ihr eigener ist.
    Die junge Autorin Camille de Peretti erzählt von Menschen, die hartnäckig ihre eigenen Vorstellungen von Glück verwirklich


    Meine Rezension
    Ich bin wirklich ein wenig ratlos, was die Rezension zu diesem Buch angeht.


    Auf der einen Seite ist das Buch wirklich interessant und auch schön geschrieben: man lernt die Insassen des Altersheims Bégonias mit all ihren Macken und Eigenheiten kennen – aber auch die Angestellten des Heimes und die Angehörigen der Senioren. Alles nur Menschen mit all ihren Fehlern und Schwächen. Wobei sich bei den Senioren natürlich auch zeigt, daß man im Alter nicht unbedingt einfacher wird. Teils sogar ganz krass das Gegenteil…


    Dabei verwendet die Autorin einige wirklich gelungene Beschreibungen und Redewendungen, die den Nagel auf den Kopf treffen, was die Eigenheiten der Bewohner oder das Altern an und für sich angeht.


    Nett fand ich den Plan des Heims auf dem Innenumschlag, doch was ich schmerzlich vermisst habe, war ein Personenverzeichnis. Für mich spielten verwirrend viele Personen eine Rolle und ich habe wirklich oft überlegen müssen: Madame X? War das nicht die Dame mit der Demenz? Ach nee, das war die Pastorenwitwe. Hier habe ich mich wirklich schwergetan und eine kurze Übersicht der Bewohner hätte dem Lesefluß sehr gut getan.


    Das Buch läßt uns quasi einen kompletten Tag in der Seniorenresidenz Bégonias miterleben – wir blicken dabei sowohl in die Köpfe der Protagonisten als auch hinter die Kulissen des Heimes. Das war wirklich interessant zu lesen, auch wenn man hier mit vielen schmerzlichen Auswirkungen des Alters konfrontiert wird: körperlichen Einschränkungen, Altersstarrsinn, Krankheiten, Demenz…


    Hier noch ein ganz persönlicher Kritikpunkt, der allerdings nichts mit der Handlung zu tun hat:
    Was mich einigermaßen ratlos zurückläßt, ist die Tatsache, daß der Roman nach einem bestimmten Schema – als Hommage gedacht – verfasst ist. Das wird alles auf den letzten 10 Seiten des Buches erklärt.


    Ich muß gestehen – einerseits habe ich das nicht komplett kapiert, andererseits fand ich aber auch den Gedanken irgendwie doof, daß die Autorin den Roman quasi nach einem vorgefassten „mathematischen“ Plan geschrieben hat, nach dem bestimmte Szenen mit bestimmten Vorgaben an bestimmten Orten stattfinden müssen.


    Klar, wahrscheinlich schreibt sich jeder Autor an einer Art „Szenenplan“ entlang, aber dieses mathematische Muster hat mir – im Nachhinein – irgendwie nicht gefallen.


    Ich hatte während des Lesens ein paar Mal das Gefühl, irgendwas fühlte sich für mich nicht stimmig an, habe das aber auf das demente Verhalten der Bewohner etc. geschoben. Im Nachgang fragte ich mich eben daher, ob das wirklich so ist – oder ob die Szene eben so geschrieben werden mußte, um ins vorgegebene Schema zu passen.


    Ich gestehe, daß ich auch die beinahe durchweg begeisterten Amazonrezensionen zu diesem Buch nicht recht nachvollziehen kann. Auf der einen Seite fand ich dort etliche Punkte, die ich unterstrichen hätte, aber insgesamt fand ich das Buch doch verwirrend und es läßt mich in der Gesamtheit halbwegs ratlos zurück. Fazit: eigentlich ist es ja ganz gut, ABER …

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Lustig, heute habe ich dieses Buch angefangen, bin dann aber sehr schnell (ich neige ja dazu, Bücher von hinten zu lesen), über dieses mathematische Schema gestolpert.


    Eigentlich gefällt mir die Idee ja ganz gut, leider geht's mir aber wie Batcat: ich habe das mit den Euler'schen Quadraten nicht so recht verstanden und im Text (ich habe dann gleich nochmal von vorne begonnen) bisher auch keine Entsprechung gefunden.


    Anstatt weiterzulesen werde ich mich jetzt wohl erstmal mit magischen Quadraten beschäftigen müssen :wow


    btw: die Geschichte an sich finde ich sehr schön, tragisch, lustig...

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Bei mir stand das Buch schon recht lange auf der Wunschliste. Nachdem ich nach Monaten dann zufällig mal in einem Buchladen war, der das Buch vorrätig hatte, habe ich es dann doch nicht gekauft, weil mich die (zufällig ausgewählten) Probeseiten vom Stil her nicht überzeugt haben. Deine Rezension, Batcat, legt nahe, dass ich nicht allzuviel verpasst habe... mal sehen, vielleicht bekommt das Buch noch eine Chance, falls es irgendwann mal in der Bibliothek ausleihbar sein sollte.


