Daniel Silva: Das Terrornetz

  • Daniel Silva, Das Terrornetz, Piper, 2008 (2006), HC


    Das Böse bleibt das Böse oder die Logik des Terrors


    Gabriel Allons sechstes Abenteuer als Mossad-Killer beginnt wie üblich: der Dienst überwacht einen angeblich gemäßigten Islamistik-Professor arabischer Herkunft, der in Wirklichkeit als Talent-Scout in das terroristische Netzwerk der Al-Qaida verstrickt ist.
    Als der Professor bei einem Unfall verstirbt, stellen die Agenten des Mossad dessen Laptop mit wichtigen Unterlagen zu Finanzaktionen der wahhabitischen Geldgeber und Hintermänner des weltweiten islamistischen Terrors sicher und kommen dem saudiarabischen Milliardär Aziz al-Bakari auf die Spur. Auch scheint es Hinweise auf ein mögliches Attentat auf den Papst zu geben. Allon reist inkognito nach Rom, wo er den päpstlichen Sekretär Donati wieder trifft. Allon kann den Anschlag, der von einem islamischen Rechtsgelehrten, Mitglied der Sonderkommission zur Verbesserung der Beziehungen zwischen Christentum und Islam beim Papst, durchgeführt wird, nicht verhindern. Der Papst überlebt den Anschlag unverletzt, der Petersdom aber ist durch einen Raketenangriff schwer zerstört.
    Allon ermittelt, dass der Plan zu dem Angriff möglicherweise von einem ehemaligen Saudischen Geheimdienstoffizier und Terroristen Achmed bin Schafiq entworfen wurde, der unter dem Decknamen Chalil bereits unzählige Attentate verantwortet. Bin Schafiq ist ein vertrauter des Industriellen al-Bakari und soll unter falscher Identität irgendwo in dessen weltweiten Firmenimperium untergetaucht sein.
    Als Gabriel Allons Chef und väterlicher Freund Schamron bei einem Attentat schwer verletzt wird, welches ebenfalls bin Schafiq zugeschrieben wird, reift in ihm ein Plan: ein Maulwurf soll in unmittelbarer Nähe des Milliardärs al-Bakari installiert werden, der nach dem getarnt lebenden bin Schafiq Ausschau hält.
    Dazu bedient sich Allon seiner alten Mitstreiter Julian Isherwood, Adrian Carter und Chiara, seiner ehemaligen Geliebten. In der amerikanischen Kuratorin Sarah Bancroft finden sie den idealen Maulwurf, den sie dem Kunstsammler al-Bakari unterschieben wollen.
    Der minutiös ausgearbeitet Plan gelingt, Sarah Bancroft wird al-Bakaris Kunstexpertin und kann Allon den entscheidenden Tipp geben. Doch dann beginnen die Schwierigkeiten erst richtig, denn Sarah wird enttarnt, ehe sie in Sicherheit gebracht werden kann...


    Daniel Silva fährt wieder einmal ganz großes Geschütz auf, um seine Thesen der islamistischen Bedrohung der Welt zu belegen. Das klang in früheren Büchern teilweise noch etwas versöhnlicher („Die Loge“), aber spätestens seit dem „Schläfer“ ist jede Diplomatie aus den Formulierungen verschwunden. Das ewig Böse in Form des Islam kommt mal sichtbar daher, mal getarnt als gemäßigter und reformerischer Islam, aber immer mit dem Ziel, die abendländische Welt zu zerstören.


    „ Es war Ali Massoudi, der Gabriel Allon unabsichtlich aus seinem kurzen und unruhigen Ruhestand zurückholte – Massoudi, der große europhile Freigeist und Intellektuelle, der in einem Augenblick blinder Panik vergaß, dass in England links gefahren wird...


    Ali Massoudi, ordentlicher Professor für Völkerrecht und Sozialtheorie an der Universität Bremen, stand als Letzter auf. Kaum überraschen, hätten neidische Kollegen vielleicht gesagt, denn in der inzestuösen Welt der Nahoststudien stand Massoudi in dem Ruf, niemals freiwillig ein Podium zu verlassen. Professor Massoudi, ein geborener Palestinenser mit jordanischem Pass und europäischer Erziehung und Bildung, erschien der Welt als ein Gemäßigter. „Die glänzende Zukunft Arabiens“, so nannten ihn manche, die Verkörperung arabischen Fortschritts. Dass er keiner Religion, besonders nicht dem militanten Islam traute, war allgemein bekannt. Bei Massoudi konnte man sich darauf verlassen, dass er in Leitartikeln, auf Podien und im Fernsehen stets die Dysfunktion der arabischen Welt beklagte, ihre Unfähigkeit, der arabischen Jugend eine gute Schulbildung mitzugeben, ihre Neigung, alle Unzulänglichkeiten den Amerikanern und Zionisten in die Schuhe zu schieben...


