Im Mondstaub versunken - Arthur C. Clarke

  • OT: A Fall of Moondust 1961



    Arthur C. Clarke begegnete mir zum erstenmal in den frühen 1970ern in einer Erzählung in einem Kurzgeschichtenband, den ein höchst innovativer Referendar im Fach Deutsch unserer verdutzten Klasse zur Anschaffung aufzwang, für eine Unterrichtseinheit ‚Science Fiction Romane’. Wir waren platt von soviel Unternehmungsgeist, das Gefühl blieb in Erinnerung. Ebenso wie die Geschichte ‚Der Stern’, die im Unterricht übrigens nicht behandelt wurde.


    Da ich mir sehr lange nur Geschichten, nicht aber Namen von Autorinnen und Autoren gemerkt habe, war mir Clarke selbst dann kein Begriff, als die halbe Welt von ‚2001 Odyssee im Weltraum’ zu raunen begann. Das änderte sich auch weiterhin nicht, denn was ist schon ein Name, um es mit einem großen englischen Dramatiker des 16. Jahrhunderts zu sagen, dessen Name mir gerade nicht einfällt.
    Als sich die Geschichte vom Stern von Bethlehem und der Autorenname endlich zusammenfügten, war Clarke längst ein Klassiker geworden, Science Fiction aber unverändert ein Gebiet, das ich eher im Film betrat als im Buch. Natürlich ist mir damit etwas entgangen.


    ‚A Fall of Moondust’ geriet ebenso zufällig in meine Hände, wie vor über dreißig Jahren ‚The Star’. Und wieder war es eine wunderbare Überraschung.
    Die Geschichte ist im Kern eine klassische Abenteuergeschichte der Art, daß die Helden auf engem Raum eingeschlossen sind und die Uhr läuft, während die Wände die Raums immer näher zusammenrücken, um unseren Heldinnen und Helden endgültig den Garaus zu machen. Clarke präsentiert diesen Stoff aber so spannend, daß man das Gefühl hat, eine völlig neue Geschichte zu lesen.


    Der kleine Passagierkreuzer Selene ist ein Ausflugsschiff in der Mondkolonie. Touristen werden damit zum Sightseeing in den unbesiedelten Gebieten herumgeflogen. Sie können dort ein bißchen Weltraum-Abenteuer-Feeling genießen, die Wildnis bewundern hinter dicken Scheiben und strahlengeschützt , versteht sich. Pat Harris, der junge, aber wenig ehrgeizige Pilot des Reiseveranstalters, hat die Tour schon Dutzende von Malen geflogen. Er weiß genau, bei welcher scheinbar raffinierten Drehung des Steuers die Passagiere ‚Ah’ und wann sie ‚Oh’ seufzen, und wie man ihnen einen leichten Schauder einjagt, der der kleinen Crew am Ende sicher ein zusätzliches Trinkgeld einbringt. Harris ist nicht nur Flugkapitän, er ist auch Entertainer. So auch bei diesem Flug, mit vielleicht dreißig Passagieren und der Stewardeß Sue. In Sue ist Harris eigentlich verliebt, aber in der Liebe ist er ebensowenig ehrgeizig, wie im Beruf.


    Alles klappt auch diesesmal wie am Schnürchen, die Passagiere sind glücklich, die ‚Ahs’ und ‚Ohs’ kommen sekundengenau. Bis der Mond nicht mehr mitspielt. Durch einen seltenen physikalischen ‚Zufall’ gerät die Selene über dem ‚Meer des Dursts’, einem riesigen staubgefüllten Krater, in eine Art Mondbeben. Das Schiff kommt der staubigen Oberfläche zu nahe und versinkt. Ende der Vergnügungsfahrt für die Menschen an Bord. Beginn des Lesevergnügens, für die, die das Buch in der Hand haben.


    Die Handlung ist so spannend, wie man sie sich nur vorstellen kann, und mehr. Clarke holt aus dem einfachen Stoff heraus, was sich nur herausholen läßt. Das Wunderbare daran ist daß der Mond und seine physikalische Beschaffenheit selbst zum Protagonisten, besser: zum Antagonisten wird. Das Staubmeer setzt sozusagen alles daran, seine Beute zu behalten.
    Clarke schreibt berückend. Er entlockt diesem eigenartigen physikalischen Phänomen, das der Mond ist, eine bizarre und zugleich poetische Schönheit, deren Beschreibung man ebenso atemlos liest, wie die Rettungsversuche an Bord der Selene und an der Mondoberfläche. Der tödliche Feind Staub entwickelt einen echtem Zauber, so sehr, daß man noch der ausgefeiltesten physikalischen Erläuterung mit Begeisterung folgt.


    Die Figuren sind nur skizziert, herausgehoben werden nur wenige, aber Clarke schafft unverwechselbare Personen, mit ganz gegensätzlichen Charakteren. Die Interessen des Reiseveranstalters, Ehrgeiz und Mißverständnisse unter Wissenschaftlern und Ingenieuren, die wechselnden Gefühlslagen an Bord, all das wird höchst lebendig. Clarke hat überdies eine Menge Humor, so vertreiben sich die Passagier die Zeit mit Vorlesen,. Leider gibt es an Bord nur Schundromane, darunter ein pornographischer historischer Roman, den eine Siebzehnjährige vom Mars geschrieben hat. Und das aus dem Jahr 1961! Clarke kannte den Buchmarkt so punktgenau, daß er geradezu zum Propheten wurde.


    Natürlich geraten die Figuren unter der Staubdecke wie darüber von einer schrecklichen Klemme in die nächste, natürlich richtet die Presse fast mehr Schaden als Nutzen an, natürlich geht es am Ende um Sekunden. Clarke erweist sich als überzeugter Humanist, er geht mit den Figuren bei aller Schärfe auffällig freundlich um. dafür sind seine Konflikte ebenso wie die Konfliktlösungen entschieden originell.


    Spannung pur, gescheit serviert und mit einer innigen Liebe zur Poesie des alten alten Monds präsentiert. Überzeugende Mischung, eine (Wieder)Entdeckung unbedingt wert.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

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  • Gelesen habe ich eine englischsprachige Ausgabe. Ich kann das nur empfehlen, Clarke schreibt ganz wunderbar, humorvoll, präzise und liebenswürdig.
    Wenn er poetisch wird, wird er richtig groß, selbst wen er eigentlich von physikalischen Vorgängen spricht. :wow


    Verlinkt ist die derziet lieferbare Ausgabe, meine ist eine ältere von 1978.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus