Astrid Fritz: Der Pestengel von Freiburg

  • Kurzbeschreibung (kopiert bei amazon)


    Freiburg in Zeiten der Pest 1348: Unaufhaltsam wälzt sich
    die Pest von Süden heran. Schuld an der Seuche sollen die Juden sein.
    Als Clara, Frau eines Wundarztes, herausfindet, dass ihr Sohn das
    jüdische Nachbarsmädchen Esther liebt, versucht sie mit allen Mitteln,
    ihn vor der gefährlichen Verbindung zu schützen. Es kommt zu einem
    Zerwürfnis zwischen Mutter und Sohn und in der gleichen Nacht zu Esthers
    Verhaftung. Unterdessen erkennt Claras Mann, dass sich der Schwarze Tod
    in Wirklichkeit durch Ansteckung verbreitet, und schickt seine Familie
    aus der Stadt. Als er bald darauf selbst an Lungenpest stirbt, kehrt
    Clara nach Freiburg zurück und tritt sein Vermächtnis an. Wagemutig
    lässt sie alle Ressentiments hinter sich und sagt nicht nur der Pest,
    sondern auch dem Hass gegen die Juden den Kampf an.


    Autorin


    Astrid Fritz, geboren in Pforzheim, ist studierte Germanistin und Romanistin. Nach ihren Studienjahren in München, Avignon und Freiburg arbeitete sie als Fachredakteurin in Darmstadt und Freiburg und verbrachte außerdem drei Jahre in Santiago de Chile. Derzeit lebt sie in der Nähe von Stuttgart.
    Astrid Fritz hat bereits einige Romane veröffentlicht, darunter die Trilogie um die Familie der als Hexe verbrannten Catharina Stadellmenin:
    1. Die Hexe von Freiburg 2. Die Tochter der Hexe 3. Die Gauklerin
    Weitere Informationen findet man auf ihrer interessanten Homepage .


    Meine Beurteilung


    "Der Pestengel von Freiburg" beschäftigt sich mit zwei in gewisser Weise zusammenhängenden Themengebieten. Zunächst geht es um die Situation der Juden im mittelalterlichen Deutschland. Den Juden waren fast alle beruflichen Tätigkeiten untersagt, sie durften weder Land erwerben und bebauen noch ein Handwerk ausüben. Deshalb blieben ihnen nur die Tätigkeiten des unabhängigen Arztes, des Trödlers und des Geldverleihers. Im Gegensatz zu den Christen war es ihnen nicht von ihrer Religion verboten, Zinsen zu nehmen.
    Die Adeligen und Stadtratsmitglieder waren oft bei den Juden verschuldet, diese Abhängigkeit nährte noch das Misstrauen und die Abneigung, die bereits durch die nach christlicher Anschauung "seltsamen" Bräuche der jüdischen Mitbürger geweckt worden waren.
    Selbst eine vergleichsweise aufgeschlossene Frau wie die Clara Grathwohl, die Protagonistin dieses Romans, tut sich im Umgang mit ihren jüdischen Nachbarn schwer. Einerseits schätzt sie die Nachbarsfamilie Grünbaum menschlich sehr und verteidigt sie gegen Anfeindungen, andererseits ist sie doch entsetzt, als ihr Sohn Benedikt sich in die junge Esther Grünbaum verliebt und unternimmt alles Menschenmögliche, um eine solche Verbindung zu hintertreiben.
    Das zweite große Themengebiet in diesem Roman ist die Pestepedemie, die von 1348 bis 1352 durch Europa zog und Millionen von Menschen das Leben kostete. Als die Pestwelle auf Freiburg zurollt, kommt es zur großen Judenverfolgung. Am 23.01.1349 berichtet die Freiburger Stadtchronik von einer Judenverbrennung, bei der außer Schwangeren und Kindern im Alter bis zu vier Jahren sämtliche Juden ermordet wurden. Gerechtfertigt wurde dieser Massenmord mit der Behauptung, die Juden hätten die Brunnen vergiftet und trügen somit die Verantwortung für den Ausbruch der Pest. Allerdings kursieren auch andere Theorien, in der die Pest auf Erdbeben, besondere klimatische Bedingungen, schlechtes Miasma oder auch auf Gottes Zorn zurückgehen soll. Um Letzterem entgegen zu wirken, ziehen Flagellanten durch das Land, die zur Buße aufrufen und sich öffentlich geißeln.
    Die Autorin beschreibt sehr eindrucksvoll, wie sich die Gesellschaft unter der Bedrohung durch den Schwarzen Tod verändert. Die reichen Bürger ergreifen die Flucht, die Übrigen wollen ihre möglicherweise letzten Tage voll auskosten und geben sich zügellos kulinarischen und fleischlichen Vergnügungen hin, wobei sie in Tavernen, Badestuben und Bordellen unwissentlich für die Verbreitung der Infektion sorgen.
    Nächstenliebe und Mitmenschlichkeit sind nur noch leere Worte, auch und vor allem die Geistlichen entziehen sich ihren Pflichten und denken nur an die eigene Sicherheit. Nur wenige Menschen sind noch bereit zur Krankenpflege. Die Szenen an den Krankenbetten werden teils recht drastisch beschrieben und sind nicht für empfindliche Mägen geeignet.
    Sehr gelungen finde ich die Charakterisierung der Figuren, die sehr realitätsnah mit Stärken und Schwächen dargestellt werden. Ebenso gelungen ist der Erzählstil, der durchgehend "mittelalterlich" anmutet.
    Ein weiterer Pluspunkt ist das Nachwort der Autorin mit Hintergrundinformationen zu den Inhalten des Romans. Außerdem ist noch ein sehr umfangreiches Glossar nachgestellt, das sowohl mittelalterliche Ausdrücke als auch jüdische Wörter erklärt.


    Fazit: "Der Pestengel von Freiburg" ist ein authentischer, anspruchsvoller und dabei sehr unterhaltsamer Roman über ein dunkles Kapitel der Geschichte, den man Lesern, die sich für die Geschichte der Juden im mittelalterlichen Deutschland und für medizingeschichtliche Themen interessieren, bedenkenlos empfehlen kann.
    10 Punkte