    Professor Massoudi war groß, fast ein Meter fünfundachtzig, und sah viel zu gut aus für einen Mann, der eng mit leicht zu beeindruckenden jungen Frauen zusammenarbeitete. Er hatte gelocktes Haar, hohe, deutlich hervortretende Wangenknochen und ein energisches, gespaltenes Kinn. Die braunen, tief in ihren Höhlen liegenden Augen verliehen seinem Gesicht einen Ausdruck von nachdenklicher, vertrauenerweckender Intelligenz.“


    So beschreibt Silva den Talent Scout einer islamischen Terrorgruppe. Ähnlich wird ein islamischer Rechtsgelehrter charakterisiert, der im Vatikan in einer interreligiösen Arbeitsgruppe mitwirkt und ebenfalls zum arabischen Terrornetzwerk gehört. Traue niemandem! Das ist die Maxime, die Silva sein alter ego Gabriel Allon leben lässt. Außerhalb der jüdischen Welt leben viele Feinde, die nur auf eine Schwäche warten, um zuzuschlagen. Und die Toleranz, mit der gerade in Europa auf den palästinensischen Terror reagiert wird, spielt eben den Terroristen in die Hände und richtet sich gegen den Staat Israel.


    Auf der anderen Seite stehen die Juden, weltweit verbunden durch das gleiche historische Schicksal. Der Mossad bedient sich der jüdischen Mitbürger, wann immer er sie benötigt. Diese Leute werden verwendet als bodel (Kuriere), bat leveyha (Tarnbegleiter), Ajin (Überwacher), sajan (freiwilliger jüdischer Helfer), katsa (im Ausland getarnt lebender Geheimdienstler) etc und erhöhen die Schlagkraft eines Geheimdienstes ungemein. Beim Lesen fielen mir immer wieder diese Ähnlichkeiten zum DDR-Geheimdienst auf, die zu einer ähnlich hohen Wirksamkeit der Methoden geführt haben mögen.


    Wir erleben die sachkundig und spannend geschriebene Handlung eines Agententhrillers mit internationalem Hintergrund, bekommen die Finanzströme der wahhabitischen Terrorfinanzierer Saudi-Arabiens erläutert, erleben die Doppelmoral in einer saudischen Milliardärsfamilie und die Macht und den Einfluß der Petro-Dollars auf den amerikanischen Markt und die dortigen Politiker. Was wir aber auch bekommen ist die ständige Rechtfertigung zu vorbeugendem oder rächendem Mord. Einige wenige Personen in Israel, evtl. unter Billigung von Geheimdienstlern in den USA oder gar des amerikanischen Präsidenten, beschließen, das Diese oder Jener schuldig ist, an terroristischen Aktionen beteiligt gewesen zu sein, und dann rücken die Leute wie Gabriel Allon aus, um diese Personen zu liquidieren. Dass es sich bei den Opfern nicht um Unschuldige handelt, ist sicher unbestritten. Aber der Autor sanktioniert diesen Staatsterrorismus ohne Wenn und Aber und verherrlicht ihn in jedem Roman mehr und mehr. Dieser Logik des Terrors folgt der Staat Israel seit Jahrzehnten – den „Erfolg“ sehen wir in den Nachrichten. Dieser Logik hat sich auch George W. Bush angeschlossen, den „Erfolg“ sehen wir ebenso täglich. Die totale Auslöschung aller Feinde – wie von Silva präferiert, kann es nie geben. Der Gegenentwurf – Miteinander gegen Gewalt und Haß – findet bei Silva nicht statt oder wird als heuchlerisch diffamiert. Das macht das handwerklich gute Buch Daniel Silvas zu einem zumindest inhaltlich fragwürdigen! Ein Beispiel dafür, wie man das Thema auch behandeln kann, lieferte 2007 der schwedische Bestsellerautor Jan Guillou mit dem Roman „Madame Terror“.


