von Mannda, Gottlieb: Linie 7

  • Zitat

    In der Berliner U-Bahn kann man Studien über Menschen treiben, die auch noch so aufwändige Fernsehsendungen in den Schatten stellen.Hier findet man einen repräsentativen Querschnitt unserer Berliner Gesellschaft, in der jeder - im wahrsten Sinne des Wortes - während der Fahrt seinen Platz einzunehmen versucht. Den meisten gelingt das ja auch.Doch so manche schräge Zeitgenossen ragen aus der breiten Masse heraus. Sie sind das Salz in der "Menschensuppe" und eine pikante Würze unserer lebendigen Hauptstadtbevölkerung.Mit Berliner Schnauze und viel Spaß an der Beobachtung berichte ich von ganz Alltäglichem und teilweise Unerhörtem.


    ie schönsten Geschichten schreibt das Leben. Als gebürdige Hamburgerin bin ich selbst über viele Jahre immer wieder mit der S-Bahn oder U-Bahn gefahren, und weiß aus Erfahrung, dass dort die unmöglichsten Dinge passieren. Wie zum Beispiel ein Unbekannter, der einsteigt, sich neben einen setzt, die eigne Hand ergreift und erst an der nächsten Station loslässt zum Aussteigen. Gewaltauseinandersetzungen, platzende Einkaufstüten oder Personen die ein gefundenes Lästerfressen sind. Wer mit der Bahn fährt weiß, dass man außerhalb eines Buches immer etwas lustiges oder spannendes erleben kann. Obwohl ich unzählige Dinge erlebt habe, wäre ich nie auf die Idee gekommen, diese in einem Buch zu veröffentlichen. Wollen andere so etwas überhaupt lesen. Schließlich ist es schwer einen lustig empfundenen Moment für die Nachwelt einzufangen. Ich war echt gespannt, wie es dem Autor gelungen ist.


    Der Autor hat auf seinen zahlreichen Fahrten genügend Material sammeln können, die der inzwischen lustig angehauchte Mann sicherlich genauso spannend und komisch vermitteln kann. Es sind Geschichten, die die Titel „Ein Superhinter“ , „Merkel fährt U-Bahn“ oder „Das Schnittchen“ tragen und auf einen lustigen Inhalt schließen lassen.


    Die Geschichten lassen sich flüssig lesen, so als wäre man selbst dabei. Bildhaft, modern und realistisch. Von diesem Aspekt her, hat mich der Autor gleich angesprochen. Doch der Stil allein genügt definitiv nicht. Bei der ersten Geschichte, die sich um die lästigen Zeitungsverkäufer in der U-Bahn dreht, wartete ich noch auf eine Pointe. Bei der zweiten Geschichte, wo es um eine große Frau mit riesigem Hinterteil geht, konnte ich sogar einen Hauch von Humor entdecken. Das ist ein Ansatz, der die Leute auch in der Bahn zum Lächeln bringt. Danach geht es jedoch wieder merkwürdig weiter. Was er erlebt, ist für ihn sicherlich ungewohnt, lustig oder gar spannend, aber dem Autor gelingt es nur selten diesen Moment für die Nachwelt festzuhalten. Stattdessen wartet man immer auf eine Pointe, ein Highlight oder einen Lacher. Bei jeder Geschichte geht man davon aus, und ist wirklich überrascht, wenn die Geschichte abrupt endet. Bei anderen Geschichten kann ich seine Beweggründe, wie zum Beispiel einen Pobler nachvollziehen. Es ist lustig, aber wenn diese Person das Down Syndrom hat, ist es mir persönlich zu grenzwürdig, als das ich so etwas in einem Buch aufnehmen würde. Andere Geschichten sind weder lustig noch spannend. Da geht es um ein Mädchen das Selbstgespräche führt, einen Mann der sich am Bahnhof eine Spritze setzt. Es sind Dinge oder Situationen, wo die Leser besonders aus Großstädten sagen: Ja kenne ich, aber lesen muss ich das nicht unbedingt. Oft fragte ich mich sogar, warum der Autor gerade dies ausgewählt hat.


    In meinen Augen hätte der Autor einiges mehr aus dieser Idee herausholen können. Hier und da mit einer kleinen Pointe versehen, hätte er die Leser mit diesen alltäglichen Geschichten packen können. Gerade bei einem Autor, der sich selbst als Klassenclown, der endlich zurück ist, beschreibt, erwartet der Leser Lacher und Pointen.


    Nichtsdestotrotz sind die Ansätze vorhanden und für unterwegs sicherlich eine kurzlebige Lektüre, die einen die anderen Fahrgäste mit neuem Blick sehen lässt. Aus diesem Grund kann ich es bedingt empfehlen.


    Erstellt am 19.12.11

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