Seine Toten kann man sich nicht aussuchen- Janine Binder

  • Erschienen: 09.11.2011
    Seiten:254
    ISBN 13: 978-3-492-27314-5


    Kurzbeschreibung:


    Einsatzstichwort »hilflose Person«. Ein dunkles Treppenhaus, leises Wimmern und keine Ahnung, welches Schreckensszenario sich hinter der Wohnungstür verbirgt. Einsatzstichwort »gefährliche Körperverletzung«. 30 Männer schlagen sich betrunken die Köpfe ein. Ausgang ungewiss, nur eins ist klar: Unverletzt wird Janine Binder heute nicht nach Hause gehen. Seit sie 16 ist, ist die 30-Jährige als Polizistin im Einsatz – und kann heute schon nicht mehr zählen, wie viele Tote sie gesehen hat. Trotzdem würde sie mit niemandem tauschen wollen. Ihr Job ist hart – aber unverzichtbar.


    Über den Autor:


    Janine Binder, geboren 1981, ist seit 1998 als Polizistin im Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen. Nach Stationen bei der Autobahnpolizei und im sozialen Brennpunkt Köln-Chorweiler ist die Polizeikommissarin seit dem Abschluss ihres Studiums in Köln-Porz unterwegs. Da der Dienst nicht immer nur schöne Seiten hat, hat sie zur Verarbeitung der weniger schönen Dinge das Schreiben für sich entdeckt.


    Meine Meinung:


    Die Erzählungen die Volker Uhl und die Polizeipoeten bisher veröffentlicht haben, haben meine Einstellung zu Polizisten nachhaltig verändert, das konnte dieses Buch also nicht mehr erreichen, auch wenn die Autorin in den vorgenannten Büchern mit ihren Geschichten an dieser Veränderung sicher nicht ganz unschuldig war. Als Anwalt der auch Strafverteidigungen übernimmt habe ich häufig Formulierungen meiner Mandanten wie „Scheißbulle“ oder bei Straßenverkehrsdelikten „Wegelagerer“ einfach zu toleriert oder gar zu akzeptiert. Das passiert mir heute nicht mehr, es wurde mir der Blick hinter die Formulierung der Strafanzeige, des Protokolls, auf Menschen erlaubt, auf Menschen mit ihren Sorgen, Problemen und ihrem Zielen.


    Janine Binder liefert mit diesem Buch eine Kurzgeschichtensammlung, die mit Ausnahme der ersten Geschichte chronologisch aufgebaut ist. Dabei schlägt diese Geschichte „Worauf uns niemand vorbereitet“ den Bogen, den mittlerweile ist Frau Kommisarin Binder selbst Mentorin für einen jüngeren Kollegen bei einem Einsatz , der emotional verstört, der den Leser mitten hinein nimmt in diesen Beruf und der zeigt, dass jedes Mal, wenn Polizisten aus dem Auto steigen etwas ganz anderes passieren kann, als das womit gerechnet wurde, das jedesmal etwas passieren kann, das Grenzen erreicht und überschritten werden müssen
    .
    Nach diesem dramatischen Einstand blendet die Autorin zurück mit „Wie alles begann“ ins Jahr 1998. Sie erzählt von der Schnapsidee Polizistin werden zu wollen, motiviert von der zynischen Bemerkung des Einstellungsberaters der Polizei wegen des Einstellungstestes, als der über die zierliche sechszehnjährige Janine spottet „die schafft das sowieso nicht“ bis zum letzten Hindernis bei diesem Test, als sie nicht nur johlende Polizisten die sich auf dem Sprotplatz sonnen erlebt, sondern eben auch zum ersten Mal kollegiale Solidarität, als einer sich aufmacht und mit ihr als „Lokomotive“ rennt und sie im Zeitlimit über die Ziellinie quatscht.


