Fünf Freunde und neues Ausgaben...

  • Zitat

    Original von magali
    Man verpaßt soviel, wenn man zu intensiv zurückschaut. :-)


    Nein! Widerspruch!
    Warum nicht zurückschauen, wenn die Gegenwart eigentlich nicht viel zu bieten hat. Astrid Lindgren und auch Erich Kästner sind in meinen Augen nach wie vor konkurrenzlos, wenn es um Kinderbücher geht.
    Das was sie vermitteln, gilt auch heute noch - auch wenn ihren Geschichten keine Handys, IPhons oder anderer Unsinn mitspielen.
    Gerade aber die intensive Rückschau aber macht deutlich, wie armselig so manche Dinge heute sind, den wir fast götzenhafte Verehrung entgegenbringen.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • magali


    Auch ich muss Dir da widersprechen!


    Kinder brauchen heute nicht zwanghaft einen anderen Blick auf die Dinge. Natürlich haben sich die Zeiten geändert, und das ist teilweise auch sehr schade.


    Ich schaue z.B. gerne deutsche Filme aus den 50er und 60ern (wenn es keine Heimatfilme sind!). Natürlich sind diese oftmals kitschig. Aber dies war eine Zeit, in denen Werte wesentlich wichtiger waren als heute. Und das finde ich wichtig den Kindern zu vermitteln. Die "bruatlität" der Realität werden sie noch früh genug mitbekommen, viel früher als vorher. Daher gilt es sie langsam darauf vorzubereiten., aber auch zu zeigen, was wirklich wichtig ist!


    Und ich kenne mich doch recht gut bei Kinderbüchern aus (habe fast 5 Jahre darüber auch eine Radiosendung gemacht) und muss Voltaire recht geben. Bekannte Autoren wie Kästner, Lindgren, aber auch unbekanntere wie Reitmann hatten eine ganz andere Qualität. Eine Qualität, welche ich z.B. bei Harry Potter vermisse (was nicht heisst, dass diese Bücher schlecht sind, aber den Hype verstehe ich auch nicht).


    Nach der Logik dürften Kinder auch kein Jules Verne oder andere Abenteuerromane lesen, denn diese kommen oftmals aus Zeiten, die noch weiter zurück liegen...

  • Ach, solche Bücher sind doch zum Träumen gedacht, nicht als Lebensberatung. Zu meiner Zeit waren Astrid Lindgren und Erich Kästner auch längst überholt, ich habe die Bücher aber trotzdem geliebt. Genau wie die von Lucy Maud Montgomery, Enid Blython und einigen weiteren Autoren, deren Hochzeit schon lange vorbei war. Eines meiner Lieblingsbücher hatte ich auf dem Flohmarkt ausgegraben, es wurde schon seit Jahren nicht mehr verlegt und beschrieb eine Welt, die nicht das geringste mit meiner Realität zu tun hatte. "Heiner und Elsie fahren nach Afrika", hieß das Buch, das hier vermutlich niemand kennt. Für mich war es einfach nur ein wunderschönes Märchen, genau wie Pippi Langstrumpf, Emil und die Detektive und die "Geheimnis um"-Bücher.


    Ich will damit nicht sagen, dass Kinder jetzt unbedingt haargenau das lesen müssen, was ich gelesen haben; sondern vielmehr, dass sie das lesen sollen, was sie wollen. Die Bücher sterben schon von alleine aus, wenn die Nachfrage nicht mehr da ist. Aber solange die da ist, sollten sie auch noch verfügbar sein, aber bitte, ohne die Protagonisten an die heutige Zeit anpassen zu wollen.

  • Ich denke schon, dass Kinder heutzutage auch mit "ausgestorbenen" Autoren umgehen koennen. Inhaltlich moegen sie nicht so modern sein, aber das Fehlen von moderner Technologie und die Beschreibung eines etwas anderen Gesellschaftsbildes hat da durchaus etwas fuer sich. Anne of Green Gable oder auch Unsere Kleine Farm sind auch heute noch sehr beliebt, auch wenn keiner mehr so lebt.


