Braumüller Literaturverlag 2010
164 Seiten
Kurzbeschreibung:
Richard Kranz, Überlebender aus dem Konzentrationslager, sucht im Jahr 1945 Thennberg auf, den einstigen Ferienort seiner Familie. Doch die Heimkehr in die Kindheitsidylle scheitert, muss scheitern.
György Sebestyén gelingt die facettenreiche Darstellung einer dunklen Zeit, die bis heute literarisch nur bruchstückhaft aufgearbeitet ist. Darüber hinaus ist Thennberg die Analyse eines ungelösten Kriminalfalls und eine Geschichte von Liebe und Tod. Ein meisterhaft konstruierter Roman, in dem Zeiten und Blickwinkel wechseln, Traum und Wirklichkeit, Erinnerung und Gegenwart in einem diffundierenden Verwirrspiel von Rauschfantasien und Fieberträumen ineinanderlaufen.
Über den Autor:
György Sebestyén (1930-1990), mit vielen Preisen ausgezeichneter zweisprachiger Schriftsteller. Studium der Philosophie, Soziologie, Literatur, später Ethnographie in Budapest, ab 1948 daneben Tätigkeiten als Dramaturg, Theater- und Literaturrezensent. 1956 flüchtete er nach aktiver Beteiligung am Ungarn-Aufstand nach Wien, wo er bis zu seinem Tod als freier Schriftsteller, Übersetzer und Journalist lebte. 1988 wurde er zum Präsidenten des P.E.N.-Clubs gewählt.
Mein Eindruck:
Das Buch ist erstmal 1969 erschienen und besitzt einen verhaltenen, ungewöhnlichen Stil, der viel mit Stimmungen arbeitet.
Der aus dem befreiten Konzentrationslager kommende Protagonist Richard Kranz geht ins fiktive Dorf Thennberg, das offensichtlich in der Nähe von Wien in Österreich angesiedelt ist. Hier trifft er Menschen wieder, die er einst vor seiner 5jährigen Zeit im KZ kannte. Doch es hat sich viel verändert, es herrscht eine Atmosphäre der Bedrohung, weitgehend aber auch Gleichgültigkeit. Von Schuldgefühlen ist noch keine Spur. Die Frau, die Richard einst liebte, ist tot, deren Tochter vom Stiefvater in eine unerwünschte sexuelle Beziehung gezwungen. Das ist übrigens eine erschreckend geschilderte Szene, die zeigt, dass der Autor wirkungsvoll schreiben kann.
Teilweise wird in Form der Berichterstattung erzählt, teilweise als erlebte Rede dicht bei dem Protagonisten, dessen Empfindungen durch seine Erfahrungen der letzten Jahre geprägt sind.
Bemerkenswert ist das aus 5 Kapiteln bestehende Nachwort von Helmuth A.Niederle, dass sich ausführlich mit dem Autor und mit diesem Roman beschäftigt.
Der mit nur 145 Seiten kurze Roman ist in seinen Motiven kein einfaches Buch, obwohl gerade da die Reize liegen. So werden zum Beispiel Russen auf Pferden beschrieben, mit ihren Maschinengewehren über die Rücken gehängt, als wären es Musikinstrumente.
Manche Passagen sind durchaus etwas spröde, der Roman ist aber ein wichtiges Werk, das ich nicht unerwähnt lassen wollte.