    Sie muss dann „Schnell erwachsen werden“ in zweieinhalb Jahren Ausbildung, bevor sie ihre erst Stelle bei der „Geradeauspolizei“ der Autobahnpolizei Köln antritt. Bis der Bogen zum Danke sich schließt erzählt die Autorin in 27 Kurzgeschichten tragisches, komisches und tragisch-komisches in so gelungener Mischung, dass keine Lachfalten sich bilden und keine Depressionen aufkommen, das aber ein tiefer Einblick in den Beruf und den beruflichen Alltag einer Polizistin mit allen Höhen und Tiefen entsteht. Von der Dramatik als 1 Meter 58 cm kleine Blondine dem durchdrehenden Zweimeter Kraftprotz gegenüberzustehen bis zum stundenlangen Warten auf den Drogenkurier an der Autobahnauffahrt , vom manchmal nervenaufreibenden, manchmal sterbenslangweiligen Dienst am Funktisch bis zu den Toten, die man sich eben nicht aussuchen kann, auf die man trifft in diesem Beruf. Die Toten, die besonders an die Nieren gehen wenn man sie kennt, wie der junge Selbstmörder in der Geschichte „Ich hoffe es geht dir besser , da, wo du jetzt bist“ – ein Junge den die Polizei und eben auch die Autorin unzählige Male gerettet hat- unzählige Male Hilfe angeboten hat, unzählige Stunden investiert- und am Schluß lag er eben doch auf der Straße vor dem Hochhaus. Oder die Seitenbemerkung in der Geschichte die dem Buch seinen Titel gab, als die Polizistin einen Autofahrer, der es eilig hatte weiterzufahren auf der Autobahn nicht im Stress zusammenstauchte sondern einfach stumm im Schein einer Taschenlampe etwas zeigte, das einmal ein Teil eines Menschen war. Ohne Leichen, aber nicht weniger beeindruckend solche Erlebnisse wie in der Geschichte „Mein Mann macht so etwas nicht“ als bei einer Durchsuchung beim braven Familienvater Kinderpornographie auf dem PC entdeckt wird – und für die Ehefrau eine Welt zusammenbricht oder in "Wie stoppt man einen Geisterfahrer", als ein demenzkranker Mann mit dem Auto stur über die Autobahn fährt und Menschenleben in Gefahr bringt.


    Die Autorin erzählt das alles mit einer „gradlinigen, gefühlvollen, amüsanten, lakonischen, manchmal ein bisschen naiven und nicht selten ernüchternden Erzählweise“ (Tom Liehr) , die nie das Gefühl aufkommen lässt hier eine Betroffenheitssülze serviert zu bekommen und nie irgendwelchen voyeristischen Bedürfnisse befriedigt, nie Cobra 11 oder Barbara Salesch imitiert, sondern am Thema, an der Realität bleibt und nicht des Effektes wegen zur Reality Show wird.


    Diesem Buch kann man nur viele, viele Leser wünschen, die dann hoffentlich bei ihrem nächsten Treffen auf einen dieser Uniformierten , sei es nun in blau oder grün/beige, nicht erst in Defensivstellung und Agressionsmodus in Erinnerung an ihr eigens Sündenregister umschalten sondern offen erkennen, dass da ein Mensch steht, der zuerst anderen Menschen helfen will und seinen Job tut, so gut er kann.

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen übersiet :grin


    :lesend  :lesend

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  • Seine Toten kann man sich nicht aussuchen - Janine Binder


