Die katholische Kirche trennt sich von "Weltbild"

  • Ich finde das wirklich äußerst interessant, denn es gibt ja zwei Wege, damit umzugehen, dass es einer Glaubensgemeinschaft schwerfällt, sich weltlich zu engagieren und gleichzeitig glaubwürdig zu bleiben. a) Man ignoriert das intern und unterstreicht nach außen, dass unternehmerisches Engagement überlebenswichtig ist, sich in der aktuellen Situation aber kaum ohne Brüche mit den eigenen Paradigmen bewerkstelligen lässt oder b) man trennt sich von allem, was zwar kurzfristig Geld in die Kasse spült, langfristig aber eine lebenswichtige Arterie durchtrennt. Auch die "sicherer" aufgestellten Unternehmenszweige, etwa die katholischen Verlage - von denen es nicht wenige gibt -, publizieren zuweilen kritisches Material, weil sie nicht davon leben könnten, nur linientreu zu agieren.


    Was sich jedenfalls kaum machen lässt, das ist unternehmerisches, gewinnbringendes Engagement auf Basis sämtlicher Doktrinen, die derzeit ja auch noch - unter Benedikt - verschärft werden. Ben.16 hat ja auch in der Weltbild-Sache interveniert. "Katholiken kaufen bei Katholiken" wäre eine mögliche Lösung, aber in der Geiz-ist-geil-Welt sicher keine besonders praktikable. ;)

  • Zitat

    Original von Tom
    Ich finde das wirklich äußerst interessant, denn es gibt ja zwei Wege, damit umzugehen, dass es einer Glaubensgemeinschaft schwerfällt, sich weltlich zu engagieren und gleichzeitig glaubwürdig zu bleiben. a) Man ignoriert das intern und unterstreicht nach außen, dass unternehmerisches Engagement überlebenswichtig ist, sich in der aktuellen Situation aber kaum ohne Brüche mit den eigenen Paradigmen bewerkstelligen lässt oder b) man trennt sich von allem, was zwar kurzfristig Geld in die Kasse spült, langfristig aber eine lebenswichtige Arterie durchtrennt. Auch die "sicherer" aufgestellten Unternehmenszweige, etwa die katholischen Verlage - von denen es nicht wenige gibt -, publizieren zuweilen kritisches Material, weil sie nicht davon leben könnten, nur linientreu zu agieren.


    Und wie wäre es mit c) man trennt sich nur von dem, was moralisch besonders verwerflich ist? Also z.B. bei Weltbild von allen Pornos, bei den katholischen Verlagen von so vielen, daß die übrigen mit dem 'unkritischen' Material ausgelastet sind etc?

    "Wie kann es sein, dass ausgerechnet diejenigen, die alles vernichten wollten, was gut ist an unserem Land, am eifrigsten die Nationalflagge schwenken?"
    (Winter der Welt, S. 239 - Ken Follett)

  • Zitat

    Original von LeSeebär
    Und wie wäre es mit c) man trennt sich nur von dem, was moralisch besonders verwerflich ist?


    Weil das vollkommen unpraktibal ist, dann bräuchte Weltild eine Zensurstelle, die die ganzen Bücher durchforstet und bei jedem Buch entscheidet, ob das jetzt durchgewunken wird oder nicht.
    In manch einem historischen Roman geht es ja heftig zur Sache. Und was ist mit Chalotte Roche, ist das pronografisch? Oder ein eindeutiges pornografisches Werk, in dem die Protagonisten zwar eifrig zur Sache gehen, aber miteinander verheiratet sind und auch nicht verhüten?

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Hallo, LeSeebär.


    Zitat

    Und wie wäre es mit c) man trennt sich nur von dem, was moralisch besonders verwerflich ist?


