Titel der französischen Orgininalausgabe: "Passport à L'Iranienne"
Dieser Roman beruht auf Ereignissen, die die Autorin 2005 im Iran erlebt hat. Es ist also autobiographisch angehaucht, ich habe mich aber entschieden, es unter Belletristik zu stellen, da es sich eher wie ein Roman liest und ich mir auch vorstellen kann, dass die Ereignisse hier und da verdichtet oder ausgemalt wurden, um die Geschichte besser fließen zu lassen.
Das Buch beschreibt in elf Kapiteln, die jeweils einen Tag umfassen, wie die Autorin versucht, ihren iranischen Ausweis zu verlängern. Ein Prozess, der normalerweise mindestens einen Monat dauert und mit viel Gerenne von einem Amt zum anderen und dem Herumstehen in langen Warteschlangen verbunden ist.
Der Ehemann wartet allerdings ungeduldig im fernen Frankreich und schüttelt immer nur den Kopf über ein Land, das er nicht versteht. Daher versucht sie mit allen Mitteln und unter Ausnutzung sämtlicher verfügbarer Schlupflöcher, Beziehungen und Bestechungen, die Wartezeit auf eine Woche zu verkürzen, denn ohne den Pass kann sie das Land nicht verlassen.
Das Buch lebt im Grunde von den skurrilen Gestalten, die die Autorin auf ihrer Odyssee trifft. Da ist zum einen ihre etwas schräge Familie, zu der auch diverse mehr oder weniger "adoptierte" Angestellte gehören, die sich im eher betuchten Haushalt der Familie gut eingerichtet haben. Dann sind da ihre Freunde, die ständig davon ausgehen, dass die Autorin sich in ihrer französisch sozialisierten Naivität an jeder Ecke über den Tisch ziehen lassen wird. Zum anderen trifft die Autorin jeden Tag neue Menschen, weil wieder irgendeiner irgendjemanden kennt, der ihr vielleicht, oder vielleicht auch nicht, helfen könnte. Aus Sackgassen wieder hinauszukommen, ohne Gefühle zu verletzen, ist dabei manchmal gar nicht so einfach.
Da sind die Photographen, die sich auf Passfotos, die den Gesetzen der Mullahs entsprechen, spezialisiert haben, die aber auch einen kaputten Fön reparieren und Stühle neu beziehen, ein Arzt, der sich als Pathologe herausstellt und der nicht nur mit Beziehungen, sondern auch mit Organen handelt, Mathematikprofessoren, die nebenbei Taxi fahren, weil sie von eine Gehalt nicht leben können, einem Fernsehtechniker, der den Leuten ihre verbotenen Lieblingssender immer wieder neu einstellt und Satellitenschüsseln in religiösen Opfergaben versteckt.
Das Buch lebt auch von seinen Running Gags, z.B. dem Brauch des tarofs, der die Autorin immer wieder viel Zeit und Nerven kosten, dem exotischen Saft, der ihr ständig angeboten wird und von dem ihr fast jeder erzählt, dass er so beliebt ist, dass er nach ganz Europa exportiert wird (und auch Mon Chérie soll in der Islamischen Republik hergestellt werden ;-)), der Bekannte, der versucht, über sie einen Kontakt zu Gerard Dépardieu herzustellen, weil sie schließlich auch aus Frankreich kommt (da ihr Mann ein bekannter Drehbuchautor ist, kennt sie tatsächlich so einige Leute). Auch DIE BOMBE wird erwähnt, die Iraner wollen zwar niemanden angreifen, sehen aber nicht ein, warum sie keine haben sollten, wenn selbst Indien und Pakistan eine haben.
Das Buch ist stellenweise vielleicht ein bisschen polemisch, aber sehr humorvoll und warmherzig geschrieben. Den deutschen Titel finde ich etwas irreführend, denn bei diesem Buch handelt es sich nicht um ChickLit. Fast nebenbei beschreibt die Autorin, wie der Alltag im heutigen Iran aussieht und wie die Menschen sich mit dem harten politischen System und den teilweise absurden Regeln arrangiert haben, ohne dabei ihre Großzügigkeit, Gastfreundlichkeit und ihren Humor zu verlieren. Die Menschen kommen dabei weitgehend gut weg, das Regime weniger.
Das Buch gibt es zur Zeit nur auf Englisch.
Über die Autorin
Nahal Tajadod wurde 1960 in Teheran geboren. Sie verließ den Iran im Jahr 1977 und emigrierte nach Frankreich. Sie studierte Chinesisch am INALCO in Paris und schrieb ihre Doktorarbeit über den Manichäismus. Sie erforscht die iranischen Einflüsse auf die chinesische Zivilisation. Buddhismus, Christentum, Manichäismus, Zoroastrismus, Judentum und Islam wurden in China durch iranische Missionare verbreitet. Nahal Tajadod wurde in der Kindheit in den Sufismus eingeführt und hat zur Übersetzung des Rumi beigetragen und eine fiktionalisierte Biographie des großen Meisters des Sufismus geschrieben. Sie ist die Frau des berühmten Drehbuchautor und Filmkritikers Jean Claude Carrière. Ihre Familie gehört der iranischen Oberschicht an, der Vater war an der Beendigung der Dynastie der Kadscharen beteiligt.
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