    Allerdings wird es problematisch, wenn die Sprache sich deutlich von der heutigen abhebt. Enid Blyton wird hier so gut wie gar nicht mehr gelesen, weil sie sprachlich gar nicht mehr ankommt. Die deutschen Uebersetzungen, selbst die aelteren, sind da etwas besser lesbar. Aehnlich problematisch ist es mit Erich Kaestner. Manche Kinder moegen ihn vielleicht auch heute noch, viele aber nicht. Ich hab versucht es meinen Kindern vorzulesen, aber es war ihnen absolut zu langweilig - sprachlich. Und genau das hab ich auch von anderen Eltern gehoert.

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • Wer lesen kann, ist klar im Vorteil.
    Ich habe oben geschrieben, daß 'zeitgenössische' Kinderbücher nicht mit 'Brutalität' gleichgesetzt werden können. Und zu behaupten, Kinderbücher heute würden keine Werte vermiteln, ist etwas, hm, weitgehend. Die heutigen KinderbuchautorInnen werden entzückt sein, so etwas zu hören.


    Es geht nicht darum, ob die fünf Freunde Handys haben oder nicht. Oder ob Pippi Langstrumpf sich bei FB anmeldet und Emil auf dem Smartphone tickert
    Es ging mir allein darum, anzumerken, daß es heute wunderbare Kinderbücher gibt, die übersehen werden, wenn man ewig und drei Tage nach KästnerBlytonLindgren Ausschau hält.


    Übrigens eine extrem kleine Auswahl. Warum nicht Marie Hamsun? Warum nicht Nesbit? Max Kruse? Edith Maria Baum? Noel Streatfeild? Und siebenhundert andere mehr? :lache



    Beatrix


    danke für den Hinweis zu Kästner. Genau. Finde ich auch. Kein gutes Deutsch.


    Übrigens hatte hier im Grips-Theater gerade eine aktualisierte Fassung von 'Pünktchen und Anton' Premiere. Den Kritiken nach ist gelungen.
    Ich dagegen finde es seltsam, daß man sich keine neuen Geschichten ausdenken kann. Arme Leute gibt's nicht mehr, oder wie?
    :grin





    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von magali


    Es ging mir allein darum, anzumerken, daß es heute wunderbare Kinderbücher gibt, die übersehen werden, wenn man ewig und drei Tage nach KästnerBlytonLindgren Ausschau hält.


    Übrigens eine extrem kleine Auswahl. Warum nicht Marie Hamsun? Warum nicht Nesbit? Max Kruse? Edith Maria Baum? Noel Streatfeild? Und siebenhundert andere mehr? :lache


    Trotz dieses Tadels erlaube ich mir weiterhin - auch noch heute im gesetzten Alter - mit Erich Kästner und Astrid Lindgren meine Favoritenpositionen zu besetzen. Kalle Blomquist war nun einmal der Held meiner Kindheit und auch heute schau ich immer wieder gern in diese Bücher rein.


    Das waren die Bücher meiner Kindheit - heute bin ich kein Kind mehr, lese zwar auch ganz gern heute aktuelle Kinderbücher - aber das ganz besondere Empfinden beim Lesen dieser Bücher ist halt in meiner Kindheit zurückgeblieben. Heute lese ich sie als Erwachsener.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von magali


    Übrigens hatte hier im Grips-Theater gerade eine aktualisierte Fassung von 'Pünktchen und Anton' Premiere. Den Kritiken nach ist gelungen.
    Ich dagegen finde es seltsam, daß man sich keine neuen Geschichten ausdenken kann. Arme Leute gibt's nicht mehr, oder wie?
    :grin


    Ich wuerd's andersrum interpretieren: die Neuinszenierung ist erfolgreich, gerade weil Armut auch heute noch ein Thema ist.


    Nach meiner Kritik oben an Kaestners Sprache find ich Neufassungen wirklich gut. Auch die neueren Filme kommen bei meinen Kindern durchaus an. Ich mag es hier, da diese Aktualisierungen die Generationen gut verbinden koennen. Eltern/Grosseltern mit den Kleinen zusammen finden da etwas, was einen besonderen Teil ihrer Kindheit ausmacht.