    Besonders? :gruebel


    Und was schmeißt man raus, was lässt man drin? Was geschieht mit der Familiensaga, in der u.a. von einer Abtreibung erzählt wird, die auch noch "ungesühnt" bleibt? Was geschieht mit den Büchern von Dawkins, Onfray und Hitchens (u.v.a.m.), die derzeit noch im Weltbild-Sortiment vorzufinden sind? Die halte ich - aus Kirchensicht - für sehr viel verwerflicher als die Lebensbeichte einer Ex-Hure oder einen Ratgeber zu Masturbationstechniken. Was ist mit der "Hochliteratur", in der gepflegt-detalliert außerehelich gefickt wird, von Grass bis Roth? Es dürfte kaum möglich sein, hier eine Grenze zu ziehen, und selbst wenn man eine findet, beschneidet man sich - als Unternehmen, von dem längst nicht alle wissen, dass es ein kirchliches ist - als Marktteilnehmer. Davon abgesehen müsste man eine Zensurinstanz ins Leben rufen, die derlei ausfiltert, was einer Sysiphos-Aufgabe gleichkäme. Moralisch (auch: "besonders") verwerflich ist heutzutage jedes dritte, vierte Buch - vorsichtig geschätzt. Man kann keinen Buchhandel betreiben und gleichzeitig auf dieses Feuchtgebiet verzichten.

  • Zitat

    Original von Tom: Ich finde das wirklich äußerst interessant, denn es gibt ja zwei Wege, damit umzugehen, dass es einer Glaubensgemeinschaft schwerfällt, sich weltlich zu engagieren und gleichzeitig glaubwürdig zu bleiben. a) Man ignoriert das intern und unterstreicht nach außen, dass unternehmerisches Engagement überlebenswichtig ist, sich in der aktuellen Situation aber kaum ohne Brüche mit den eigenen Paradigmen bewerkstelligen lässt oder b) man trennt sich von allem, was zwar kurzfristig Geld in die Kasse spült, langfristig aber eine lebenswichtige Arterie durchtrennt. Auch die "sicherer" aufgestellten Unternehmenszweige, etwa die katholischen Verlage - von denen es nicht wenige gibt -, publizieren zuweilen kritisches Material, weil sie nicht davon leben könnten, nur linientreu zu agieren.


    Es bleibt noch Raum für Variante c):
    Die katholische Kirche stellt sich dem Problem so wie sie mit ihren Mitgliedern an der Basis umgeht: Jeder ist fehlbar, es wird weiterhin publiziert, was sich verkauft und in der wöchentlichen Messe kann Abbitte geleistet werden, wahlweise können entsprechende Ausgleichszahlungen an wohltätige, der katholischen Kirche nahestehende Organsiationen geleistet werden. Selbstredend mit Öffentlichkeitsarbeit á la Pornos für Brot für die Welt, fürs neue Kirchendach etc.


    (Verschwindet besser aus diesem Thread, bevor es wieder religiöse Diskussionen gibt, auf die ich mich bei den Eulen nicht einlassen wollte.)


  • Mag ja sein, aber das Problem ist doch erst durch diese Porno-Bücher entstanden, andere Bücher waren auch schon vorher im Programm und haben bei keiner Bischofskonferenz die Gemüter erregt (oder ich habs einfach nicht mitbekommen)?


    Man sollte sich also einfach wieder von dieser neuen Schmuddelecke trennen und gut ist.

    "Wie kann es sein, dass ausgerechnet diejenigen, die alles vernichten wollten, was gut ist an unserem Land, am eifrigsten die Nationalflagge schwenken?"
    (Winter der Welt, S. 239 - Ken Follett)

  • Hallo, LeSeebär.


