Inhalt:
'The cold commands' ist der Nachfolgeband des Fantasy-Reißers 'The steel remains' (Glühender Stahl in der dt. Übersetzung).
Er setzt ein wenig nach der epischen Schlacht am Ende des ersten Buches an, bei dem die Dwenda zurückgeschlagen werden, eine uralte, zauberbegabte, recht grausame Rasse, die versuchen, sich ihren Weg zurück in die Welt zu erkämpfen, aus der sie vor Jahrtausenden vertrieben wurden. Die Geschichte der bereits bekannten Helden wird in drei Erzählsträngen fortgeführt:
--> Ringil Eskiath, Adelssproß, dekorierter Kriegsheld, düsterer Krieger mit einer magischen, blutdurstigen Klinge und verbannter Geächteter in seiner Heimat, weil seine Vorliebe für Liebhaber des eigenen Geschlechts nicht toleriert wird und man dort, wo er herkommt, Homosexuelle in Folterkäfigen von den Stadttoren aufhängt.
--> Archeth, Tochter einer menschlichen Frau und eines Mannes aus der außerirdischen Rasse der Kiriath, Erzfeinde der Dwenda, die nach Jahrhunderten des Zusammenlebens mit den Menschen auf mysteriöse Weise von der Welt verschwanden, die der Dwenda-Magie mit ausgefeiltester Technologie begegneten und die nur ein paar Helmsmen zurückgelassen haben, hochintelligente und belebte Konstrukte aus Metall, die nun kryptische Ratgeber der Mächtigen sind. Archeth hat die Langlebigkeit ihrer Vorfahren geerbt, hat Imperatoren kommen und gehen sehen, sucht wie besessen nach Spuren ihres Volkes, von dem sie die letzte Zurückgelassene ist, und ... mag am liebsten Mädchen im Bett.
--> Egar, genannt Dragonbane, ein wilder Steppenreiter, der über seine Jugendjahre hinaus ist, und gemeinsam mit Ringil bei einer epischen Schlacht einen Drachen erledigt hat.
Zu Beginn und auch später über weite Teile des Buches sind die drei Helden voneinander getrennt, und so sind es auch ihre Geschichten: Ringil jagt einer Sklavenkaravane nach, um deren Anführer zu töten - denn das ist die Frau, die seine Cousine versklavt hat (nach der er in Bd.1 suchte).
Archeth wird mit der Ankunft eines neuen Helmsman konfrontiert, der eine schreckliche Bedrohung ankündigt und sie drängt, eine Expedition ans andere Ende der Welt in gefährliche Gewässer zu unternehmen, um eine geisterhafte Kiriath-Stadt mitten im Ozean zu finden, eine Legende, die zwischen den Welten hin- und hergleitet und nun nach Jahrhunderten wieder in der diesseitigen Welt aufgetaucht ist.
Egar ist mit Archeth zurückgekehrt in die Hauptstadt des Imperiums und langweilt sich als ihr Hausgast zu Tode. Außerdem drücken ihm Liebessorgen aufs Gemüt, und so macht er sich auf, geheimnisvolle Machenschaften zu untersuchen, die in einem verlassenen Tempel vor sich gehen...
Meine Meinung:
The cold commands war eine von mir heiß ersehnte Fortsetzung, nachdem mich der erste (in sich abgeschlossene) Teil der Serie so unglaublich begeistert hat (und eines der besten Fantasy-Bücher ist, die ich kenne).
Gleich vorab - es macht wenig Sinn, es zu lesen, bevor man Bd.1 gelesen hat. Die Lektüre des ersten Teils ist Voraussetzung für das Verständnis der Hälfte aller Gedankengänge der Charaktere, und er gibt ihnen im Nachhinein Tiefe.
Sodann - bin ich sehr zerrissen mit meiner Meinung über das Buch. Richard Morgan schreibt noch immer göttlich und seine Szenen haben Wucht und Saft, aber leider scheint ihm in diesem stattlichen 500-Seiten-Wälzer über weite Strecken der rote Faden abhanden gekommen zu sein, der alle drei Stränge miteinander verknüpft, und wird erst ganz zum Ende hastig hochgehalten, mit für meinen Geschmack ein bisschen zu viel überraschender, schicksalspielender göttlicher Intervention.