    Das heist ja nicht, dass man sich keine neuen Geschichten ausdenken kann. Fuer mich war z.B. Paul Maar DIE Neuentdeckung, die ich fuer meine Kinder gefunden hab. In meiner Kindheit gab's ihn noch nicht ;-)

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • Zitat

    Original von magali


    Übrigens eine extrem kleine Auswahl. Warum nicht Marie Hamsun? Warum nicht Nesbit? Max Kruse? Edith Maria Baum? Noel Streatfeild? Und siebenhundert andere mehr? :lache


    na ja, wenn ich jetzt alle alten und neuen Kinderbuchautoren aufzaehlen wuerde, die bei uns im Regal stehen, dann wuerde das hier den Rahmen des Postings sprengen :lache Lindgren und Blyton sind da in dieser Diskussion eben Stellvertreter fuer Otfried Preussler, Kruse etc etc

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • Zitat

    Original von magali
    Wer lesen kann, ist klar im Vorteil.


    Das gebe ich mal zurück..;-)


    Ich habe nirgends geschrieben, dass aktuelle Kinderbücher "brutal" sind, sondern ich habe von der Welt als Generelles gesprochen.


    Es mag sein, dass die Kinder heute auch "Werte" mitbekommen. Trotzdem war es früher etwas anderes, da diese Werte eine ganz andere Bedeutung hatten, ihnen wurde vielmehr Bedeutung beigemessen. Heute sieht das anders aus...


    Und natürlich gibt es auch aktuelle gute Autoren...ich liebe z.B. Jostein Gaarder - ok, nicht nur Kinder/Jugendbuchautor, aber auch er hat ein paar klasse Bücher in der Sparte geschrieben...


    Und Kruse als aktuell zu bezeichnen ist ein wenig Grenzwertig - in der Hinsicht weil er sowohl in den 50ern als auch in der heutigen Zeit geschrieben hat...da kommt es dann eher auf die Bücher an...

  • Zitat

    Original von Voltaire


    Nein! Widerspruch!
    Warum nicht zurückschauen, wenn die Gegenwart eigentlich nicht viel zu bieten hat. Astrid Lindgren und auch Erich Kästner sind in meinen Augen nach wie vor konkurrenzlos, wenn es um Kinderbücher geht.
    Das was sie vermitteln, gilt auch heute noch - auch wenn ihren Geschichten keine Handys, IPhons oder anderer Unsinn mitspielen.
    Gerade aber die intensive Rückschau aber macht deutlich, wie armselig so manche Dinge heute sind, den wir fast götzenhafte Verehrung entgegenbringen.


    :write


    Ich habe als Kind gerne die Bücher von Astrid Lindgren, Ilse Ury, Laura Ingalls usw. gelesen, die damals schon "überholt" waren und (auch wenn sie natürlich nicht immer historisch ganz korrekt sind) einiges daraus gelernt. Gerade als Kind hatte ich Phasen, in denen ich gerne intensiv in eine bestimmte Zeit zurückgeschaut habe, ich habe nicht das Gefühl deshalb etwas verpasst zu haben. Gibt ohnehin viel zu viele gute Bücher, also verpasst man zwangsläufig immer irgendwie etwas. ;-)


    P.S. Deshalb finde ich Veränderungen wie die bei den "Fünf Freunden" genannten eher fragwürdig. Als Kind war mir schon bewusst, dass Anne eher hausmütterlich ist, hat mich damals aber nicht gestört, weil sie nicht wie eine Freundin von mir zur Hausarbeit gezwungen wurde, sondern es gerne tat, genau wie eine Cousine von mir.

    "It is our choices, Harry, that show what we truly are, far more than our abilities." Albus Dumbledore
    ("Vielmehr als unsere Fähigkeiten sind es unsere Entscheidungen, die zeigen, wer wir wirklich sind.")