    Es gab bei Weltbild bzw. in den besitzenden Diözesen auch vorher schon intensive Diskussionen darüber, dass es im Sortiment Bücher - ungetarnte und Kuckuckseier - gibt, die den Glaubensgrundsätzen energisch widersprechen, sie sogar attackieren und "beschmutzen". So wurden beispielsweise die Bücher, die in Unterstützung der Giordano-Bruno-Stiftung publiziert wurden (etwa das berüchtigte "Ferkelbuch"), nicht ins Sortiment genommen oder schnell nach dem Erscheinen wieder ausgemustert (Weltbild nimmt standardmäßig - wie fast alle Händler - das komplette VlB ins Sortiment). Christopher Hitchens' "Wir brauchen keinen Gott - wie Religion die Welt vergiftet" beispielsweise gibt es aber nach wie vor bei denen. Die tendentiell doch wenigstens ein bisschen pornographischen Bücher von Charlotte Roche kann man auch bei Weltbild kaufen. Ein anderes Thema ist die Halbtochter "Hugendubel", die bisher keine Vorsortierung vornimmt.


    Dass die Bischöfe jetzt erst öffentlichkeitswirksam reagieren, liegt an der plakativen Wirkung des vorgefundenen Materials. Damit ist die Pandorabüchse offen: Wer a sagt, muss auch b sagen, was konkret bedeutet, dass entweder eine "Bereinigung" des Sortiments vorgenommen wird, was kein normaler Mensch bewältigen könnte und das Fundament des Betriebsvernichten würde, oder dass man den Versuch schon im Vorfeld aufgibt. "Porno" gibt und gab es im Weltbild-Sortiment ohnehin nicht, denn pornographische Schriften werden in aller Regel indiziert und sind deshalb sowieso nicht frei verkäuflich: Porno kauft man im Pornoshop. Das, was dort jetzt als pornographisch bezeichnet wird, ist es also ohnehin nur im Auge des (offenkundig ungeübten) Betrachters. Wenn dieser aber den Blick dem gesamten Sortiment zuwenden würde, von Roche bis Onfray, bliebe nur noch wenig übrig, das sich guten Gewissens verkaufen ließe. Insofern ist der Verkauf des gesamten Ladens die einzig glaubwürdige Alternative.

  • Zitat

    Porno" gibt und gab es im Weltbild-Sortiment ohnehin nicht, denn pornographische Schriften werden in aller Regel indiziert und sind deshalb sowieso nicht frei verkäuflich: Porno kauft man im Pornoshop.


    Oder in dem Büdchen an der Straßenecke gegenüber von uns. :grin


    Genau dahin wollte ich hinaus- diese Wanderhure ist doch gar nicht pornographisch, bzw nicht mehr oder weniger als andere Literatur eben auch. Was soll also diese Mumpitzbegründung? Mich würden ja mal die inoffiziellen Gründe dafür interessieren.

    Ailton nicht dick, Ailton schießt Tor. Wenn Ailton Tor, dann dick egal.



    Grüße, Das Rienchen ;-)

  • Zitat

    Original von DraperDoyle


    Ich habe im Radio gehört, dass die in ihrer Suchmaske irgendeinen "Filter" eingebaut haben (wie auch immer das funktionieren mag) :gruebel


    Den erotischen Roman, den ich erst vor einer Woche geliefert bekommen habe, führen sie auch nicht mehr. Scheint Methode zu haben.

  • Es besteht natürlich immer die unternehmerische Freiheit, daß nicht herauszugeben, was einem nicht in den Kram passt..man muß sich vor allem in den Reihen der katholischen Kirche aber die Kommentare gefallen lassen, daß dort alles erlaubt ist, so lange es nicht raus kommt.


    Die Priester dürfen trotz Zölibat langjährige Beziehungen unterhalten und sogar Kinder haben, die von der Kirche unterstützt werden, sie dürfen sich nur nicht zu den Frauen oder Kindern bekennen. So lange alles unter dem Verschwiegenheitsdeckmäntelchen bleibt ist das in Ordnung.


    Sieht man ja auch am Umgang mit den Missbrauchsfällen. Die Bösen sind nicht die Täter, sondern die bösen Opfer, die zusammen mit der furchtbaren Presse nur Stimmung gegen die liebe Kirche und ihre Vertreter machen.