    Mein Eindruck:
    Das Buch erzählt in kurzen Episoden vom realistischen Polizistendasein. Fast alle Geschichten sind amüsant und/oder informativ, manchmal bestürzend. Das Buch überzeugt durch seine Struktur. Nachdem kurz der Ist-Zustand gezeigt wird, springt es zurück in die Zeit, als die 16jährige Autorin sich als Polizistin beworben hat. Dann werden erste Einsätze und Erlebnisse gezeigt und wie sich das Polizistendasein aus einer Vielzahl von verschiedenen Tätigkeiten zusammensetzt. Auch wie und wo ein Polizist eingesetzt wird, ob auf der Autobahn, bei der Drogenfahndung, im Polizeinotruf oder im Einsatz gegen häusliche Gewalt oder Sexualdelikte, spielt eine Rolle.
    Falls sinnvoll, springen die Geschichten zeitlich aber auch vor oder zurück. In der Summe ergibt sich dadurch ein Bild, dass über das einer einzelnen Geschichte hinausgeht und aus dem der Leser Zusammenhänge und Schlüsse ziehen kann.
    Für mich persönlich wird zum Beispiel auch klar, wie das Leben von Zufällen und Umgebung abhängen kann und dass ein behütetes und sicheres Leben ohne Einflüsse durch Kriminalität ein Glück ist. Dabei muss es nicht unbedingt am Milieu liegen, auch eine “gute” Gegend kann sich durch fehlende Hilfsbereitschaft auszeichnen, wie die Geschichte “Verreck, du alter Sack” zeigt.


    Man kann das Buch in kurzer Zeit und am Stück durchlesen, dennoch wird man sich an manche Details sicher noch lange erinnern.
    Ich könnte die eine oder andere Geschichte herausheben, aber insgesamt gefällt mir vor allen der geschlossene Eindruck des Buches.

  • Zitat

    Original von DraperDoyle
    Baby Jane benutzt den Knuddelsmiley :yikes :schnellweg


    Ich wußte, daß das kommt... ich wußte es.


    Ich werd mich allerdings jetzt vorab für alle Rezensionen gute, wie schlechte bedanken, damit ich hier nicht immer den Rezensions-Fred durch unqualifizierte Einwürfe störe. :lache

  • na, wenn du so eine Steilvorlage lieferst ;-)


    Ich bin mir selbst noch nicht sicher, ob ich dieses Buch lesen will :gruebel
    Ich bewundere ja die B* aus unserem hier zuständigen Revier. Bisher haben die die Handgreiflichkeiten in unserem Irrennachbarhaus, wie sie alle vier Wochen auftreten, souverän deeskaliert.
    Andererseits habe ich schon recht schlechte Erfahrungen gemacht und das angesichts eines Sündenregisters, das sich bisher auf zwei Strafzettel wegen Falschparkens beschränkt...

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Vorab muss ich sagen, dass ich eigentlich kein Fan von Kurzgeschichten bin. Eigentlich.... Dieses Buch hat mir allerdings sehr gut gefallen, da die Geschichten größtenteils chronologisch geordnet sind und daher wie eine Gesamtgeschichte wirken.


    Die Autorin schafft es, den Leser tatsächlich (wie sie es bereits im Vorwort erwähnt hat) bei ihren Einsätzen über die Schulter gucken zu lassen. Man fühlt sich, als wäre man ein Teil der Geschichte und erfährt teilweise lustige Anekdoten, teilweise sehr traurige oder auch welche, die einen zum Nachdenken anregen. Sie erklärt Dinge aus dem Polizeialltag, über die ich noch nie nachgedacht habe und man merkt deutlich, dass sie ihren Job wirklich gern tut. Dieses Buch hat es geschafft, dass ich über Polizeiarbeit anders denke, als ich es bisher getan habe.


    Ich kann nur hoffen, dass es einen nächsten Teil gibt oder vielleicht auch eine zusammenhängende Geschichte, die einige ihrer Erfahrungen wiedergibt. Von mir gibt es eine unbedingte Kaufempfehlung.

  • Als ich Janine zum ersten Mal traf, waren wir mit gemeinsamen Freunden beim Public Viewing (EM-Halbfinale 2008). Nach dem Spiel wurde gemeinsam über die Kölner Ringe gezogen, und als wir an einer Einheit von Bereitschaftspolizisten vorbeizogen, wurde mir eröffnet, dass diese kleine Person da neben uns jetzt auch theoretisch in voller Montur da stehen konnte.
    Genau wie ein gewisser Einstellungsberater der Polizei musste ich zumindest noch mal nachfragen.
    Nun, dass das eine grandiose Fehleinschätzung war, sollte jedem bewusst sein.


