Linda Budinger: Die Nebelburg.
Die Greifenritter von Alnoris
Spreeside Verlag 2009. 416 S. Hardcover mit SU
ISBN-13: 978-3939994244. 14,99€
Verlagstext:
Die Freundinnen Daphne und Rinia verbindet ein gemeinsames Ziel: Sie wollen Ritterinnen werden. Als sie an den Königshof gerufen werden, scheint sich ihr Traum zu erfüllen. Doch so einfach ist die Aufnahme in die Ritterschar nicht. In einer harten Ausbildung müssen die beiden zunächst ihre „Flügel verdienen“. Die Mädchen erlernen den Umgang mit Waffen und fliegen auf den magischen Greifen, den Reittieren der Schar von Alnoris. Aber ihre Neugier und Abenteuerlust bringt sie bald in Schwierigkeiten. Daphne und Rinia kommen einem finsteren Geheimnis auf die Spur, das ganz Alnor und die Ritterschar zu verschlingen droht. Und wer die Greifenritter retten will, hat einen schrecklichen Preis zu zahlen. Der Zauberer Scalmac hat rings um seine Nebelburg einen dunklen Ort voller Magie und Ungeheuer geschaffen, der auch den Mädchen zum Verhängnis werden kann. Um die Menschen zu schützen, die sie lieben, müssten die Freundinnen alles aufgeben, was sie sich erarbeitet haben. Finden Daphne und Rinia einen Ausweg aus dieser aussichtslosen Lage?
Die Autorin:
Linda Budinger, geboren 1968 im Rheinland, kam über ihre Begeisterung für Märchen und Mythen zur Phantastik. Dieses Interesse trug auch wesentlich zu ihrer Studienwahl der Ur- und Frühgeschichte, Germanistik und Völkerkunde bei; noch heute profitiert sie in ihren Romanen von dem damals erworbenen Wissensschatz um alte Kulturen und deren religiöse Vorstellungen. Neben zwei Romanen wurden zahlreiche Kurzgeschichten und Novellen der Autorin aus den Bereichen Phantastik, Horror und Krimi in verschiedenen Anthologien veröffentlicht. Heute lebt Linda Budinger in Leichlingen am Rande des Bergischen Landes, wo sie neben ihrer schriftstellerischen Tätigkeit auch an mehreren Hörspielproduktionen mitwirkt und sich als Übersetzerin, Gutachterin und Lektorin betätigt.
Inhalt:
Gründling ist ein kleiner Ort im Land Alnor, der in der Nähe eines verwunschenen Waldes liegt. Die Gegend wird im Norden von einem unerforschten schneebedeckten Gebirge begrenzt, im Osten trennt ein nordsüdlich verlaufender Gebirgszug Alnor vom Meer. Vor kurzer Zeit ist ein neuer Lehrer nach Gründling gezogen. Seine Tochter Daphne ist mit knapp 15 Jahren nicht mehr schulpflichtig. Nicht etwa, weil für ihre Altersgruppe keine Schulpflicht mehr gilt, sondern weil sie den Stoff schon beherrscht. Daphne, von der anfangs nur bekannt ist, das sie gern zeichnet, hat in diesem Sommer viel Freizeit. Mit Daphne und der Hirtin Rinia finden sich zwei Gleichgesinnte, die unbedingt eine Ausbildung als Knappe eines Ritters absolvieren wollen. Rinia wirkt in ihrem Wunsch viel gefestigter und entschlossener als Daphne. Sie spricht das aus, was Daphne bisher nur vage erträumte. Rinia hat sich bewusst gegen die Rolle als Frau und Mutter entschieden und will zu einem Ritter in Dienst, der seine eigene Tochter in eine andere Burg zur Ausbildung als Knappin geschickt hat.
Obwohl der Traum vom Ritterleben schon bald durch einen plötzlichen Todesfall für die Mädchen ausgeträumt zu sein scheint, bietet sich ihnen mit dem Eintreffen von zwei Greifenrittern eine unerwartete Chance auf eine Ausbildung. Auf Burg Alnoris werden Mädchen und Jungen als Greifenritter ausgebildet. Im zweijährigen Wechsel wird auf der Burg entweder eine Mädchen- oder eine reine Jungenklasse aufgenommen. Ein raffinierter Schachzug, um in der Internatsatmosphäre Hakeleien zwischen pubertierenden Jugendliche auszuschließen. In diesem Jahr werden zu Daphnes und Rinias Glück gerade Mädchen aufgenommen. Wer gleich auf dem Greifenrücken anreist wie unsere beiden Heldinnen, maßt sich nach Meinung der anderen Anwärterinnen eine Sonderrolle an und hat auf Alnoris automatisch einen schlechten Start. Die Ausgangssituation der Ausbildung mit Probezeit, langweiligen Routinetätigkeiten und den üblichen Frotzeleien unter Jugendlichen wirkt auf den Leser vertraut. Daphne präsentiert sich noch immer als unbeschriebenes Blatt ohne besondere Stärken und Vorlieben. Sie braucht eine ganze Weile bis sie die für sie ideale Waffe gefunden hat und eine Tätigkeit, die sie ausfüllt.
Die drei Kapitel des Buches verteilen sich durch zwei Zeitsprünge von einem Jahr und einem halben Jahr auf einen Zeitraum von über zwei Jahren. Im letzten Kapitel sind die Mädchen bereits knapp 17 und stehen kurz vor ihrer Auswahl durch einen Ritter, der sie in seine Dienste nehmen wird. Obwohl besonders Daphne sich weiter entwickelt hat und ihre Stärken zeigen konnte, fehlt dem gesamten Ausbildungsjahrgang noch die Erfahrung im Kampf. Überraschend muss der unerfahrene Ritternachwuchs für die Gemeinschaft von Alnoris in den Kampf ziehen, als eine langjährige Auseinandersetzung zwischen den Rittern von Alnoris und dem Zauberer Scalmac eskaliert. Daphne, plötzlich auf sich allein gestellt, findet überraschend einen Verbündeten und gerät zum ersten Mal in Kontakt mit Magie. Daphnes und Rinias Wege lassen sich auf der Landkarte im Buchdeckel nachvollziehen, eine Personen-Liste im Anhang erleichtert den Überblick über die handelnden Figuren.
Fazit:
Beim Lesen von Fantasy-Romanen möchte ich viel - viele Personen, viele Details, interessante Lebewesen und Pflanzen, eine ungewöhnliche Landschaft, geschickte Handwerker, gut trainierte Kämpfer. Außerdem suche ich Antworten auf die Fragen mit W: wie entwickelten sich die Charaktere zu dem was sie sind und welche Motive treiben sie zu ihrem Handeln an?
Prolog und erstes Kapitel der Nebelburg konnten mich noch nicht an die Geschichte von Daphne und Rinia fesseln. Besonders im Prolog fehlte mir Daphnes eigenes Erleben und Fühlen, zu viel wurde einfach erzählt. Als Person blieb Daphne zu Anfang ein unbeschriebens Blatt für mich. Was sagten eigentlich ihre Eltern zu den Plänen ihres einzigen Kindes? Warum wurden Konflikte nicht ausgetragen und Daphne von ihren Eltern nicht als Arbeitskraft für den elterlichen Haushalt beansprucht? Wenn Alnor möglicherweise eine Gesellschaft wäre, in der Mädchen in ihrer Berufswahl völlig frei sind, was sollte dann Daphnes Getrickse und ihre Heimlichtuerei? Auch sprachlich konnten mich Daphnes Ritter-Pläne anfangs nicht fesseln. Doch mit dem Aufsitzen der Mädchen auf den Greifenrücken nimmt die Geschichte Fahrt auf, die Beschreibungen werden detailreicher, die Vergleiche bildhafter, Dialoge humorvoll. "Taris, ihr könnt mit Worten ein Greifenküken zurück in sein Ei sperren" (S. 230). Das gesamte Thema Greifenhaltung fand ich höchst interessant und wünsche mir, dass es der jugendlichen Zielgruppe des Buches ebenso geht. Daphne, die sich vorwitzig immer wieder in ausweglose Situationen begibt, die ihre Stärken erst noch entdecken muss und lernen, zu ihrem Urteil zu stehen, könnte gerade durch ihre anfängliche Unentschlossenheit eine Identifikationsfigur für junge Leser sein. Wie die "Greiflinge", die Ritter-Azubis, muss auch der Leser sein Urteil im Laufe der Handlung mehrmals neu austarieren. Trotz des für mich schwierigen Starts in die Geschichte hat sich das Wagnis gelohnt, eine mir unbekannte Autorin kennzulernen. - Die Fortsetzung der Greifenritter von Alnoris kann kommen.