    (diese Rezension wurde von mir auch bei Amazon veröffentlicht)

  • Mir hat dieser Teil noch einen Ticken besser gefallen als der 5. Band. Vielleicht, weil die Kunstszene eine größere Rolle spielte (wohingegen im vorherigen Teil Allons privates Drama mit Frau und Geliebter mehr im Zentrum stand). Ein paar Längen gab es zum Ende hin, aber sonst fand ich diesen Teil rundum spannend und interessant.


    Ich frage mich, ob Daniel Silva gerade den Kunstfund des Jahreshunderts für Gabriel Allon verarbeitet? :gruebel ;-) Ich meine, da würd ja selber ich gerne einen Thriller drüber schreiben.


    Wer z.B. mehr über den Kunsthändler Paul Rosenberg lesen möchte, dem kann ich dieses Buch ---> Lieber Picasso, wo bleiben meine Harlekine? Mein Großvater, der Kunsthändler Rosenberg – A. Sinclair sehr empfehlen.


    Wie immer, klingt das Buch noch nach. Klar macht man sich Gedanken, über die Ausweglosigkeit der politischen Situation im Nahen Osten und auch über den moralischen Standpunkt der Figuren. Manch einer mag es nicht für ausgeglichen genug halten, aber da es sich um eine fiktionale Spionagereihe um einen israelischen Agenten handelt, darf man sich über gewisse emotionale Positionen wohl nicht wundern.


    Die derzeitgen Enthüllungen um NSA und sonstige Geheimdienste lassen einen dann doch etwas schmunzeln.


    Ich habe die englische Ausgabe für den Kindle gelesen, kann zur Übersetzung also nichts sagen.


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  • Zitat

    Original von uert
    Mir hat dieser Teil noch einen Ticken besser gefallen als der 5. Band. Vielleicht, weil die Kunstszene eine größere Rolle spielte.


    Ja, Kunst/Künstler/Kunstszene in einem Buch ist immer gut. Von der Allon-Reihe habe ich die ersten beiden Bücher gelesen und den dritten Band seit Ewigkeiten im SUB. Ich weiß auch nicht so recht, wieso ich bisher nicht weitergelesen habe ... vielleicht weil ich doch zuviele Bücher habe? :gruebel


    Zitat

    Ich frage mich, ob Daniel Silva gerade den Kunstfund des Jahreshunderts für Gabriel Allon verarbeitet? :gruebel ;-) Ich meine, da würd ja selber ich gerne einen Thriller drüber schreiben.


    Das Thema Beutekunst im Thriller finde ich sehr interessant, vor einigen Wochen/Monaten hatte ich eine Doku gesehen, in einem Bunker in Berlin war von den Nazis/Göring eine Kunstsammlung gelagert, der Bunker ist ausgebrannt und es gibt mehrere Theorien: dass alles verbrannt ist, aber das ist wohl die unwahrscheinlichere, es gab wohl einen Sonderzug, der quer durch Deutschland gefahren ist, von den Bildern fehlt aber jede Spur. Danach habe ich auch nach Büchern (Sachbuch oder Thriller) zum Thema Beutekunst Ausschau gehalten.


    Schreib bitte einen Thriller zum Thema! Du kannst auch gerne Deine "Special Agents" darin unterbringen!!! ;-) :lache Bütte, bütte!!!!!


    Zitat

    Wer z.B. mehr über den Kunsthändler Paul Rosenberg lesen möchte, dem kann ich dieses Buch ---> Lieber Picasso, wo bleiben meine Harlekine? Mein Großvater, der Kunsthändler Rosenberg – A. Sinclair sehr empfehlen.


    Vielen Dank für den Hinweis, das hört sich sehr interessant hat, das Buch habe ich bestellt. :wave


    Zitat

    Die derzeitgen Enthüllungen um NSA und sonstige Geheimdienste lassen einen dann doch etwas schmunzeln.


    Man wundert sich doch, dass die Wirklichkeit wahrscheinlich krasser ist, als die Einfälle der Thriller-Autoren. :pille


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  • Zitat

    Original von Uta
    Vielen Dank für den Hinweis, das hört sich sehr interessant hat, das Buch habe ich bestellt. :wave


    Dann solltest Du diesen Teil mit Gabriel Allon aber wirklich parallel lesen. Passen thematisch sehr gut zusammen. Fiktion, Realität und dann noch die Nachrichten zum Thema Gurlitt.


    Zitat

    Original von Uta
    Man wundert sich doch, dass die Wirklichkeit wahrscheinlich krasser ist, als die Einfälle der Thriller-Autoren. :pille
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    Ich bin mir sicher, Autoren wie Silva kriegen derzeit eine Flut von Ideen :grin