    Meine Meinung

    :lesend Stefanie Stahl - Das Kind in Dir muss Heimat finden

    :lesend Jean Luc Bannalec - Bretonisches Vermächtnis


    Es ist besser eine Kerze anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen (Konfuzius)

  • Zitat

    Original von bastetchen
    Die Priester dürfen trotz Zölibat langjährige Beziehungen unterhalten und sogar Kinder haben, die von der Kirche unterstützt werden, sie dürfen sich nur nicht zu den Frauen oder Kindern bekennen. So lange alles unter dem Verschwiegenheitsdeckmäntelchen bleibt ist das in Ordnung.


    Gerade auch in diesem Zusammenhang empfinde ich dann solche "Kirchen-Aktionen" wie jetzt mit Weltbild als reine Augenwischerei.


    Ich warte ja sehnsüchtig darauf, dass die Katholische Kirche endlich merkt, in welchem Jahrhundert wir leben und dass die Welt sich immer noch weiter dreht... Aber ich warte wohl vergebens. ;-(

  • Zitat

    Original von Ayasha


    Gerade auch in diesem Zusammenhang empfinde ich dann solche "Kirchen-Aktionen" wie jetzt mit Weltbild als reine Augenwischerei.


    Ich warte ja sehnsüchtig darauf, dass die Katholische Kirche endlich merkt, in welchem Jahrhundert wir leben und dass die Welt sich immer noch weiter dreht... Aber ich warte wohl vergebens. ;-(


    Das Warten auf eine höhere Eingebung im Bereich der katholischen Kirche im Umgang mit den Gläubigen wird ja schon seit mehreren Jahrhunderten erfolglos betrieben, die strengen Grundsätze gelten vorwiegend nur für die Gläubigen und nicht für die per definition höheren Wesen (der Priesterschaft und ihren Vorgesetzten) und daß ein Mensch für sich in Ansprujch nimmt unfehlbar zu sein ist für mich sowieso total hirnrissig. Sollte man den Herren man mitteilen, daß der Papst eine Vertreter Petrus' ist, der war wie wohlbekannt ist "nur" ein Mensch

    :lesend Stefanie Stahl - Das Kind in Dir muss Heimat finden

    :lesend Jean Luc Bannalec - Bretonisches Vermächtnis


    Es ist besser eine Kerze anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen (Konfuzius)

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  • Die Doppelmoral der katholischen Kirche kotzt mich an!! Hier hat man den Eindruck die katholische Kirche nimmt das bisschen Erotik in Büchern, das wirklich niemanden, wichtiger als die ganzen Missbrauchsfälle des letzten Jahres.
    Das ist doch wohl der Gipfel. So ich trete jetzt aus diesem Verein aus. Ich hab genug.

    Nenne dich nicht arm, weil deine Träume nicht in Erfüllung gegangen sind; wirklich arm ist nur, der nie geträumt hat. - Marie von Ebner-Eschenbach

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Lili_Morinstal ()

  • Zitat

    Sieht man ja auch am Umgang mit den Missbrauchsfällen. Die Bösen sind nicht die Täter, sondern die bösen Opfer, die zusammen mit der furchtbaren Presse nur Stimmung gegen die liebe Kirche und ihre Vertreter machen.


    Lt. Herrn Mixa ist ja auch die Sexuelle Revulotion an Allem Schuld. :pille

    Ailton nicht dick, Ailton schießt Tor. Wenn Ailton Tor, dann dick egal.



    Grüße, Das Rienchen ;-)

  • Zitat

    Original von bastetchen
    und daß ein Mensch für sich in Ansprujch nimmt unfehlbar zu sein ist für mich sowieso total hirnrissig.


    :gruebel


    Bevor man über etwas schimpft, sollte man sich vielleicht genügend informieren :wave