Wachsende Unmenschlichkeit

  • Gerade bei t-online.de einen Bericht über Markus Gräfe, einem Bundesliga-Schiedsrichter, gelesen, der über die zunehmende Belastung im Fussball spricht - und über mangelnde Unterstützung.


    Ich geb ihm da Recht.
    Jeder Reservespieler verdient mehr, als ein Schiedsrichter. Aber welchen Druck die Männer in schwarz ausgesetzt sind? Die dürfen ja nicht einmal den kleinsten Fehler begehen - obwohl man das lockerleicht den bestbezahltesten Fussballer zugesteht. Und selbst bei einer tadellosen Leistung werden sie brutalst angefeindet.
    Das Geschäft wird rauer und vorallen unmenschlicher. Die Fussballbranche geht über Leichen - ein Sprichwort, das von der Metapher zur Wirklichkeit werden kann.


    Aber wie soll dem entgegen gewirkt werden? Sobald es einer ruhiger angehen lässt, profitiert ein anderer davon. Ein Teufelskreis, der nicht zu durchbrechen ist - oder?
    Selbst Robert Enkes Tod hat dahingehend rein gar nichts bewirkt.

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  • Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich jetzt unbeliebt mache... Ich seh das alles ein bisschen anders.


    Und nur mal ganz kurz: Ein Schiedsrichter bekommt in der 1. Liga mit Sponsorengeldern so ungefähr 4 500 € pro Spiel. Außerdem soll es ja bald den Profi-Schiedsrichter geben. Also scheint sich da ja was zu tun...


    Dass sich nichts geändert hat, seh ich so auch nicht. Mittlerweile haben sich doch einige zu Depressionen bekannt oder sind gar nach ihrer Burn-Out-Auszeit (siehe Miller) wieder zurückgekehrt. Es gibt nun mal Druck in jedem leistungsbezogenen Beruf. Das ist aber doch in der freien Wirtschaft nicht anders, oder?


    Und Gräfe sagt, dass es in diesem Jahr besonders schlimm wäre. Möglicherweise habe ich nicht drauf geachtet, aber mir kam das nicht krasser vor als in den letzten Jahren auch schon. Wenn ein Schiedsrichter mal Fehler macht, dann wird halt drüber geredet und eine Mannschaft ist dann nun mal benachteiligt und sauer.


    Es ist mir auch ein bisschen zu einfach zu sagen, dass sich Rafati das Leben nehmen wollte, weil die Öffentlichkeit, die Fans und die Medien zu böse waren, wenn er schlecht gepfiffen hat.

  • Die "armen" Bundesligaschiedsrichter bekommen über 3.000 € pro Einsatz (!). Das ganze ist eine Show und ein Geschäft, mit Sport hat es ohnehin nur am Rande zu tun, eigentlich aber überhaupt nicht. Es gibt wirklich viele Bereiche, in denen man sich über die "wachsende Unmenschlichkeit" beklagen könnte und auch müsste, aber bei Leuten, die für zwanzig Stunden Arbeit pro Monat netto über 12.000 Euro einstreichen, kommt mir das etwas unangebracht vor.

  • Den Begriff "Unmenschlichkeit" würde ich nicht unbedingt an der Belastung für die Schiedsrichter festmachen. Ein Schiedsrichter bekommt für ein Spiel der ersten Liga 3.800 EUR, für ein Spiel in der CL bekommt er zwischen 2.000 und 6.000 EUR.


    Unmenschlich dagegen ist es, wenn beispielsweise die Zimmermädchen - auch in den Nobelhotels - mit einem Stundenlohn abgefunden werden, der oftmals nur knapp 1,50 EUR die Stunde liegt. 1,50 EUR für einen Knochenjob. Und diese Ausbeuterlöhne gibt es auch in anderen Branchen.


    Unmenschlich ist es, wenn Menschen aus diesem Lande ausgewiesen werden, die hier geboren wurden und hier auch ihre sozialen Kontakte haben. Und die nur deshalb ausgewiesen werden, weil irgendwo ein Komma an einer falschen Stelle steht.


    Unmenschlich ist das kirchliche Arbeitsrecht......


    usw. usf.


    Unmenschlich sind unter Garantie aber nicht die Arbeitsbedingungen unserer Schiedsrichter. Niemand hat sie dazu gezwungen diesen Job, neben ihrem normalen Beruf, zu machen; es sind Krokodilstränen die hier geweint werden. Hinzukommt, dass ein Großteil dieser armen Menschen auch unter fortgeschrittener Mediengeilheit leidet.....

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Unmenschlich dagegen ist es, wenn beispielsweise die Zimmermädchen - auch in den Nobelhotels - mit einem Stundenlohn abgefunden werden, der oftmals nur knapp 1,50 EUR die Stunde liegt. 1,50 EUR für einen Knochenjob. Und diese Ausbeuterlöhne gibt es auch in anderen Branchen.


    :write


    Und zwar in nicht wenigen Branchen.

    Ailton nicht dick, Ailton schießt Tor. Wenn Ailton Tor, dann dick egal.



    Grüße, Das Rienchen ;-)

  • Die Schiedsrichter werden aufs übelste beleidigt, oft vor Millionen an den Pranger gestellt, und auch mal eine Morddrohung an sie versandt - und dann heißt es, die sollen sich nicht so haben, weil sie ein paar tausend € pro Spiel verdienen?


    Rechtfertigt die Gage, dass es ruhig härter zugehen darf? Mit so ner Begründung treibt man das doch nur weiter an. Und klar, dass es in anderen Branchen nicht anders zugeht, das mit den Schiedsrichtern war auch nur ein Beispiel. Nur habe ich eben den Eindruck, dass es eben immer ruppiger und unmenschlicher zugeht - oder täuscht der Eindruck?


