Frau Sorge - Hermann Sudermann

  • Schon die Geburt des künftigen Helden Paul Meyhöfer steht unter keinem guten Stern. Die Eltern müssen Grund und Boden verkaufen und können sich nur mehr eine armselige Wirtschaft leisten.
    Der Vater hält auf seine beiden älteren Söhne und deren geistige Fähigkeiten viel größere Stücke als auf den stillen, in sich gekehrten Paul, und desen beiden stets vergnügten und unbeschwerten Schwestern fliegen ohnehin alle Herzen zu. Nur mittelmäßig begabt und immer von düsteren Gedanken umgeben, für kein Vergnügen und keinen Streich zu haben, ist er auch die Zielscheibe des Spotts seiner Schulkameraden. Dennoch übernimmt Paul als junger Mann den elterlichen Gutshof und bringt es durch harte Arbeit zu einem bescheidenen Wohlstand, während der Vater mit seinen Aktiengeschäften wenig erfolgreich ist. Doch fortwährend sorgt Paul sich um alles und jeden, um die Mutter, um die Aussteuer der beiden jüngeren Schwestern, um das Studium der älteren Brüder und vergisst dabei fast, an sein eigenes Lebensglück zu denken.


    Mir hat dieser realistische Roman aus dem Jahre 1887 sehr gut gefallen, weil es Hermann Sudermann vortrefflich gelingt, einen mittelmäßigen, aber über alle Maßen pflichtbewussten Charakter sehr treffend zu zeichnen. Schon als Kind macht Paul sich andauernd über alles Sorgen, hält die Quälereien seiner Mitschüler aus ohne zu klagen und stellt sein Wohl immer an letzte Stelle. Dank erntet er dafür keinen, weder vom Vater noch von den Brüdern und jeder Misserfolg wird ihm in die Schuhe geschoben. Manchmal hätte ich gute Lust gehabt, ihm in den Allerwertesten zu treten und ihn aufzufordern: „Mensch, Paul, wehr Dich doch, sag Deine Meinung und nimm nicht immer nur Rücksicht!" Und auch in seinen privaten Angelegenheiten ist der gute Paul mehr als zögerlich.
    Jedenfalls zeigt der Autor an seinem Protagonisten sehr gut, wie die ewigen Grübler im Leben oft viel weniger vorankommen als diejenigen, die nicht immer alles so ernst nehmen. Treffende Situationsschilderungen und eine gewählte, gut lesbare Ausdrucksweise haben mir zum interessanten Inhalt einige angenehme Lesestunden beschert.