    (Auch wenn ich gegen Mathematik nun wirklich nichts einzuwenden habe. :-) :grin)

    "Es gibt einen Fluch, der lautet: Mögest du in interessanten Zeiten leben!" [Echt zauberhaft - Terry Pratchett]

  • Zitat

    Original von Batcat
    Nun ja, ich hatte in Mathe immer eine 5. Was ist Deine Ausrede Entschuldigung? :grin


    Meine Ausrede ist, dass die Autorin einen Fehler gemacht hat. EQ2 von Kapitel eins müsste schwarz/ Mantel statt grün/Hemd sein. Oder so :gruebel


    Edit meint, dass ich nun, in Kapitel 11, zum ersten Mal, eine Vorgabe aus den Euler'schen Quadraten erkannt zu haben glaube. Ist womöglich dieses ganze Schema Mumpitz?
    Denn in Kapitel 1 findet sich zwar grün und Hemd, das entspräche aber eigentlich Kapitel 8.


    Auweia, mal sehen, wie das weitergeht :wow

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    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von DraperDoyle ()

  • Zitat

    Original von DraperDoyle


    In mir keimt der Verdacht, dass zumindest die Autorin keine Mathematikerin ist :grin


    Ich bin ja ein angehender Mathematiker. Aber dein Kommentar, DraperDoyle, klingt jetzt doch eher abschreckend ... :grin

    "Es gibt einen Fluch, der lautet: Mögest du in interessanten Zeiten leben!" [Echt zauberhaft - Terry Pratchett]

  • Zitat

    Original von saz
    Ich bin ja ein angehender Mathematiker. Aber dein Kommentar, DraperDoyle, klingt jetzt doch eher abschreckend ... :grin


    Dann solltest du das Buch vielleicht gerade lesen. Womöglich kapierst du es und kannst uns Dummplinzen dann erklären, worum es eigentlich geht :grin

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Hm, welch ein seltsames, aber auch irgendwie beeindruckendes Buch.


    Die Grundstruktur des Romans folgt einem Schachbrett, das dem Grundriss des Altersheims unterlegt ist, und mittels des Rösselsprungs wird jedes Feld nach und nach abgedeckt. So springen die 64 Kapitel vom Aufenthaltsraum zum Empfang über den Innenhof wieder zum Aufenthaltsraum usw. Dadurch kommen etwas abrupte Perspektivwechel zustande, aber es wird auch mal ein und diesselbe Person auf ihrem Gang durch das Heim über mehrere Kapitel verfolgt.


    Die Sprache entspricht dieser streng formalen Grundstruktur: nahezu protokollarisch wird das Geschehen, oder auch Nichtgeschehen, erzählt, wodurch auch dramatische Szenen etwas seltsam Oberflächliches bekommen, was aber an manchen Stellen umso schockierender wirkt.


    Oft beginnen die Kapitel mit einer detailgetreuen Schilderung des "Bühnenbaus", erst danach kommen die Personen ins Bild, manchmal auch nur ein Medikationsplan. Gewöhnungsbedürftig, aber irgendwie interessant.


    Allerdings: die Sache mit den Eulerschen Quadraten ging nach hinten los. Nicht allein, dass die dazugehörige Tabelle fehlerhaft ist (und Mathematik ist nunmal eine exakte Wissenschaft). Auch sind die Worte, die laut dieser Tabelle in den einzelnen Kapiteln auftauchen sollen, so banal, dass es eher schwierig erscheint, einen Text ohne diese Worte zu schreiben. Manchmal dagegen habe ich sie auch nicht im Text wiedergefunden. Aber vielleicht bin ich ja einfach zu blöd :gruebel


    Trotzdem: mal was anderes, lesenswert.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Ich kann mich Batcat nur anschließen.


    Mich haben die vielen Namen auch ganz verwirrt. Es wurden ja nicht nur die Altenheimbewohner benannt sondern auch ihre Familien ( was noch in Ordnung ist ) Dann noch die Pfleger und deren Angehörige. Es wäre wirklich gut gewesen am Buchende eine Liste zu drucken, wer zu wem gehört


    Ich hoffe, dass ich nie in ein Altenheim muss, aber es könnte durchaus so zugehen wie beschrieben.Alte Menschen neiden sich glaube ich alles.



    Am Ende des Buches war ich schon etwas geschockt über das Ende von Nini und die Träume der Madame Barbier.


    Mit dem Rösselsprung, den Euler`schen Quadraten und den anderen Listen kann ich gar nichts anfangen.


    Im großen und ganzen ein nettes Buch, mehr aber auch nicht.

    Ministerin des Eulenministeriums für Backen und Ernährung.

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