Titel: Vom Ende einer Geschichte
OT: The sense of an ending
Autor: Julian Barnes
Übersetzt aus dem Englischen von: Gertraude Krueger
Verlag: Kiepenheuer und Witsch
Erschienen: Dezember 2011
Seitenzahl: 231
ISBN-10: 3462044338
ISBN-13: 978-3462044331
Preis: 18.99 EUR
Erzählt wird diese Geschichte von Tony Webster, einem Menschen, der erst sehr spät versteht und eigentlich doch auch nicht versteht.
Vor rund 40 Jahren kam Adrian Finn in die Klasse von Tony Webster. Schnell schließen die beiden Jungen Freundschaft, aber es ist keine ganz gleichberechtigte Freundschaft. Es ist Adrian der den Ton angibt, der offenbar dem anderen immer ein kleines Stück voraus ist. Auch nach der Schulzeit reißt die Verbindung nicht ab.
Tony ist zwischenzeitlich mit Veronica zusammen, einem irgendwie etwas seltsamen Mädchen. Als Veronica Tony ihren Eltern vorstellt, erlebt dieser ein Wochenende, dass ihn sein ganzes späteres Leben nicht mehr so richtig loslässt. Gerade auch Veronicas Mutter hinterlässt bei Tony einen bleibenden, wenn auch etwas zwiespältigen Eindruck. Tony und Veronica sind ein seltsames Paar; sie schlafen erst dann miteinander, als Tony die Beziehung beendet. Veronica geht dann eine Beziehung mit Adrian ein. Tony schreibt den beiden einen sehr verletzenden Brief. Nach einer Weile erhält Tony dann die Nachricht dass Adrian Selbstmord begangen hat.
Dann macht die Geschichte einen Sprung von etwa 40 Jahren. Tony ist verheiratet, geschieden und hat eine Tochter, die nun selbst verheiratet ist. Er hat eine normale berufliche Karriere gemacht und lebt ein geregeltes Leben. Dann jedoch erhält von einer Rechtsanwältin einen Brief. Diese teilt ihm mit, dass er von Veronicas Mutter, die zwischenzeitlich gestorben war, 500 Pfund und Adrians Tagebücher geerbt habe. Allerdings seien die Tagebücher bei Veronica.
Tony versucht nun wieder Kontakt zu Veronica aufzunehmen, um die Tagebücher zu erhalten. Doch die Kontaktaufnahme und der Kontakte verlaufen anders als er sich es wohl vorgestellt hat.
Im Laufe der Zeit muss Tony sehen, dass sich Sichtweisen, Eindrücke und auch vermeintliche Gewissheiten ändern können.
Julian Barnes hat ein nicht leicht zu greifendes Buch geschrieben. Er erzählt mit einer durchaus reizvollen Umständlichkeit und immer dann wenn man als Leser meint, nun käme er zum Punkt, dann macht er einen kleinen Schlenker und man bleibt ein klein wenig ratlos zurück. Der Autor lässt seine Leserschaft an den Gedankengängen seines Protagonisten Tony teilhaben, so dass der Leser genaugenommen immer auf demselben Wissensstand ist wie Tony selbst. Es ist aber auch das Buch über einen Menschen, der offenbar immer mit der Normalität zufrieden war, der nie nach dem Besonderen strebte und der in der täglichen Lebensroutine so etwas wie seine Lebenserfüllung fand; obwohl man manchmal zwischen den Zeilen meint herauslesen zu können, dass diese Lebenszufriedenheit vielleicht auch als „bequeme und milde Resignation“ hätte bezeichnet werden können. In jedem Falle ändert sich ab das unaufgeregte Leben von Tony Webster als er wieder in Kontakt mit Veronica kommt. Sie scheint im Laufe der Jahre allerdings noch merkwürdiger geworden zu sein.
Ein Buch über einen Menschen, der das in Zweifel ziehen muss, woran er eigentlich immer geglaubt hat, der das in Zweifel ziehen muss, was für ihn offensichtlich war.
Julian Barnes denkt gar nicht daran es seinen Lesern allzu leicht zu machen. Und das ist auch gut so. Er nimmt seine Leser an die Hand – aber denken und nachdenken, das müssen sie allein. Ein sehr lesenswertes Buch, dass unter Garantie aber nicht von jedem gemocht wird. Vielleicht auch nicht unbedingt ein „typischer“ Julian Barnes.