    In 27 Geschichten erzählt die Autorin von Erlebnissen, Einsätzen und Menschen, die ihr in ihrer Laufbahn passiert oder begnet sind. Angefangen bei eben jenem - doch eher noch diffusen - Berufswunsch und der Begegnung mit einem Einstellungberater, der nicht an sie glaubte, bis hin menschlichen Abgründen, denen sie - mittlerweile mit silbernen Sternen und blauer Uniform - nicht etwa in Kalk, Chorweiler oder Meschenich begegnet.


    Auf dieser Reise durch ihre bisher 13 Jahre währenden Karriere nimmt Janine Binder uns mit, erzählt von Ausnahmesituationen genau so wie von Alltäglichem, von lustigen Begegnungen und Begebenheiten und lässt den Leser gemeinsam mit ihr Situationnen erleben, die vielleicht nur ein paar Kilometer entfernt an der Tagesordnung sind, aber weit über den eigenen Horizont hinausgehen.


    Sei es der Junge, dessen Wunsch zu sterben stärker war als alle Bemühungen von Polizei und Betreuern, oder ein Geisterfahrer, der sie zu einer einsamen und potenziell gefährlichen Entscheidung drängt - oder doch ein alter Mann, der im Schlafanzug kölsches Liedgut gröhlt; die Autorin lässt den Leser mit ihren Schilderungen an allen Empfindungen, - egal welcher Natur - die sie in diesen Situationen durchlebt hat, teilhaben. Dabei lassen sowohl Cover als auch "Artwork" eine Art Enthüllung erwarten, der der Inhalt - zum Glück - nicht gerecht wird. Dieses Buch hat nichts Enthüllendes und ist keine Abrechnung irgend einer Art; im Gegenteil: Janine Binder erzählt sehr einfühlsam und eben nicht reißerisch. Da muss sich dann der Verlag den Vorwurf gefallen lassen, zugunsten des Marketings einen Titel gewählt zu haben, der doch schon eine gewisse Diskrepanz zwischen Cover und Inhalt erzeugt. Hoffentlich schlägt das zumindest in den Verkaufszahlen positiv zu Buche.


    Und ganz nebenbei räumt sie mit ein paar Vorurteilen und dem einen oder anderem Irrglauben auf, gibt Tipps für das richtige Verhalten in manchen Situationen und wirbt vor allem um Verständnis dafür, dass hinter den Funktionsträgern mit hoheitlichen Aufgaben, die einem vielleicht auch mal eine unangenehme Lage bescheren, ganz normale Menschen stecken, die sehr viel wegstecken müssen, womit der normale Bürger hoffentlich nie in Kontakt kommt. Und hoffentlich gibt es unter diesen Menschen, die in Uniform oder in Zivil ihren Dienst versehen, mehr als eine Janine Binder.

  • Mit einer Polizistin auf Streife



    In 26 Geschichten gewährt Janine Binder dem Leser Einblick in den Polizeialltag. Die Berichte, die sie für dieses Buch aus ihrer bislang 13 jährigen Dienstzeit aufgeschrieben und ausgewählt hat, sind abwechslungsreich und verdeutlichen den Nichtpolizisten unter uns, wie unberechenbar die Arbeit von Polizisten ist. Man weiß nie was man zu sehen bekommt und kann sich oft nicht auf eventuelle Hilfsmaßnahmen vorbereiten, denn meistens kommt es anders als man denkt, und schnelles, konzentriertes Handeln entscheidet nicht selten über Leben und Tod - auf beiden Seiten.


    Über die einzelnen Geschichten möchte ich jetzt gar nichts verraten. Es ist von allem etwas dabei. Sehr gut hat mir hier die Aufteilung gefallen. Es wird traurig, emotional, bedrückend, aber bisweilen auch lustig (zumindest für den Leser).


