Ein Stern namens Mama - Karen-Susan Fessel (ab 10 J.)

  • zum erstenmal erschienen 1999



    Bereits im ersten Drittel der zweiten Seite dieses Kinderbuchs ist sein Ausgang klar. Louises Mama wird sterben. Louise erzählt die Geschichte einige Tage vor ihrem elften Geburtstag. Es ist ein Rückblick auf das lange Jahr, in dem ihre Mutter an Krebs starb.
    Der Schrecken beginnt, wie so oft, ganz klein. Nach einem Gynäkologenbesuch muß Mama zu einer umfassenderen Untersuchung. Louise ist ein wenig beunruhigt, die Erwachsenen wiegeln ab. Der kleine Bruder Ruben erfährt gar nichts davon.
    Die erste böse Diagnose wird überspielt, Louise erschrickt erst, als ihre Mutter für einige Tage ins Krankenhaus muß. Dann folgt die Chemotherapie und mit ihr flammt Louises Angst zum erstenmal richtig auf. Aber es wird alles gut, die Mutter kehrt nach Hause zurück.
    Die Erschütterung aber bleibt. Mitten in die neu gefundene Hoffnung hinein platzt der nächste böse Befund. Damit beginnt das Ende.


    Fessel schreibt immer nah an ihren Figuren, knapp und schonungslos. Louises Ängste, die Ängste der Erwachsenen, das erste Erfassen des Schreckens, das neue Hoffen, alles ist unmittelbar zu fühlen. Die Mitglieder der Familie und die engsten Freunde werden nur knapp charakterisiert, sind aber nach wenigen Sätzen bereits lebendig. Man folgt ganz normalen Menschen, die sich plötzlich in einer Ausnahmesituation wiederfinden und sie bewältigen müssen. Fessel hat einen bewundernswerten Blick für Wesentliches, für kleine Gesten und ein Ohr für die richtigen Worte. Sie hält Unheimliches und Grausames, etwa die Folgen einer Chemotherapie, in sicheren Grenzen, aber sie schönt nicht. Für den Schrecken findet sie kindgerechte Worte, sie weicht nie aus, sondern formuliert ihn.


    Der lange Abschied von der Mutter wird voll Gefühl und Mitfühlen, aber ohne Sentimentalitäten beschrieben. Zugleich geht das Leben weiter, die Schule, die Zänkereien mit dem kleinen Bruder, Mamas bester Freund Janni findet einen neuen Liebsten. Louise verliert Vertrauen und muß es zurückgewinnen. Fessel spricht alle wichtigen Fragen an, die Kinder zu Krebs und zum Sterben daran haben. Die Geschichte ist sehr bedrückend und gleichermaßen tröstlich. Bis auf ein kleines Abrutschen ins Konventionelle anläßlich der Frage nach Gott in einem atheistischen Haushalt ist das Buch ideologiefrei.


    Fessels Buch ist einer der besten Beiträge zu dem Thema überhaupt, eine echte Überraschung. Obwohl es sehr, sehr traurig ist, sollte man es sich nicht entgehen lassen.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Es nimmt eine mit, auch als erwachsene Leserin. Das Sterben steht im Vordergrund, der Verfall der Kräfte. Und es geht wirklich um Menschen, das Sterben wird nicht vermittelt, am Beispiel eines Haustiers etwa, illustriert.
    Überdies geht es um die eigene Mutter, also nicht Großeltern, FreundInnen, NachbarInnen. Mitten ins Herz, sozusagen.


    Ich bin immer noch begeistert, so merkwürdig das angesichts des Themas auch klingt.



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Nein, das klingt in meinen Ohren ganz und gar nicht merkwürdig. Man denkt ja nicht gerne über diese Themen nach, dabei sind sie so realistisch.


    Momentan läuft ein sehr sehenswerter Film im Kino, er heißt Halt auf freier Strecke. Man sitz dort im Kino, völlig dieser Geschichte ausgeliefert, will das nicht sehen und am Liebsten einfach flüchten. Ich kann das jetzt nicht so genau beschreiben, aber nachdem man soetwas Realistisches ( Großartige Schauspieler) gesehen hat (warum auch immer man sich diesen Film überhaupt angesehen hat), lernt man das Leben mit allen Kleinigkeiten wieder neu zu schätzen, wenn sich das auch komisch anhört. :wave

    Ailton nicht dick, Ailton schießt Tor. Wenn Ailton Tor, dann dick egal.



    Grüße, Das Rienchen ;-)