    "An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die Schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern."

    Erich Kästner.

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von ottifanta ()

  • Zitat

    Original von ottifanta
    P.S. Deshalb finde ich Veränderungen wie die bei den "Fünf Freunden" genannten eher fragwürdig. Als Kind war mir schon bewusst, dass Anne eher hausmütterlich ist, hat mich damals aber nicht gestört, weil sie nicht wie eine Freundin von mir zur Hausarbeit gezwungen wurde, sondern es gerne tat, genau wie eine Cousine von mir.



    Da geht es mir ähnlich, ich finde derartige Anpassungen an die heutige Zeit sehr überflüssig.
    Warum sollen Kinder heute nicht mehr das so lesen dürfen wie wir damals?
    Daß sie in der Lage sind zu unterscheiden, daß es eben damals so war und heute anders, das denke ich durchaus.


    Ich habe als Kind auch Bücher meiner Mutter aus deren Kindheit (40ger Jahre)
    gelesen, auch in der damals gängigen Sütterlin Schrift und habe mich an den Büchern erfreuen können, aber auch drüber amüsiert.
    Eben auch weil mir damals bewußt war, daß sie aus einer völlig anderen Zeit stammten.


    Weshalb sollten Kinder da heute nicht mehr in der Lage zu sein?



    Die 5 Freunde habe ich auch gelesen, aber sie waren nicht meine Favouriten von Enid Blyton, eher am unteren Rand der "BlytonSkala" angesiedelt.
    Am meisten habe ich ihre Abenteuer Bücher geliebt,
    Die war von ihr für mich das non plus ultra. Wie habe ich die 4 Kinder um ihre Abenteuer beneidet, den Papagei Kiki geliebt, wollte auch unbedingt einen haben :grin



    Auch Kästner war einer meiner liebsten Schriftsteller- Wie oft habe ich seine Bücher verschlungen.
    Ok, das mache ich heute noch - 3 Männer im Schnee, kann ich immer wieder lesen - für mich einfach einer der besten Schriftsteller für Kinder und Erwachsene.


    Ich sag mal so, gönne man den heutigen Kindern doch beides. Die alten Bücher aus der damaligen Zeit aber eben so, wie sie damals waren. Wozu soll man das verfälschen.
    Und dazu auch die heutigen, bei denen es eben auch sehr schöne zu entdecken gibt.


    (Wer weiß,. ob sie die heutigen dann nicht auch später verändern werden, wenn kein Kind mehr Handys kennt, weil mittlerweile alle ihre individuellen Medienspeicher implantiert bekommen oder was halt sonst so sein kann in der Zukunft :grin )

    Verlinkungsbessererkennungsabstandshalter

    Dieser Beitrag wurde bereits 2 Mal editiert, zuletzt von Johanna ()

  • Zitat

    Original von Voltaire
    Das waren die Bücher meiner Kindheit - heute bin ich kein Kind mehr, lese zwar auch ganz gern heute aktuelle Kinderbücher - aber das ganz besondere Empfinden beim Lesen dieser Bücher ist halt in meiner Kindheit zurückgeblieben. Heute lese ich sie als Erwachsener.


    Warum sollten die Helden deiner Kindheit auch die Helden deines Kindes sein? Warum sollen Kinder das lesen, was ihre Eltern vor 25 Jahren gut fanden?
    Ich habe die meisten meiner Kinderbücher noch, sie stehen also meinen Kindern zur Verfügung und wurden teilweise auch gelesen.


    Ich liebte die Kinder von Büllerbü, meine Kinder fanden das ganz nett, aber nicht berauschend. Ich war und bin großer James Krüss-Fan, damit können beide nichts anfangen. Roald Dahl lieben wir alle drei.


    Die Helden ihrer Kindheit werden Hund Bello von Paul Maar sein, Hund Grk und meinetwegen Harry Potter.