    Man begleitet die Autorin von der Entscheidung an einem Eignungstest bei der Polizei teilzunehmen, wo alle noch nicht glauben konnten, dass sie den jemals besteht, bis heute, wo sie immer noch mit Freude und Begeisterung ihren Beruf ausübt.
    Natürlich wird auch über die weniger schönen Einsätze berichtet, die zum großen Teil dafür verantwortlich sind, das dieses Buch entstanden ist. Man kann diese Eindrücke einfach nicht immer mit sich rumschleppen und wenn man das schon alles mit nach Hause schleppt, ist es sicher eine gute Lösung für Geist und Seele, diese Eindrücke auf Buchseiten zu verbannen.


    „Seine Toten kann man sich nicht aussuchen“ veranschaulicht den Polizeialltag mit all seinen Höhen und Tiefen. Ein bewegendes Buch, das zum Nachdenken anregt, in dem die Geschichten nicht dezent verpackt sind, aber auch nicht reißerisch hoch gepuscht werden - eben menschlich.

  • Hallo Alle,


    normalerweise und eigentlich bin ich kein Fan von "mein Leben" und "meine Erafhrungen"- Bücher, dieses hier habe ich schlicht auch nur gelesen, weil die Autorin im gleichen Forum unterwegs ist, so "gehörte" es sich für mich, an dieser Leserunde teilzunehmen. Also zunächst eine kleine "Pflichtveranstaltung".


    Gelungen finde ich die Mischung dieses Buch: traurige und schaurige Polizeigeschichten, gefolgt von heiteren Passagen, immer wieder ein humorvoller Unterton, der mir gut gefallen hat......


    Ich bedanke mich ganz herzlich für die nette Leserunde, der Autorin danke ich ausserdem für die ausführlichen Antworten auf die entstandenen Fragen und die Kommentierung vieler Beiträge in den einzelnen Abschnitts-Threads, es hat mir viel Spass gemacht. So müssen Leserunden sein, perfekt ;-)


    Das Buch ist empfehlenswert, wenn man "der Polizei" mal über die Schultern schauen möchte und ich bin SEHR, sehr froh, dass sich Menschen finden, die diesen Job tun und wenn dann auch noch GERNE und mit "Herzblut", so wie es die Autorin zu tun scheint: Toll ;-)


    Grüsse
    Andrea

  • Seine Toten kann man sich nicht aussuchen


    Ich habe wie viele andere hier auch an der Leserunde zu dem Buch „Seine Toten kann man sich nicht aussuchen“ teilgenommen und ich muss zugeben, es war das erste dieser Art wo ich bisher gelesen habe.


    Ich habe dieses Buch in den vergangen Tagen gelesen und ich habe gelacht, habe mit dem Kopf geschüttelt und bei der einen oder anderen Geschichte war ich auch erschüttert, die Autorin hat es über das ganze Buch hinweg geschafft, das man sich fühlt als würde man direkt dabei sein, sie hat einem Dinge gezeigt die man so nicht sehen würde und Erfahrungen geteilt die man so im Leben normal wohl nicht erleben wollte. Dieses Buch bringt einen zum Nachdenken, es zeigt die Polizei aus einer ganz anderen und ungewohnten Sicht oder wie man es sagen könnte es zeigt die Menschen hinter den Buchstaben „Polizei“ die genauso Menschen sind mit Gefühlen und Ängsten. Man bekommt einen Eindruck was die Beamten Tag für Tag erleben und auch verkraften müssen.


    Janine Binder hat hier ein wirklich gutes Buch veröffentlicht und daher kann ich dieses nur empfehlen :-)

  • Auch ich möchte gerne vorne weg nehmen, das mir Bücher im Stil von Erfahrungsberichten und "Lebensbeichten" eigentlich nicht zusagen und einen großen Bogen um diese mache.
    Anders bei diesem hier. Ausschlaggebend war für mich allerdings nicht, dass die Autorin Mitglied dieses Forums ist, sondern ihre gelesene Geschichte beim Büchereulentreffen in Hannover. Und mit Lebensbeichte hat dieses Buch zum Glück nichts zu tun, wenn doch gleich mit Erfahrungsberichten.