Die Stories von Ringil, Archeth und Egar lesen sich über weite Strecken wie voneinander unabhängige Bücher, und ihr Zusammenfügen wirkt arg gezwungen. Das große Thema des Buches, das, worauf alles hinsteuert, das ultimative Rätsel wird erst nach gut der Hälfte überhaupt klar und zu diesem Zeitpunkt hat man als Leser schon ein wenig den Anfangs-Enthusiasmus verloren. Und die zweite 'verborgene' übergreifende Geschichte, die erst ganz zum Ende enthüllt wird und alle Ereignisse im Nachhinein rechtfertigt, fällt wie gesagt sehr dünn aus.
Insgesamt wirkt der Band sehr stark wie ein etwas ungeliebtes Brückenstück zwischen den ersten und dem hoffentlich wieder handlungsintensiveren dritten Teil. Ganz ehrlich, im größeren Kontext hätte man diese Handlung auch mit drei Kapiteln erzählen können, oder meinetwegen fünf. Doch Morgan widmet sich jedem kleinen Schritt, den die Charaktere machen, mit akribischer Detailversessenheit, so dass man irgendwann das Gefühl kriegt, er musste Seiten schinden - indem er noch eine (eigentlich unnötige) Szene einfügt, und noch eine ...
Tja, ich bin enttäuscht.
In Ermangelung eines tragfähigen größeren Spannungsbogens ist das Buch leider nicht viel mehr als eine Sammlung mehrerer, zugegebenermaßen grandios geschriebener Kurznovellen, doch der Erwartungshaltung, die der erste Band aufbaut, wird es leider überhaupt nicht gerecht.
Auch erscheinen - ebenfalls aufgrund der endlos ausgewalzten Längen - die eigentlich phantastischen Hauptfiguren irgendwann beinahe klischeehaft. Archeth, die das ganze Buch über nur mit ihrem Drogenentzug beschäftigt ist, der sie ununterbrochen reizbar macht. Egar, der sich zum hundertsten Mal mitten im wilden Kampf überlegt, dass er langsam alt wird. Und Ringil, der zwar immer noch ein wahnsinnig cooler Held ist (vor allem zu Beginn, da hat er einen grandiosen Auftritt), der aber später große Abschnitte des Buches in einer seltsamen Traum-Schattenwelt verbringt, in der mit mysteriösen Andeutungen nur so um sich geworfen wird. Und der ansonsten ebenfalls mit seinem vernachlässigten Liebesleben beschäftigt ist.
Zum Schluss noch etwas Gutes:
Das Buch ist nicht so schlecht, wie meine Rezension es vielleicht erscheinen läßt. Neben seinem überragenden Vorgänger verblasst es zwar ganz gewaltig, aber es ist immer wieder sehr vergnüglich zu lesen (der dreckige Humor und die derben Sprüche sind einfach köstlich), und es ist durchaus spannend, wenn man sich durch die Längen mit etwas Querlesen durchgekämpft hat. Ich habe es nicht abgebrochen, und das tue ich normalerweise, wenn ein Buch mich langweilt.
Es ist teilweise sogar so spannend, dass man in der Badewanne unbedingt noch zwanzig Seiten weiterlesen muss, auch wenn das Wasser schon kalt ist. Ach so, und das Finale ist wieder richtig aufregend.
Last but not least: Ich bin Optimist und glaube ganz fest, dass es sich hier um einen unglücklichen Ausrutscher handelt und Band 3 zur alten Form zurückfindet. Und dafür muss man den zweiten Band natürlich gelesen haben.
Deshalb gebe ich mal 6,5 von 10 Punkten, mit der Anmerkung, dass es Nölerei auf hohem Niveau ist. Denn wer vorher 'The Steel Remains' gelesen hat, kann nicht anders, als auf dem schwächeren Nachfolger rumzuhacken
Edit: Ich habe ISBN und Titel der deutschen Ausgabe eingefügt, damit diese auch über das Verzeichnis gefunden werden kann. LG JaneDoe