Klein und Wagner - Hermann Hesse

  • Der biedere Beamte und treusorgende Familienvater Friedrich Klein ist mit gefälschten Papieren und unterschlagenem Geld auf der Flucht. In Italien lebt er, verfolgt von den Gedanken an sein furchtbares Verbrechen in einem fortwährenden Albtraum aus dem es kein Erwachen zu geben scheint. Daran ändern auch verschiedene Geselligkeiten, die Klein aufsucht und seine Bekanntschaft mit der Tänzerin Teresina nichts. Gefangen in seiner eigenen Welt treibt er dem Untergang entgegen.


    Worin die schwere Schuld besteht, die Friedrich Klein auf sich geladen haben soll, kommt nicht klar zur Sprache. Ob er seine Familie nach einer kriminellen Amtshandlung einfach verlassen oder eine Bluttat begangen hat, bleibt der Fantasie des Lesers überlassen. Der Bezug zum zweiten Titelhelden, dem Mörder Wagner, und die Unfähigkeit sein seelisches Gleichgewicht einigermaßen wiederzufinden, ließen mich letzteres vermuten, obwohl auch ein imaginäres Verbrechen nicht auszuschließen ist.
    Die sprachliche Ausdruckskraft, die in ihrer Dichte ihresgleichen sucht und den Leser genauso wenig wie den Protagonisten zur Ruhe kommen lässt, hat mich sehr beeindruckt. Dabei spielte das Schicksal des Friedrich Klein für mich fast schon eine untergeordnete Rolle, so stark drängen Hesses Gedanken zum letzten Sinn und Lebensziel in den Vordergrund.
    Und zu guter letzt hatte ich das Gefühl, dass der Autor seinem Lesepublikum seine eigene, in schweren Kämpfen errungene Lebensweisheit offenbaren wollte. Die Quintessenz aller Überlegungen findet sich für mich in einem einzigen Satz, der sich treffender kaum formulieren ließe:
    "Nichts in der Welt war zu fürchten, nichts war schrecklich - nur im Wahn machten wir uns all diese Furcht, all dies Leid, nur in unsrer eignen, geängsteten Seele entstand Gut und Böse, Wert und Unwert, Begehren und Furcht."
    Sicher serviert der Meister mit diesem Büchlein keine leichte Kost, aber eine, die auch der Seele Nahrung gibt und viel Stoff zum Nachdenken bietet.