    Ich frage mich gerade ernsthaft, warum ich Kinder in die Welt setze, wenn ich die so schrecklich finde, dass ich ihnen nicht mal die aktuelle Kinderliteratur zumuten möchte :rolleyes



    Zitat

    Und Kruse als aktuell zu bezeichnen ist ein wenig Grenzwertig - in der Hinsicht weil er sowohl in den 50ern als auch in der heutigen Zeit geschrieben hat...da kommt es dann eher auf die Bücher an...


    magali erwähnte Kruse im Zusammenhang mit der "alten Riege" :rolleyes

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • 1. macht ihr mir gerade Lust meine alten Kartons mit Kinderbüchern wieder auszugraben um nachzusehen, welche alten Ausgaben ich denn noch habe :-P


    2. Meine Mutter hat die Kinder von Bullerbü auch sehr gemocht, ich konnte damit nichts anfangen. Dafür mit Michel, Pipi und co eine ganze Menge. Heute schaue ich kritisch auf Bücher wie Pipi. Obwohl sie ein nettes Mädchen ist, läuft sie doch aller Erziehung entgegen. Sie findet die Schule sinnlos, lebt allein, widersetzt sich allen Erwachsenen, sorgt für sich selbst. Sie hat auch viele liebenswerte Seiten, aber im Grunde ist sie ein aufmüpfinges Mädchen.


    3. Ich habe die fünf Freunde geliebt und war mir aber dennoch die ganze Zeit über bewusst, dass die Geschichen in einer Zeit spielen, die sich von meiner komplett unterscheidet. Ich habe immer meiner Mutter diese "besonderen Stellen" vorgelesen. Die fünf haben ja immer einfach mal an eine Tür geklopft und Fragen gestellt. Sie wurden mit Limonade und Keksen bewirtet und ich habe mir immer gedacht, wie mir eingetrichtert wurde von Fremden nichts anzunehmen und wie undenkbar es wäre an fremde Türen zu klopfen. Wenn sich die Kinder nun über diese Unterschiede bewusst sind, finde ich es nicht weiter schlimm, dass sie solche Bücher lesen.

    Bücher sind eine höchst ergötzliche Gesellschaft. Wenn man einen Raum mit vielen Büchern betritt - man braucht sie gar nicht zur Hand zu nehmen - ist es, als würden sie zu einem sprechen, einen willkommen heißen.
    -William E. Gladstone-

  • Zitat

    Original von Lesehunger
    Heute schaue ich kritisch auf Bücher wie Pipi. Obwohl sie ein nettes Mädchen ist, läuft sie doch aller Erziehung entgegen. Sie findet die Schule sinnlos, lebt allein, widersetzt sich allen Erwachsenen, sorgt für sich selbst. Sie hat auch viele liebenswerte Seiten, aber im Grunde ist sie ein aufmüpfinges Mädchen.


    Das sehe ich doch etwas anders. Pipi ist nicht "aufmüpfing" sondern widersetzt sich Autoritaet, wenn sie nur um ihrer selbst willen existiert. Sie hat einen sehr starken Sinn dafuer, was moralisch richtig und falsch ist. Das ist ihre Autoritaet, die sie immer respektiert.


    Astrid Lindgren hat mit Pippi eine ungewoehnliche Heldin geschaffen, mit der sie eine sehr wichtige Weisheit zum Leben erweckte, die die Autorin hier zitiert:


    Das ist das Wichtigste, das ist aber auch das schwierigste auf der Welt: Macht zu haben ohne Gewaltanwendung.


    Pippi mag Schule sinnlos finden, nicht aber den Drang zu lernen. Das find ich extrem wichtig zu unterscheiden: Kinder sind dann in der Schule und auch im Leben erfolgreich, wenn sie verstehen, dass sie fuer sich lernen und nicht um irgendwelchen Erwartungen von Lehrern oder Eltern gerecht zu werden.

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Beatrix ()

  • Zitat

    Original von Beatrix


    Pippi mag Schule sinnlos finden, nicht aber den Drang zu lernen. Das find ich extrem wichtig zu unterscheiden: Kinder sind dann in der Schule und auch im Leben erfolgreich, wenn sie verstehen, dass sie fuer sich lernen und nicht um irgendwelchen Erwartungen von Lehrern oder Eltern gerecht zu werden.


