Benedict Wells - Fast genial

  • Klappentext:


    Francis Dean, knapp achtzehn, wohnt mit seiner alleinerziehenden Mutter in einem heruntergekommenen Trailerpark in New Jersey und sieht sein Leben schon dort enden.
    Bis zu dem Tag, an dem er die Wahrheit über seine Zeugung erfährt: Offenbar verdankt er seine Existenz einem absurden Experiment, an dem seine Mutter damals teilgenommen hat. Sein Vater ist zudem kein Versager, der die Familie im Stich ließ, sondern ein genialer Wissenschaftler aus Harvard. Eine Begegnung mit ihm könnte Francis´ Leben verändern.
    Zusammen mit seinem besten Freund Grover, einem verschrobenen Superhirn, und dem Mädchen seines Herzens, der labilen, unberechenbaren Anne-May, macht er sich auf eine Reise quer durchs Land zur Westküste, um seinen Vater zu finden. Francis will wissen, wer er ist, und zu verlieren hat er nichts – oder doch?
    Ein dramatischer Erkundungstrip mit immer neuen Wendungen und einem im wahrsten Sinn atemberaubenden Showdown.


    Meine Meinung:


    Ich mag literarische road trips, ich mag Romane, die in Amerika angesiedelt sind sowie Bücher über Außenseiter und Verlierer, zudem gefielen mir Becks bisherige zwei Romane „Becks letzter Sommer“ sowie „Spinner“ ausnehmend gut – beste Voraussetzungen also, dass mir auch sein dritter Roman „Fast genial“ sehr gefallen könnte. Vielleicht lag es an meiner sehr hohen Erwartungshaltung, jedenfalls konnte mich das vorliegende Buch nicht so recht überzeugen und kommt meiner Meinung nach bei weitem nicht an die Vorgänger heran.


    Die Hauptfigur Francis ist mir ehrlich gesagt herzlich unsympathisch, zudem musste ich beim Lesen des Buches ständig an Eminem denken, der auch tatsächlich mehrmals Erwähnung findet.
    Der ganze Roman wirkt routiniert und solide heruntergeschrieben, lebt für mich aber ganz einfach nicht, daran endet auch der immer wiederkehrende Pathos und die dramatische Schlusssequenz in Las Vegas nichts. Gerade auf den ersten 200 Seiten ist manches vorhersehbar, danach gibt es zwar ein paar der angekündigten Wendungen, die aber auch nicht allzu sehr verblüffen. Bücher über sogenannten White Trash gibt es bereits viele, da kann man gleich zu den großartigen Romanen von Willy Vlautin greifen, bei denen sicher keine Langeweile aufkommt.


    Trotz aller Kritik bin ich aber überzeugt davon, dass dieser Roman seine Leser findet und auch von vielen sehr positiv aufgenommen werden wird - Meinungen sind nun einmal verschieden und alles ist ja auch nicht schlecht, etwa die Figur Anne-May.


    Fazit: Viel Potenzial wurde hier leider verschenkt. „Fast genial“ kommt für mich nicht an „Spinner“ sowie an „Becks letzter Sommer“ heran, ich würde auf das Taschenbuch warten.


    5,5 Punkte

  • Danke für deine Rezi. :wave Bei deiner Einschätzung des Buches bin ich ja beruhigt, dass ich es letzte Woche im Buchladen doch wieder weg gelegt habe ... da warte ich lieber, bis es als Taschenbuch erscheint oder in der Bibliothek verfügbar ist.