    Und kein Mitleid oder zumindest Mitgefühl für solche Menschen zu haben, weil sie ja damit gutes Geld verdienen - hat auch etwas unmenschliches.


    Hey! Du verdienst pro Spiel 3800 € - also halt die Klappe. Du musst dich ja dafür schämen, wenn du dich beklagst! Anderswo verdienen die Leute ein Bruchteil dessen, was sie dir in den Arsch blasen.


    Ist das fair? Dann dürfen wir über nichts mehr klagen, schließlich gibts immer welche, denen es wesentlich schlechter geht.


  • Alles sicher nicht falsch was du schreibst. Nur haben die Schiedsrichter eine echte Alternative - sie haben die Möglichkeit ihren Pfeif-Job an den Nagel zu hängen und können dann in ihren Berufen weiterarbeiten, sie fallen also nicht aus ihrer finanziellen Hängematte.


    Und wer sagt denn, das etwas fair sein muss? Die Welt ist nicht fair - warum sollen also gerade die Schiedsrichter eine Ausnahme bilden?


    Tatsache ist: Die Schiedsrichter jammern auf einem unglaublich hohen Niveau.


    Natürlich rechtfertigt nichts eine Morddrohung und übelste Beleidigungen. Aber auch andere Berufsgruppen müssen damit leben und beschweren sich nicht.


    Die Welt ist halt schlecht - akzeptier es einfach. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Die Welt ist halt schlecht - akzeptier es einfach.


    Wo kämen wir dahin, wenn wir eine schlechte Welt einfach akzeptiren würden. Ich werde das auf jeden Fall nie akzeptieren, auch egal.


    Zitat

    Rechtfertigt die Gage, dass es ruhig härter zugehen darf? Mit so ner Begründung treibt man das doch nur weiter an. Und klar, dass es in anderen Branchen nicht anders zugeht, das mit den Schiedsrichtern war auch nur ein Beispiel. Nur habe ich eben den Eindruck, dass es eben immer ruppiger und unmenschlicher zugeht - oder täuscht der Eindruck?


    Nein, ich glaube, der täuscht nicht. Scheint mir auch so, dass alles immer brutaler, unmenschlicher, härter, detailgetreuer wird. Ob das nun Berichterstattung oder Pornographie ist. Oder meinetwegen Schiedsrichterbeschimpfungen. Trotzdem kann ich mich nicht dagegen erwehren, dass es weit schlimmere Dinge auf dieser Welt gibt, über die es sich aufzuregen gilt. ;-)

    Ailton nicht dick, Ailton schießt Tor. Wenn Ailton Tor, dann dick egal.



    Grüße, Das Rienchen ;-)

  • Zitat

    Original von rienchen


    Wo kämen wir dahin, wenn wir eine schlechte Welt einfach akzeptiren würden. Ich werde das auf jeden Fall nie akzeptieren, auch egal.


    Und was machst du dagegen? Gegen Windmühlenflügel kämpfen? :grin

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


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  • Zitat

    Original von rienchen
    Mit Sonnenblumen reden. :grin


    Gute Idee! Die geben wenigstens keine Widerworte. :grin

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    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von rienchen
    Voltaire, sag einfach mal ganzganz schnell meine Signatur auf. Komm. 1.....2.... :grin


    Machst du das mit deinen Sonnenblumen auch..... :gruebel :-)

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


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    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von xania
    War es denn früher wirklich besser? Ich habe in einem Dorfmädchenverrein Basket gespielt, es ging wirklich um gar nichts und trotzdem war es nie angenehm für die Schiedsrichter. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es irgendwann einmal leicht für Schiedsrichter war.


    Ja, klar, der Schiedsrichter war und ist irgendwie immer der 'Arsch' gewesen. Ich hab auch jahrelang Fussball gespielt und hab mich sicher auch oft aufgeregt.


    Aber trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, dass es zunehmend härter zur Sache geht. Es wird ja quasi jede Handbewegung, jeder Pfiff und Nicht-Pfiff und fast jeder Blick bis ins Detail analysiert und bewertet.


    Früher war doch alles irgendwie gemütlicher. Da ist ein Skifahrer auch mal Weltmeister geworden, obwohl er hingefallen ist. Heute gehts um Tausendstel, die über Erfolg und Mißerfolg entscheiden - und da hat eben Respekt, Anstand und alles, was mit Menschlichkeit zu tun hat, nicht mehr viel Spielraum ...

    Krimi-Komödie: Das Trüffelschwein
    Ein Detektiv, seines Zeichens Bondage-Novize und FC-Bayern-Fan, wird mit einem skurruilen Fall betraut ...

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Quidam ()

  • Voltaire hat schon alles gesagt. Das kann ich nur :write


    Da braucht sich keiner beschwerden. Sie machen einen Job für gutes Geld und können wieder in ihren erlernten Beruf zurück, wenn sie keine Lust mehr aufs Pfeifen haben.


    Was soll denn eine Friseurin sagen, die mit maximal 1500 € brutto nach Hause geht? Wie oft müssen sie sich anmeckern lassen, wenn Madam Kundin nicht zu frieden ist?

    Don't live down to expectations. Go out there and do something remarkable.
    Wendy Wasserstein

  • Zitat

    Original von rienchen


    Nein, die Stängel sind mir eindeutig nicht dick genug. :grin


    Ja, stimmt - dünne Stengel bringen es halt nicht so. :rofl

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