    Oder um es mit Reinhard Mey auszudrücken:


  • Zitat

    Original von Furchensumpf
    Vor allem muss ich mein Kind nicht schon in den jungen Jahren mit der "gnadenlosen" Welt konfrontieren...nach der Logik hätte ja auch Astrid Lindgren keine Daseinsberechtigung mehr...


    Da erste Mal, dass ich bewusst mit der gnadenlosen Welt konfrontiert wurde, war in den Dolly-Büchern.
    Da gibt es eine eingeschworene Gruppe von Mädels (mit offensichtlichen Zickentendenzen), in die immer mal wieder neue Mädchen kommen. Und die sind erstmal doof. Machen etwa seltsame Sachen oder opponieren offen gegen die Anführerin der Gruppe, Dolly.


    Erst wenn sie sich bedingungslos untergeordnet haben, werden sie in die Gruppe aufgenommen. Das fand ich schon als Kind fies.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Nur, weil ich meinen Kindern auch die "Klassiker" geben würde, heißt das ja nicht, dass sie nicht auch neueres lesen würden. Gerade auf dem Fantasy-Gebiet kenne ich da auch einiges, einfach, weil ich es teilweise auch selber noch gerne lese, und natürlich würde ich sowas auch meinen Kindern kaufen. Aber dennoch werden die älteren Bücher ja nicht schlechter, und gerade die, die nicht in unserer Welt spielen (die meisten Michael Ende-Sachen, Ronja Räubertochter, sowas) verlieren eh nicht an Aktualität, finde ich. Aber auch sowas wie Trotzkopf - ich habs gerne gelesen und ich bin Jahrgang 88, also wirklich nicht die eigentliche Zielgruppe. Und ich habe mich nicht deswegen plötzlich an das Mädchenbild in dem Buch angepasst, es war eben eine Geschichte. Abgesehen davon, dass das Bild in älteren Büchern manchmal moderner sein kann als in machen neuen (Twilight anyone?)


    Harry Potter finde ich übrigens auch toll und gar nicht schlechter als die alten Sachen. Mal ehrlich, Hanni und Nanni sind auch keine literarische Glanzleistung, einfach nur nette Geschichten!

  • Kein Buch auf der ganzen Welt ist einfach nur eine nette Geschichte. Keine einzige Geschichte, die auf der ganzen Welt erzählt wird, ist einfach nur eine Geschichte.


    Jede Geschichte, egal ob mündlich oder schriftlich, hängt zusammen mit der kulturellen Ausgestaltung der jeweiligen Gesellschaft, in der sie erzählt wird. Eine Geschichte ist alles mögliche, aber nie und unter keinen Umständen harmlos. Sie ist immer ideologisch aufgeladen.
    Deswegen ist wichtig, darauf zu achten, was erzählt wird.


    Konservativ, wie ich nun einmal bin, finde ich es bei Kindern besonders wichtig, darauf zu achten, was sie zu hören bekommen.


    'Hanni und Nanni' ist nicht 'nett'. Soll es auch nicht sein, wo kämen wir denn da hin! Die klassischen Schulgeschichten dienen dem Zweck, Kinder in eine bestimmte Gruppe ihrer Gesellschaft einzufügen. Das hat positive und negative Seiten.
    Im besten Fall hören sie etwas über Gemeinschaftsgeist und Sozialverhalten. Im schlimmsten Fall werden sie brutal diszipliniert.
    Die O'Sullivan-Zwillinge werden recht deutlich diszipliniert. Sie sind zuerst 'eingebildet' und müssen lernen, sich in eine Klassengemeinschaft einzufügen. Dazu gehört auch, daß sie älteren Mädchen aufs Wort gehorchen müssen. Die älteren Mädchen dürfen auch Strafen austeilen.