    Aber von Anfang an:
    Mir gefiel schon das Vorwort zum Einstieg sehr gut, ich empfand es als sehr persönlich an jeden einzelnen Leser gerichtet. Nichts dergleichen von " Ich zeig dir die Welt und die Schurken und das Leid da draußen", nein, ich fühlte mich eingeladen über ihre Schulter zu schauen und sie während ihres Arbeitsalltag begleiten zu dürfen.
    Die Geschichten, die ich nun lesen durfte zeigten einen sehr facettenreichen Beruf, welcher seine tragischen Momente hat, aber auch erheiternde, welcher einen vielleicht manchmal wütend macht und man doch gleichzeitig professionell sein muss und diese Wut nicht zeigen darf. Welcher einen schockiert, man aber keine Zeit hat sich im ersten Moment sich damit auseinander zu setzen weil der nächste Einsatz wartet und keinen Aufschub duldet.
    Zumindest habe ich es so empfunden.
    Die Geschichte zeigten mir menschliche Abgründe, dramatische Situationen die mir nahe gingen, manche brachten mich auch richtig zum lachen. Eine sehr gelungene Auswahl in meinen Augen, welche vom persönlichen Werdegang der Autorin begleitet werden.
    Ich habe dieses Buch sehr gerne gelesen, es ließ mich betroffen, aber auch "erleuchtet" zurück - sehe ich doch jetzt mehr als nur eine laufende Uniform auf der Straße, nämlich den Menschen der darin steckt.


    Liebe Babyjane, danke für die Einblicke, die Du mir mit Deinem Buch gewährt hast. Ich würde mich freuen, in Zukunft weitere lesen zu dürfen.

  • Der Leser darf Janine Binder in diesem Buch über 13 Jahre bei der Polizei in NRW begleiten. Es beginnt mit ihrer Bewerbung und dann berichtet sie über die unterschiedlichsten Einsatzorte in ihrer Laufbahn.


    Da ich in Hannover schon in den Genuß von Lesungen gekommen bin, hatte ich immer ihre Person und ihre Stimme vor mir, das brachte eine gewisse Nähe.


    Ihr ist es gelungen, authentisch und für den Leser nachfühlbar ihren Alltag zu erzählen. Sehr oft schildert sie beeindruckend ehrlich ihre eigenen Gefühle dabei - das waren oft die Situationen, die mich schwer schlucken ließen. Es waren die Passagen, in denen es um Kinder und Jugendliche ging, die mir sehr zu schaffen machten. Unterbrochen wurden sie dann aber durch Erlebnisse, die mich schmunzeln ließen. Aber eines kommt überall zum Ausdruck, es ist ein Mensch - in diesem Fall die Polizistin Janine Binder - der handelt bzw. handeln muß. Vor allem ist es auch ein Mensch, der seinen Beruf liebt und nicht eintauschen würde.


    Nach Beendigung des Buches kann ich von meiner Seite nur sagen, ich sehe jetzt einiges anders in meinem Umgang mit den Uniformierten – manchmal verständnisvoller, manchmal lockerer.

  • Titel: Seine Toten kann man sich nicht aussuchen
    Autorin: Janine Binder
    Verlag: Piper
    Erschienen: November 2011
    Seitenzahl: 253
    ISBN-10: 3492273149
    ISBN-13: 978-3492273149
    Preis: 8.99 EUR


    Janine Binder wurde 1981 geboren und ist seit 1998 als Polizeibeamtin im Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen tätig. Wie sie selbst schreibt, versucht sie durch das Schreiben ihre dienstlichen Erlebnisse zu verarbeiten – und man kann eigentlich dankbar sein, dass sie diese Art der Verarbeitung gewählt hat, hätte sie etwas anderes gefunden um ihre Erlebnisse zu verarbeiten, dieses Buch wäre wohl nicht geschrieben worden bzw. wäre wohl so nicht geschrieben worden.