    "Es gibt einen Fluch, der lautet: Mögest du in interessanten Zeiten leben!" [Echt zauberhaft - Terry Pratchett]

  • Für den 17-jährigen Francis scheint die Situation aussichtslos. Sein Stiefvater hat die Familie verlassen, seine Mutter lebt mit Depressionen in einer Klinik und seinen leiblichen Vater hat er niemals kennengelernt. Durch diese Situation muss er in einem Trailerpark wohnen, der alles andere als ansehnlich ist. Er hat nur einen Wunsch, er möchte seinen leiblichen Vater kennenlernen. Dies möchte seine Mutter nicht und sie versucht mit aller Macht ein Kennenlernen der beiden Männer zu verhindern.
    Doch Francis gibt nicht auf und setzt alles dran, um seinen Vater kennenzulernen. Dabei gibt es nur einen winzigen Anhaltspunkt, an dem er sich festklammert. Zusammen mit seinem besten Freund Groover und seiner Freundin Anne-May macht er sich auf die Suche…


    Da mir Benedict Wells immer wieder empfohlen wurde, wurde es nun langsam Zeit, eines seiner Werke zu lesen. Da meine Erwartungen nicht besonders hoch waren, konnte ich auch nicht enttäuscht werden, allerdings bin ich doch sehr positiv überrascht, denn das Buch war richtig gut.


    Benedict Wells hat es geschafft, mich direkt an die Geschichte zu fesseln. Ich hätte zwar nicht mit einem derart saloppen Schreibstil gerechnet, aber dennoch wusste dieser zu gefallen. Das Buch liest sich flüssig, schnell und trotz der Thematik sehr sarkastisch. Die Charaktere waren nahezu perfekt. Der Autor hat es geschafft, dass ich mich nahezu mit jeder Person identifizieren konnte, was sonst kaum ein Autor zuvor bei mir geschafft hat.


    Der 17-jährige Francis hat es in seinem Leben nicht leicht. Er lebt in einem Trailer, seine Mutter ist depressiv, seinen Vater kennt er nicht und besonders viele Freunde hat er auch nicht. Da er bislang nur seinen Stiefvater kennt, lässt ihn der Gedanke nicht los, wer sein leiblicher Vater ist. Seine Mutter möchte ihm dies jedoch nicht sagen. Doch trotz all der Umstände ist Francis alles andere als pessimistisch und möchte etwas aus seinem Leben machen. Sein bester Freund Groover steht ihm dabei immer an der Seite. Auffallend ist hier Francis’ Gefühls- und Gedankenwelt, die mich sehr ansprach. Obwohl es manchmal aussichtslos ist, schlägt er sich mit Intelligenz und Sarkasmus durch.
    Seine Mutter ist nach vielen Enttäuschungen depressiv. Francis’ Vater war nur eine Affäre und ihr Ex-Mann hat sie nach der Scheidung einfach zurückgelassen, sodass ihr nichts anderes übrig blieb, als mit Francis in einem Trailerpark zu leben. Sie lebt in ihrer eigenen Welt und verliert die Realität völlig, sodass sie immer wieder in psychiatrische Kliniken eingewiesen werden muss.
    Mit Anne-May kommt ein weiter Charakter ins Spiel. Auch sie musste ich einfach gerne haben. Wie Francis’ Mutter ist auch sie eine Patientin in der Psychiatrie. Obwohl er sie nur vom sehen her kennt, ist sie ihm sofort sympathisch und er bekommt sie nicht mehr aus dem Kopf. Zusammen mit Groover verhilft er ihr zur Flucht aus der Klinik.


    Die Suche nach dem leiblichen Vater wird authentisch geschildert. Die Jugendlichen haben alle Hoffnungen, Wünsche und Träume. Bei manchem ist es die Suche nach sich selbst, bei anderen der Wunsch nach Freiheit. Die Gedanken und Gefühle der Jugendlichen werden hierbei realitätsnah und sympathisch geschildert.
    Auch wenn ich zunächst das Gefühl hatte, dass das Thema Gentechnik unangebracht ist, wurde ich auch hier positiv überrascht. Benedict Wells schildert dieses Thema recht neutral, ohne sich auf eine Seite zu schlagen, vielmehr überlässt er hier seinem Leser, sich seine eigene Meinung zu bilden.


    Das Cover ist – wie bei nahezu jedes Buch aus dem Diogenes Verlag – ziemlich schlicht, aber dennoch hübsch anzusehen. Obwohl das Bild nicht unbedingt zu der Geschichte passt, weiß es dennoch zu überzeugen und strahlt eine gewisse Ruhe aus, die mir gefällt, denn auch die Geschichte ist trotz der Thematik eher ruhig.


    Insgesamt konnte mich “Fast genial” von sich überzeugen und dieses Buch wird für mich mit Sicherheit nicht das letzte von Benedict Wells sein. Wem komplexe Familiengeschichten gefallen und dazu noch das Interesse an Gentechnik vorhanden ist, wird mit diesem Buch seine pure Freude haben. Empfehlenswert!


    4/5

  • Auch ich hatte nach Wells' Roman "Becks letzter Sommer", der mir ausgesprochen gut gefallen hat, hohe Erwartungen an sein neuestes Buch, doch auch bei mir wurden sie nicht wirklich erfüllt... Eigentlich kann ich mich mankell weitgehend anschließen...


    Meine Rezension:
    Es ist eine interessante Geschichte, die sich Benedict Wells für seinen neusten Roman ausgesucht hat: Ein armer Junge aus einem Trailerpark, der erfährt, dass sein ihm unbekannter Vater keineswegs eine der zahllosen Affären seiner Mutter war, sondern ein Genie, das und der sich daraufhin mit seinem besten Freund und seiner Freundin quer durch die USA auf den Weg macht, seinen Vater kennenzulernen, strotzt geradezu vor Potenzial. Sie verspricht einen Roadtrip mit Tiefgang, doch dieses Versprechen kann sie leider nicht ganz halten. Im Grunde erzählt Wells hier zwei Geschichten (Suche nach der eigenen Identität und die ethische Frage in der Humangenetik), die eng miteinander verknüpft sind, jedoch beim Leser nur als sehr lose miteinander verbändelt ankommen. Wells gelingt es trotz seiner interessanten Figuren nicht, ein Gefühl der Authentitzität und Empathie hervorzurufen, so dass der Eindruck entsteht, seine Figuren lägen ihm nicht so am Herzen wie es beispielsweise bei "Becks letzter Sommer" der Fall war. Neben zahlreichen vorhersehbaren Ereignissen gibt es allerdings doch noch die ein oder andere unerwartete Wendung, die das Interesse an der Geschichte aufrechterhält und (leider erst) ganz zum Schluss, im letzten Kapitel, hat sich Wells gefangen und lässt etwas von seiner Erzählkunst erkennen, die den Leser fesselt, ihn atemlos Satz für Satz verschlingen und die tiefere Bedeutung der Geschehnisse erst auf den zweiten oder dritten Blick offenbart. Auch wenn das wirklich tolle Ende diesen Roman zwar nicht über den Durchschnitt retten kann, weckt es auf jeden Fall Hoffnung und Vorfreude auf das nächste Werk des jungen Autors!



    Weil mir das Ende so gut gefallen hat, vergebe ich 7 Punkte!

  • Leider hat mich dieser Roman sehr rasch an den Film "Vincent will Meer" erinnert. Mit der Zeit drängte sich mir auch ein Vergleich mit Herrndorfs "Tschick" auf. (Ach ja, nun erinnert mich der Roman auch an den "Joker" von Zusak - und zwar in allen Anfangsszenen, wo Francis mit dem dealenden Nachbarsjungen auf den Verandastufen sitzt und auch ein bisschen wegen der Katze)
    Wells hat seinen Leser m.M. nach mit Hilfe von Patentrezepten einen "Go & eat-Cupcake" serviert. Deshalb ... nicht unhöflich sein und nicht aussteigen, bevor der Roadtrip zu Ende ist. Das war definitiv mein letzter Roadtrip-Roman.


    Am besten hat mir das Autorenfoto gefallen. :grin Benedict Wells könnte auch als Männermodel seinen Weg machen.


    2 von 10 Eulenpunkten