    Der andere Punkt ist der, daß die beiden in ihre gesellschaftliche Klasse eingefügt werden. Es werden ganz deutlich die 'Werte' der upper middle class propagiert. In den Dolly'-Büchern ist das noch deutlicher. Für die deutsche Übersetzung wurde da einiges entschärft.
    Was Hanni und Nanni angeht, so sind sie am Ende noch genau so arrogant, wie am Anfang. Aber es ist die Arroganz ihrer Gesellschaftsschicht. Und die ist erlaubt, die haben ja alle, die ihr angehören.


    Was einer auch etwas quer liegt in Blytons Schulgechichten, ist der Umgang mit allem, was 'französisch' ist. Die Französischlehrerinnen sind Zielscheibe der Streiche, nicht ganz helle. Die französischen Schülerinnen sind faul, schummeln sich durch und lügen hin und wieder. Bei englischen Mädchen wird das streng geahndet, bei den französischen Mädchen geht es mit sanften Mahnungen durch. Franzosen sind halt so, nicht wahr?


    Sehr harmlos, dieser alltägliche Rassismus.



    Pippi Langstrumpf ist auch problmatisch, da liegt das Problem aber anders. Ja, sie ist selbständig, mißachtet Autorität, löst ihre Probleme allein. Ja, sie ist lerneifrig und weiß schon eine ganze Menge. Sie sucht die Erfahrung und zieht ihre Lehren daraus, sie ist die geborene Empirikerin. Sie hat Macht, aber sie übt sie nicht zum Nachteil anderer aus, vor allem nicht anderer Kinder. Pippi ist kein schlechtes Vorbild.


    Zugleich ist die Geschichte enorm konservativ. An bestehenden Verhältnissen wird nicht gerüttelt. Warum auch, es kann ja sein, daß ein Wunderkind vorbeikommt und eine rettet. Armut gibt es halt in der Welt (woher kommt sie? Warum gibt es sie?), aber wenn man ein Kilo Bonbons bekommt, ist alles nicht mehr so schlimm. Hauptsache, wir sind gute Freunde und haben Spaß. Klingt modern, oder?


    Schlimmer aber ist, daß der dritte Band offen rassistisch ist. Es geht nicht an, einer kindlichen LeserInnenschaft eine Insel in der Südsee zu präsentieren, die von glücklichen braunhäutigen Wilden bewohnt wird und über die ein weißer König munter herrscht. Die Einheimischen haben den ganzen Tag nichts zu tun, als in der Sonne herumzuhüpfen, Fische zu fangen und Perlen zu sammeln. Ach, so, ihren König anzuhimmeln, klar, das auch noch.
    Natürlich sind sie alle fröhlich. Und natürlich geraten sie in eine Klemme, aus der sie ein weißes Mädchen herausholen muß.


    Das sind offen kolonialistisch-rassistische Bilder aus europäischen Köpfen, die Generationen lang übelste Auswirkung in außereuropäischen Ländern hatten und an deren Folgen die Menschen dort bis heute leiden. Die Darstellung im dritten Band von Pippi ist beleidigend, herabsetzend, würdelos.
    Was also tun mit dieser Geschichte?


    Bei Geschichten bin ich streng, immer. Wenn es um Kinder und Jugendliche geht, aber ganz besonders.
    Es ist eine Plage mit uns Konservativen. :grin



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Ich habe diese Diskussion lustigerweise gerade mit meinem Mann beim Abendessen fortgeführt, der allerdings meinte, dass Pipi für ihn nicht nur das Bild eines allmächtigen Menschen dargestellt hat, sondern sie vielmehr auch einsam war. Und er hat irgendwie recht. Sie wird oft als sehr einsam dargestellt, vor allem denke ich da an die Weihnachtsszene, in der alle Kinder bei ihren Familien sind, Pipi jedoch alleine am Fenster sitzt. Jeder möchte Pipi zum Freund haben, aber niemand möchte Pipi SEIN.
    Ich wieß nicht, ob ich den dritten Band tatsächlich als rassistisch betrachten würde. Das er heute nicht einwandfrei ist, ok, aber das fällt schon in die Sparte "Umänderung des Titels von den fünf Freunden, weil 'Zigeunermädchen' nicht mehr zeitgemäß ist." Finde ich zumindest. Und was ist in diesem Fall mit dem Zählreim "10 kleine Negerlein"?. Da hatte ich ein Bilderbuch dazu und ich bin Jahrgang 1984. DAS finde ich tatsächlich rassistisch und im tiefsten Sinn diskriminierend.

