(Originaltitel: The Blind Assassin)
ISBN: 3-8270-0013-0
Inhalt:
Eines sei vorweg gesagt: den Inhalt dieses Buches zu beschreiben ist schwierig. Weil verschiedene Zeit- und Handlungsebenen ineinandergreifen, sind schnell die Grenzen erreicht, an denen schon zuviel verraten wäre.
Ein Großteil des Romans wird aus der Perspektive der Fabrikantentochter Iris Chase beschrieben. Die inzwischen über 80-jährige Iris läßt ihr Leben, ihre Familie und den rätselhaften Tod ihrer jüngeren Schwester Laura noch einmal Revue passieren.
Die beiden Schwestern Iris und Laura wachsen behütet in der kanadischen Kleinstadt Ticonderoga auf. Nach dem frühen Tod ihrer Mutter nimmt sich vor allem die Haushälterin Reenie der beiden Mädchen an und wird damit zur Hauptbezugsperson für die Schwestern.
Das Verhältnis zum Vater bleibt eher oberflächlich und Kontakte zur Außenwelt sind spärlich. Bei einem Sommerfest lernen die Schwestern den kommunistisch orientierten Alex Thomas kennen. Was zunächst nur wie eine Teenager-Schwärmerei aussieht, wird sowohl für Laura als auch für Iris ihr weiteres Leben nachhaltig bestimmen.
Im Verlauf der Jahre trennen sich die Wege der beiden Schwestern:
Iris heiratet einen älteren Fabrikanten, um ihren verschuldeten Vater zu retten, und führt ein äußerlich zwar weitgehend sorgenfreies, aber auch fremdbestimmtes Leben.
Laura hingegen verschreibt sich sozialistischen Idealen und begehrt gegen ihre bürgerliche, konventionelle Umgebung auf. Und wenige Tage nach dem Ende des zweiten Weltkriegs begeht sie Selbstmord ...
Meine Meinung:
Für diesen Roman gewannt Margaret Atwood im Jahr 2000 den renommierten Booker-Prize. Dementsprechend hoch wurde er von den Kritikern gelobt. Aber mindestens ebenso viele negative Stimmen haben mich jahrelang davon abgehalten, das Buch zu lesen. Und das war ein Fehler, wie ich jetzt bemerken muss.
"Der blinde Mörder" erinnert mich ein wenig an eine russische Puppe: in jedem Erzählstrang steckt immer noch wieder ein neuer. Verschiedene Zeit- und Handlungsebenen, einzelne Zeitungsartikel und dazu noch kleine, scheinbar zusammenhangslos eingeflochtene Science-Fiction-Stories bestimmen dieses Buch.
"Zehn Tage nach Kriegsende lenkte meine Schwester Laura ein Auto von einer Brücke." Mit diesen Worten beginnt der Roman und legt damit direkt den Dreh- und Angelpunkt des Buches fest: Lauras Selbstmord, und die Umstände, die dazu führten.
Nach und nach nähert sich Margaret Atwood mit vielen Versatzstücken diesem Thema. Manche Zusammenhänge werden erst im Verlauf der Geschichte aufgedeckt, anderes erfährt der Leser bereits vorab. Dieses Spiel mit Zeit- und Perspektiven machen für mich einen besonderen Reiz dieses Romans aus. Auch wenn ich mir an mancher Stelle eine etwas straffere Darstellung gewünscht hätte, habe ich mich mit diesem Buch keinesfalls gelangweilt.
Margaret Atwood hat einen stets leicht unterkühlten Sprachstil, mit dem sich viele Leser nicht anfreunden können. Beim blinden Mörder kommt hinzu, dass durch die langsam-detailreiche Erzählweise keine allzugroße Spannung aufkommt und die vielen Zeit- und Perspektivwechsel schnell etwas verwirrend wirken können. Und so wird dieses Buch - wie meiner Meinung nach alle Atwood-Bücher - nicht unbedingt jedem Leser gefallen. Wer diesen Stil mag, kommt hier aber bestimmt auch auf seine Kosten. Mir jedenfalls hat das Buch gut gefallen, auch wenn ich es nicht als das beste Buch der Autorin bezeichnen würde (Das ist nach wie vor "Der Report der Magd").