    Das Buch endet auf der Seite 252 mit dem Abschnitt „Feierabend“ – ich klappe das Buch zu versuche das Gelesene noch einmal Revue passieren zu lassen. Muss ich jetzt schnell in die Ordenskiste greifen und der Autorin für „großartiges Schreibwerk“ einen Orden verleihen oder soll ich den kritischen Gedanken, die sich immer mehr in den Vordergrund drängen, ein wenig mehr Raum geben? Ich denke, auch Kritisches sollte nicht verschwiegen werden – denn eine Lobeshymne zu schreiben hinter der man nicht voll steht, ist sicher nicht gewollt – wenigstens denke ich, dass die Autorin ein Recht auf eine ehrliche Meinung hat.


    Janine Binder hat ein sehr interessantes Buch geschrieben und gibt ihren Lesern einen Einblick in die tägliche Arbeit der Polizei in unserem Lande. Man kann wohl davon ausgehen, dass die Stadt Köln hier nur stellvertretend für die vielen Polizeistationen in Deutschland steht – die Arbeit wird wohl überall ähnlich sein.
    Aber dieses Buch ist nicht nur interessant, es ist ganz sicher auch nicht alltäglich. In diesem Buch wird über einen Berufsstand berichtet, der im Laufe der Zeit sehr viele Nackenschläge und Kritik hat einstecken müssen und wenn ich zurückdenke mit wie viel Respekt man einem Polizisten in meiner Kindheit (die schon sehr lange zurückliegt) gegenübertrat, so ist von diesem Respekt leider nicht mehr viel geblieben. Dabei haben die Frauen und Männer die diesen Beruf ausüben unseren Respekt verdient – man muss sie nicht auf einen Sockel stellen, aber man sollte ihre Arbeitsleistung anerkennen, so wie man auch die Arbeitsleistungen vieler anderer Berufe anerkennen sollte. Aber leider ist es in unserer Zeit Mode geworden, ganze Berufsstände zu diskreditieren (man denke da beispielsweise an Lehrer, Zahnärzte, Beamte im Allgemeinen, Soldaten).


    Highlight dieses Buches ist für mich ohne Frage die Geschichte „Ich hoffe, es geht dir besser, da, wo du jetzt bist“ – eine gefühlvoll erzählte Geschichte, ohne störende Sentimentalitäten und Weinerlichkeiten. Realistisch und zutiefst menschlich. Für mich ganz persönlich fast ein kleines Meisterwerk. Keine der anderen Geschichten wird in dieser fast schon unglaublichen Intensität erzählt. Vor der erzählerischen Leistung, jetzt bezogen auf diese Geschichte, kann man wirklich nur den Hut ziehen. Und auch nach mehrmaligen Lesen verliert diese Geschichte nicht ein Jota ihres ganz besonderen Flairs, ihrer ganz besonderen Atmosphäre.


    Nach dem Zuklappen des Buches, nach dem Lesen der Seite 252 bleibe ich trotzdem ein wenig zwiespältig zurück. Es sind die kleinen Störfeuer, die kleinen Störgeräusche die meinen Leseeindruck, der auf den ersten Blick durchaus positiv ist, etwas eintrüben.
    Es wird nicht leicht sein, dass zu erklären was mich stört.
    Aber den Versuch einer Erklärung will ich gern wagen.


    Das Buch vermittelt mir in seiner Gänze den Eindruck, es gebe zwei Arten von Menschen. Auf der einen Seite finden wir die Gutmenschen, die Polizeibeamtinnen und –beamten und auf der anderen Seite finden wir die Bürgerinnen und Bürger, die nur stören, die im Weg stehen, deren moralischen Werte völlig verschüttet sind und denen man immer wieder genau erzählen muss wie es denn im Leben so läuft.
    Und das ist was ich hasse ohne Ende – wenn jemand mir versucht das Leben bzw. mein Leben zu erklären. Jetzt – nachdem ich kurz vor Beginn meines siebten Lebensjahrzehnts stehe, habe ich absolut keine Lust mir von irgendeinem picklichen Jüngling erklären zu lassen wie die Dinge laufen und wie ich mich seiner Ansicht nach zu verhalten habe. Wenn ich zu schnell gefahren bin, dann kann er mich gern belehren und im Rahmen der rechtlich geltenden Vorschriften tätig werden – was ich mir aber verbitte ist, das mir irgendwelche Lebensweisheiten mit auf den Weg gegeben werden – an die sie bzw. er sich wahrscheinlich selbst nicht hält.
    Die Polizei ist keine Instanz zur Überwachung der moralischen Werte.
    Ich hasse diese moralisierenden Polizeibeamten (vorzugsweise finden wir diese in irgendwelchen Fernsehserien) oder diese jungen Richterbengel, die meinen, sie wüssten wie die Dinge laufen. Sie wissen gar nichts!
    Was ich sagen will ist – die Polizei in unserem Land ist die Ordnungsmacht, sie bestimmt aber eben nicht die kulturellen Wertmaßstäbe unserer Gesellschaft, die Polizei hat eine klar umrissene Aufgabe so wie beispielsweise die Schule auch. Diese Aufgaben sind gesetzlich geregelt und nicht von Gott gegeben.
    Leider hat sich bei mir der Eindruck im Laufe meiner Lektüre verfestigt: Hier auf der einen Seite eben, wie bereits erwähnt die Gutmenschen und auf der anderen Seite die Anderen, die Doofen, die, die so gar nichts vom Leben wissen, die Unwichtigen halt.


    Nichtdestotrotz hat Janine Binder ein lesenswertes Buch geschrieben und man darf gespannt sein wie es mit ihr „autorenmässig“ weitergeht. Sie schreibt klar, sie beschreibt präzise und schafft es eben auch mit Worten Bilder entstehen zu lassen.


    Was gibt es noch zu sagen?
    Auf der letzten Seite da wird dann einmal von den „schwarzen Schafen“ gesprochen. Aber schon im nächsten Satz wird dann schnell wieder relativiert. „Aber in der Hauptsache sind wir alle ganz in Ordnung…..“ ein Satz der so leider nicht unbedingt stimmt. Wer schon einmal in einer disziplinarrechtlichen Sache gegen den Korpsgeist der Polizei ermittelt hat, der weiß, wie ungeheuer schwierig das ist. Jahr für Jahr haben wir es mit einer ganzen Reihe von Disziplinarfällen zu tun – wobei natürlich nicht in jedem Fall ein tatsächliches Fehlverhalten einer Polizeibeamtin oder eines Polizeibeamten festgestellt wird.
    Ich hätte mir – gerade auch in diesem Buch – ein wenig mehr Selbstreflexion gewünscht, jetzt auch bezogen auf die Polizei in ihrer Gesamtheit.


    Das soll es jetzt ab auch gewesen sein.
    Ein durchaus lesenswertes Buch – wer die Gelegenheit hat es zu lesen, der sollte es lesen – man erfährt eine ganze Menge über unsere Polizei und den wirklich harten Job, den die Beamtinnen und Beamten Tag für Tag verrichten.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • [quote]Original von Voltaire
    [B]Titel: Seine Toten kann man sich nicht aussuchen
    Autorin: Janine Binder
    .


    Das Buch vermittelt mir in seiner Gänze den Eindruck, es gebe zwei Arten von Menschen. Auf der einen Seite finden wir die Gutmenschen, die Polizeibeamtinnen und –beamten und auf der anderen Seite finden wir die Bürgerinnen und Bürger, die nur stören, die im Weg stehen, deren moralischen Werte völlig verschüttet sind und denen man immer wieder genau erzählen muss wie es denn im Leben so läuft.
    quote]


    Das habe ich im Buch (ja, ich habe es gelesen) nicht vorgefunden.


    LG


  • Ob du irgendwo was vorgefunden hast - ist mir völlig egal. Ich äußere hier meine Meinung zu diesem Buch - nicht mehr und nicht weniger. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.