    Bücher sind eine höchst ergötzliche Gesellschaft. Wenn man einen Raum mit vielen Büchern betritt - man braucht sie gar nicht zur Hand zu nehmen - ist es, als würden sie zu einem sprechen, einen willkommen heißen.
    -William E. Gladstone-

  • Lesehunger


    Du hast durchaus recht. Die Gestalt der Pippi wird problematisiert, sie wird dunkler in den Büchern. Sie ist einsam, und wie.
    Es ist immer schwierig, wenn man das einzige existierende Exemplar einer Art ist.


    Das allerletzte Kapitel, als die Kinder diese Erbse esen, damit sie nicht groß werden, ist eins der traurigsten nicht nur in der Pippi-Reihe, sondern gemessen an vielen Kinderbüchern. Die darin zutage tretende Trauer über den Verlust der Kindheit ist größer als selbst im klassischen Fall, Peter Pan, weil Lindgren nicht sentimental wird, nur emotional.
    Die Pippi-Bücher sind durchaus komplex.
    Rassistisch ist der dritte Band leider trotzdem.


    'Zehn kleine Negerlein' ist ein vertrackter Fall. Stößt ihnen ihr jeweiliges Unglück zu, weil sie schwarz sind? Dann ab in die Tonne damit.
    Ist 'Negerlein' herabsetzend? Nehmen wir sie weniger ernst, als wenn es heißen würde 'Zehn kleine Italienerlein'? (der Schlager 'Zwei kleine Italiener' wird als Beispiel für alltäglichen Rassismus immer wieder genannt. :grin) Dann ab in die Tonne damit.


    Oder liegt es gruindsätzlich daran, daß für uns schwarzhäutige Menschen immer ein wenig putzig aussehen mit ihren rollenden Augen, den riesigen Mündern und dem Drahtbürstenhaar, wenn sie klein sind? Der Sarotti Mohr kann durchaus als Beispiel für alltäglichen Rassismus dienen.


    Um den ganz normalen Rassismus geht es. Das ist tief verankert, das sind Würzelchen, die man kaum erkennt. Der ist nie ausgestorben. Daher wundert mich Dein Bildernbuch in den 1980ern nicht im Geringsten.
    Denk an die Diskussion um 'Mohrenkopf' (die Süßigkeit). Wie sagt man heute? :gruebel
    Schaumküsse? Negerkuß? Ist das nicht eigentlich freundlich oder stört da wieder der 'Neger'?


    Beim 'Zigeunermädchen' Jo ist die Änderung gerechtfertigt, stimmte man einer Aktualisierung von Kinderbüchern überhaupt zu (was ich nicht tue). Wenn schon alt, dann steht dazu, daß man damals eben so sprach.


    Wobei es beim genaueren Hinsehen nicht um die Bezeichnung geht, sondern darum, daß die so bezeichneten Figuren für eine bestimmte Lebensweise stehen, die unseren romantischen Vorstellungen entspricht. Und für Blyton müssen 'Zigeuner' hin und wieder für Zirkus, Diebstahl, Armut, Zwielichtiges herhalten, im besten Fall für schwächere Mitglieder der Geselschaft, denen die ProtagonistInnen, nämlich unsere tapfere middle-class Kindergruppe, die wahren Werte beibringen müssen, entweder direkt oder als Katalysatoren.
    Grausig.


    Wiel wir gerade dabei sind: ich mochte Jo. Lieber als George. George ging mir ziemlich auf den Keks, wegen ihres dauernden 'ich-bin-kein-Mädchen'-Gesummses. Sie war aber eins Punkt. Ich habe den Aufstand nie kapiert.
    :grin




    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus