Seine Toten kann man sich nicht aussuchen- Janine Binder

  • So, nachdem ich das Buch ein paar Tage habe sacken lassen, hier nun auch meine Meinung.


    Mich hat das Buch sehr berührt, es hat bei mir viele unterschiedliche Gefühle wachgerufen, Wut, Ekel, Unverständnis, Trauer, aber auch Heiterkeit.
    Und es hat mir die Sicht auf den Menschen in der Uniform leichter gemacht.
    Habe ich früher beim Anblick eines Streifenwagens meinen Tacho geprüft, frage ich mich jetzt eher, wohin die Beamten wohl gerade unterwegs sind, und was sie da erwartet.


    Janine Binder hat es mit ihren Geschichten geschafft mich wirklich mitzunehmen und mich über ihre Schulter sehen zu lassen, während sie auf Streife geht.


    Davon gerne mehr.
    Für mich sicherlich mein Monatshighlight.

  • Im Vorwort erklärt Janine Binder aus welchen Gründen sie dieses Buch geschrieben hat, u. a. ist es für sie ihre Art mit den belastenden Aspekten ihres Berufes fertig zu werden und besonders aufwühlende "Fälle" zu verarbeiten. Den einzelnen Geschichten zwischengeschaltet sind einige Stationen ihres Werdeganges bei der Polizei, die zur Abrundung des Gesamtbildes beitragen.


    Dementsprechend war es naheliegend und zu erwarten, doch trotzdem überraschte es mich ein bisschen, dass das Buch und seine Geschichten so ungemein persönlich abgefasst sind. Einerseits machte gerade dieser Aspekt einen besonderen Reiz aus, andererseits hätte mir persönlich etwas weniger Subjektivität insgesamt besser gefallen.


    Mit diesem Buch habe ich mich etwas abseits meiner sonstigen Auswahl bewegt. Würde ich die Autorin nicht hier aus dem Forum kennen, hätte ich es sicher nicht gekauft. Ich habe diesen Ausflug jedoch nicht bereut und mit Interesse gelesen.

  • So und nun habe ich wieder Zeit und kann hier auch meine Rezi schreiben.


    Es wurde ja eigentlich schon alles erzählt. Vom Vorwort bis zur letzten Seite, hat mich dieses Buch begeistert. Wenn man Jane kennt dann ist es wirklich als würde sie einem das Buch gerade vorlesen. Ich hatte das Glück, in Hannover dabei zu sein, wo sie schon eine Geschichte vorgelesen hatte. Da war es so still im Raum, man hätte eine Stecknadel fallen hören. Dann haben die meisten doch schlucken müssen.


    Es sind Geschichten, die sie ja selbst erlebt hat und ich muss sagen, nicht einen Tag möchte ich mit Ihr tauschen. Das sind doch Geschichten für die man wirklich ein starkes Nervenkostüm haben muss.


    Ich wußte nicht, was Polizisten so alles erleben und sehe das nun mit Sicherheit anders. Wenn mich mal wieder eine Streife anhält um eine Führerschein Kontrolle durchführen zu wollen, werde ich sicher an Jane denken und freundlicher schauen als sonst.


    Ein Buch zum empfehlen und von mir 10 Punkte.

  • Ein sehr persönliches Buch, schon das Vorwort hat mich sehr berührt und als Leserin fühlte ich mich persönlich angesprochen.
    Die Kurzgeschichten könnten unterschiedlicher nicht sein, von einem Ekelgefühl, über Mitleid und Betroffenheit bis zu Belustigung und Komik ist alles vertreten. Nie ist eine Geschichte oberflächlich geschiildert, man merkt der Autorin ihren persönlichen Einsatz an, eine Polizistin die mit Leib und Seele in ihrem Beruf dabei ist.
    Ein äusserst gelungenes Debüt!


    10 Punkte :-)

  • Auch ich habe "Seine Toten kann man sich nicht aussuchen" in der Leserunde gelesen.
    Bei mir war viel Neugier dabei - ich kannte zwar einige von BJs Geschichten aus dem Forum hier, aber trotzdem war ich sehr neugierig auf weitere.
    Meine Neugier wurde belohnt:
    Schon das Vorwort hat mich überzeugt ( die nette Widmung kenne ich ja schon ;-) ) und die einzelnen Stories decken ein weites Umfeld aus dem Alltag einer Polizistin ab. Alles ist vorhanden: Tragik, Witz, Unglaubliches und Unerwartetes. Ich habe gegrinst und manchmal war mir nach Heulen. Das Leben ( und natürlich die Menschen ) ist sehr oft ungerecht und unverständlich.
    Für mich war schon nach wenigen Geschichten klar, dass der Beruf der Polizistin absolut nichts für mich wäre. Ich hätte da mit vielen Problemen zu kämpfen.
    Daher gilt mein Respekt BJ und ihren Kollegen.
    Denn ich habe aus jeder ihrer Geschichten sehr viel Menschliches herausgelesen - und das hat mich sehr gefreut.


    Dafür gibt es von mir 9 von 10 Punkten.

  • So, dann will ich auch mal meine Meinung sagen. :-]


    Ich hab mich sehr auf das Buch gefreut, weil ich das bisschen, was ich von BJ kannte, auch sehr mochte. Und das Buch hat mich nicht enttäuscht. Anders als von mir "befürchtet" waren da nicht nur schockierende, schwer verdauliche Stories (die Geschichte um Jon hab ich bereits beim Eulentreffen gehört und die erste Story las ich mal hier und ging davon aus, dass das Buch überwiegend aus solchen Erzählungen besteht), sondern auch erheiternde Berichte aus dem Polizei-Leben. Eine sehr gelungene Mischung, dazu noch etwas über Werdegang von BJ und den Alltag der Polizei.


    Mir hat diese Mischung, der rote Faden und BJs Schreibstil sehr gut gefallen. Ich wurde zum Teil unterhalten, zum Teil erschüttert und zum Teil zum Nachdenken gebracht, was mir auch sehr sehr gut gefallen hat. Auch das Vorwort war toll, ebenso das letzte Kapitel. Ein gelungener Einblick in die Arbeit der Polizei, abgerundet durch persönliche Worten der Autorin.


    Es waren aber auch paar Geschichten dabei, die ich etwas "langweilig" fand, die ich entweder kürzer gemacht hätte (zum Beispiel die Hatice-Story) oder die irgendwie noch ausbaufähig waren. Macht nichts, denn so kann sich ja BJ beim zweiten Buch steigern. :grin


    (Und dem Lektorat oder dem Verlag oder wer da schuld ist, würd ich für dieses "Eine Polizistin erzählt, wie es wirklich ist" eins auf den Deckel geben. Klingt einfach zu reißerisch und plakativ für mich.)


    Hier gibt es von mir 8 von 10 Punkten!

    With love in your eyes and a flame in your heart you're gonna find yourself some resolution.


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  • Zitat

    Original von Voltaire


    Ob du irgendwo was vorgefunden hast - ist mir völlig egal. Ich äußere hier meine Meinung zu diesem Buch - nicht mehr und nicht weniger. :wave


    Nanana, das tut doch hutzel20 auch. Und ich muss mich da anschließen - ich hatte nicht den Eindruck, dass die "Normalbürger" in BJs Buch sonderlich schlecht rüberkommen. Es ist ein Buch über die Arbeit der Polizei, die nun mal meistens bei Problemen handeln muss. Und dass da Menschen in der Regel auch "Problemfälle" sein können, ist doch logisch. Aber natürlich tauchen bei BJs Geschichten auch "gute Bürger" auf (spontan fallen mir da immer wieder die Eltern an, die sich durch Winken bedanken, nachdem der Geisterfahrer gestoppt wurde oder einfach nur Menschen, die eben aufgrund der Erkrankung "seltsam" handeln, aber nicht grundsätzlich schlecht sind).
    Natürlich darfst du einer anderen Meinung sein, das steht dir ja zu, aber mich würde interessieren, woran du das fest machst.

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  • Zitat

    Original von Gummibärchen


    Nanana, das tut doch hutzel20 auch. Und ich muss mich da anschließen - ich hatte nicht den Eindruck, dass die "Normalbürger" in BJs Buch sonderlich schlecht rüberkommen. Es ist ein Buch über die Arbeit der Polizei, die nun mal meistens bei Problemen handeln muss. Und dass da Menschen in der Regel auch "Problemfälle" sein können, ist doch logisch. Aber natürlich tauchen bei BJs Geschichten auch "gute Bürger" auf (spontan fallen mir da immer wieder die Eltern an, die sich durch Winken bedanken, nachdem der Geisterfahrer gestoppt wurde oder einfach nur Menschen, die eben aufgrund der Erkrankung "seltsam" handeln, aber nicht grundsätzlich schlecht sind).
    Natürlich darfst du einer anderen Meinung sein, das steht dir ja zu, aber mich würde interessieren, woran du das fest machst.


    Dieser Mensch hutzel20 sollte vielleicht eine vernünftige Rezi schreiben, als sich lediglich an irgendeinem Satz festbeißen.


    Woran ich meine Meinung festmache?
    Es ist ganz einfach der Gesamteindruck den ich habe - aber ich merke schon, dass man sich über dieses Buch nicht einmal ansatzweise negativ äußern darf - aber mir sind offengestanden, die Ansichten der anderen Leser ziemlich egal. Ich habe meine Ansicht - andere haben andere Ansichten. Und ich verlange ja auch keine Rechtfertigigung von den Lesern die eine andere Ansicht haben als ich, für deren Meinungen. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Mir hat das Buch auch sehr gut gefallen. Mich interessierten solche Erfahrungsberichte bisher nicht, aber BJs Buch hat mich natürlich interessiert :grin Ich habe nicht viel erwartet, da ich diese Art Bücher nicht kenne, aber ich wurde sehr überrascht. Man bekommt Einblicke in die tägliche Polizeiarbeit - und das in so vielen Bereichen - und ich habe noch mehr Respekt davor bekommen. Ich könnte diese Arbeit nie machen. Vor den Menschen ziehe ich meinen Hut.
    Was mir auch sehr gefallen hat, war BJs sehr erfrischende Schreibweise, mal ironisch, mal mitfühlend, mal frech. Das hat auch die schwächste Geschichte noch interessant und spannend gemacht. Die Geschichten fand ich gut ausgewählt und abwechslungsreich.


    Ich habe dieses Buch in 2 Tagen gelesen, und das mag schon was heißen!


    Ich gebe diesem Buch 10 Eulenpunkte und würde sogar sagen, dass es mein Monatshighlight wird.

  • Zitat

    Original von Voltaire
    Dieser Mensch hutzel20 sollte vielleicht eine vernünftige Rezi schreiben, als sich lediglich an irgendeinem Satz festbeißen.


    An einem Satz "festbeißen" ist vielleicht etwas übertrieben, aber gut, das lasse ich mal, ist vielleicht etwas zwischen euch, ist mir nicht wert, mich darüber zu unterhalten, was hutzel tut oder nicht. Ändert nichts daran, dass ich es ja auch anders sehe. Das ist genauso mein gutes Recht, lieber Voltaire, wie du dein Recht auf deine Meinung hast.


    Zitat

    Woran ich meine Meinung festmache?
    Es ist ganz einfach der Gesamteindruck den ich habe - aber ich merke schon, dass man sich über dieses Buch nicht einmal ansatzweise negativ äußern darf - aber mir sind offengestanden, die Ansichten der anderen Leser ziemlich egal. Ich habe meine Ansicht - andere haben andere Ansichten. Und ich verlange ja auch keine Rechtfertigigung von den Lesern die eine andere Ansicht haben als ich, für deren Meinungen. :wave


    Ich habe dich aus Neugier und Interesse gefragt, woran du deine Meinung festmachst und habe sogar mit Beispielen belegt, warum ich anders sehe. Du hast einen Gesamteindruck, den du nicht mal erklären kannst. Ok, musst du nicht, manche Sachen hat man im Gefühl, ist auch eine Erklärung. Mehr wollte ich gar nicht hören. Ich habe dieses Gefühl nicht, hab aber an keiner Stelle behauptet, dass du es nicht haben darfst. Es geht hier gar nicht um Rechtfertigung (die hab ich von dir überhaupt nicht verlangt), ich war an deiner Meinung bzw. daran, wie es dazu kommt, interessiert.
    Und dass dir Ansichten anderer Leser egal sind, zeugt ja vom Einigen, aber das wäre wieder ein anderes Thema. Und nein, ganz bestimmt hab ich nicht gesagt, dass man sich über Janes Buch nicht negativ äußern darf. Ich fand auch nicht alles super. Aber das ist natürlich das beste Argument, wenn jemand nicht unbedingt deiner Meinung ist, oder?


    (Eigentlich wollte ich mich jetzt entschuldigen, falls mein Beitrag etwas über die Stränge schlägt, aber wozu? Meine Meinung und meine Ansicht sind ja auch nicht wichtig in deiner Welt, oder? Naja..aber da es mir wichtig ist: Sorry für den verbalen Ausfall, aber du hast es nicht anders gewollt. :grin)

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  • Janine Binder bietet dem Leser in ihrem ersten eigenem Buch einen interessanten Einblick in den Polizeialltag.

    Das Buch ist gespickt mit vielen lustigen Anekdoten, aber auch nachdenkliche und traurige Texte findet man hier wieder.


    Dabei schafft es Janine Binder, dem Leser die Geschichte nicht nur zu erzählen.
    Sie nimmt den Leser regelrecht an die Hand, setzt ihn mit zu sich ins Auto und lässt ihn ihren Alltag hautnah miterleben.


    Viel zu schnell zieht der Dienst als Autobahnpolizistin, als Geisterfahrerstopper oder als Schafhirtin vorbei.
    Janine Binder bedient sich dabei keineswegs irgendwelchen Beschönigungen oder Überteibungen, sondern beschreibt alles autenthisch und glaubhaft.


    Obwohl sie den Beruf eigentlich nicht ergreifen wollte, hat sie nicht nur das Beste daraus gemacht, sondern geht regelrecht in ihm auf.
    Dass sie dabei das Schreiben gewählt hat, um mit den Situationen (guten wie schlechten) im Alltag abschließen zu können, kommt nun dem Leser zu Gute.


    Fazit: Eine einzigartige Lektüre, die nicht nur unterhält, sondern auch nachdenklich macht.
    Aber vor allem eins bewirkt: man bekommt Resepkt vor allen, die diesen Beruf gewählt haben und ausüben.


  • Schade, meine Einsätze mit Janine sind vorbei.
    Eigentlich bin ich kein (Kurz-)Geschichten-Mensch,
    von daher hätte ich dieses Buch nie gekauft.
    Aber es ist BJs Buch, und ihre Schreibe (Mittwochsgeschichten etc.)
    im Forum hat mir schon immer gefallen.


    Ich bin keine große Rezi-Schreiberin, von daher kurz und knapp:
    Gern gelesen, spannend, tragisch, lustig, frech, rotzig,
    beklemmend, an der Nase packend... alles war drin!


    8 von 10 Punkten von mir

  • Pft... die Mittwochsgeschichten, waren Frau Melkat immer zu lang und nu sind die Kurzgeschichten nicht so ihres, da soll mal einer schlau werden. :lache


    Ansonsten bin ich immer noch gerührt, was ihr alles aus meinem Geschreibsel rauserkennt und lest und gut findet und kritisiert. Entgegen Voltaires Anmerkung, ist Kritik nämlich durchaus erlaubt, ich finde eigentlich auch, daß ich durchaus den ein oder anderen Kritikpunkt zu hören bekommen habe... *notiert sich das alles und gelobt Besserung* :-]

  • eine Kollegin von mir hatte das Buch neulich wohl in einer Buchhandlung gesehen und mal reingeguckt (übrigens zufällig und ohne, dass ich vorher dafür Werbung gemacht hätte). Als ich von dem Buch erzählte meinte sie dann, sie hätte es schon in der Hand gehabt.
    Und ich weiß nicht genau, wo sie genau reinlas,, und ein kurzer Blick und ein paar Zeilen an der "falschen" Stelle können ja auch oft verzerrend wirken; aber sie hatte auch den Eindruck, den Voltaire hier anspricht.


    Es würde mich aber wirklich mal interessieren, woran man das genau festmacht. Vielleicht habe ich ja die Grundausrichtung (Eine Polizistin erzählt) und somit die Perspektive der Polizei, samt persönlicher Ansichten der Polizistin, einfach als gegeben hingenommen? Ich empfand zumindest diese Einstellung von Janine als normal und nicht störend. Und außerdem, wenn die Bürger alle so vernünftig und rational wären, gäbe es das Buch doch auch nicht. :lache

  • Ich schließe mich allen positiven Meinungen an, da ich jetzt nicht alles wiederholen möchte. Ein sehr gutes Buch, dass meine Meinung zur Polizei doch etwas revidiert hat. Ich freue mich schon aufs nächste!!!! :-]

  • Ich kann mich den positiven Meinungen hier eigentlich anschliessend.


    Es war interessant zu lesen wie der Polizeialltag so ist.
    Man las lustiges, trauriges und kam auch öfter zum nachdenken.


    Mir hat es Spass gemacht mit Janine auf Streife zu fahren. Öfter war ich froh das man durch die Bücher kein Geruch riechen kann. :lache


    Eine gelungene Lektüre für mich.


    9 von 10 Punkte von mir.

  • Ein Jahresausklangbuch, das es in sich hatte -


    nicht nur vieles, was ein Polizeialltag so bietet - auch vieles, was das Leben bietet. Mir hat es Spaß gemacht mit im Auto zu sitzen, ich habe bei der StoppFahrt des Geisterfahrers mitgebibbert - und bei diversen 'Hausbesuchen' war ich auch froh, dass es nur Buchstaben und damit ein wenig Distanz da waren, und nicht noch die hautnahe Erfahrung selbst, obwohl die Buchstaben sie vermittelten.


    Mir hat der Querschnitt gefallen, die Schreibe von Janine Binder sowieso, sonst hätte ich ein Buch mit 'Geschichten' nicht mal angefasst.


    Dass Polizisten Menschen sind, weiß ich, weil mein Ex-SchwippSchwager auch bei der Kripo ist, und die Gespräche, die ich da im Ansatz manchmal aufgeschnappt habe, das auch durchblicken lassen haben.


    So ein packendes Ende hatte bisher nicht jedes Lesejahr :-]


    :wow

    Binchen
    :write
    Kein Lesen ist der Mühe wert, wenn es nicht unterhält. (William Somerset Maugham) ;-)

  • Die Informationen innerhalb der Spoilermarkierungen kann man mitlesen, muss es aber nicht tun. Sie enthalten keinen Geheimnisverrat, sondern lediglich weitere Informationen zu Personen und Handlungsverlauf.


    *****


    Janine Binder: Seine Toten kann man sich nicht aussuchen. Eine Polizistin erzählt, München 2011, Piper Verlag, ISBN 978-3-492-27314-5, 253 Seiten, Softcover, Format: 12 x 19 x 2 cm, EUR 8,99 (D), EUR 9,30 (A).


    „… machen Sie sich selbst ein Bild von meinem Traumberuf und schieben Sie mit mir und meinen Kollegen Dienst. Erleben Sie ein paar Einsätze, schauen Sie sich an, wie es ist, Streife zu fahren. Vielleicht sehen Sie dann in Zukunft einen Streifenwagen, der an Ihnen vorbeifährt, mit anderen Augen“ (Seite 11)


    Als ich vor ein paar Jahren einige Geschichten der Polizeibeamtin Janine Binder hier im Forum entdeckte, war meine spontane Reaktion: „Wow! Gibt’s das auch als Buch?“ Damals hat man mich noch an die Kurzgeschichtensammlungen der „Polizeipoeten“ verwiesen, in denen die Autorin einzelne Beiträge veröffentlicht hat. Aber es war nur eine Frage der Zeit, bis jemand auf die Idee kommen würde, exklusiv ihre Geschichten in einem Buch zu veröffentlichen. Hier ist es nun!


    Erst 16 Jahre ist Janine Binder alt, als sie sich bei der Polizei bewirbt. Sie hat noch andere Optionen. Doch als der Einstellungsbeamte sich herablassend über die 1,58 m kleine, zierliche junge Frau äußert und ihrer Mutter ins Gesicht sagt: „(…) das schafft das Mädchen sowieso nicht!“ (Seite 28), ist ihr Ehrgeiz geweckt. Diesem Dummschwätzer wird sie’s zeigen! Und so wird sie Polizistin.



    Nach ihrer Ausbildung kommt sie zur Autobahnpolizei Köln. Langweilig stellt sie sich diese Arbeit vor, und ahnt nicht, wie sehr sie sich damit täuscht. Gleich einer der ersten Einsätze beschert ihr einen Unfall mit verbrannten Leichen und einem geschockten Kind, das bei dem Unglück seine Angehörigen verloren hat. – Als sie einen Geisterfahrer stoppen muss, legt sie einen filmreifen, hoch riskanten Stunt hin. – Und das „tote Wildschwein“ auf der Fahrbahn entpuppt sich als Brückenspringer, der von einem LKW überfahren wurde. „Der Leichenwagen ist angekommen. Mit einer Schaufel tragen die Bestatter die Leichenteile zusammen“. (Seite 59). Da hat ihr der Autofahrer, der sie ampampt, weil’s nicht weitergeht, gerade noch gefehlt! – Ans Eingemachte geht’s, als ein „internistischer Notfall auf der A 4“ gemeldet wird und Janine die durchgegebene Autonummer als die des LKWs ihres Vaters erkennt. Im Tiefflug brettert sie an den Ort des Geschehens …


    Es gibt immer wieder Ereignisse, die ihr trotz professioneller Distanz an die Nieren gehen. Da ist der Fall einer schwer verletzten, stark alkoholisierten Frau, die sie in ihrer Wohnung vorfinden. Auch ein fast verdursteter Hund ist dort. Aber wo ist das Kind? Als Janine das Schlafzimmer betritt, bleibt ihr beinahe das Herz stehen …



    Nach sechseinhalb Jahren bei der Autobahnpolizei fährt Janine Streife im sozialen Brennpunkt Köln-Chorweiler, wo sie es häufig mit jugendlichen Kleinkriminellen zu tun bekommt. Eine Sisiphusarbeit! Selbst wenn die Jungs erwischt werden und in den Knast wandern, werden sie nichts Sinnvolles daraus lernen. Nicht einmal ein paar kreative neue Schimpfwörter.


    Manche Einsätze sind skurril: Wenn durchgeknallte, gelangweilte, einsame oder psychisch erkrankte Personen den Notruf missbrauchen … wenn man so tun muss, als teile man die Wahnvorstellungen eines Psychotikers, um ihn in die Psychiatrie einliefern zu können. Oder wenn man vor der Herausforderung steht, 400 Schafe von der Autobahn zu entfernen. Einzeln wegtragen kann man sie nicht und der Schäfer ist nicht greifbar. Da hat Funker Tim eine Idee, die sich bescheuert anhört …


    Anderes ist schlichtweg eklig. Um die komplette Durchsuchung einer Person inklusive Inspektion aller Körperöffnungen reißt sich kein Polizist. Wenn man Janine Binders anschauliche Fallbeispiele gelesen hat, weiß man auch, warum. Und da war noch der Fall, bei dem Janine und Kollege Uwe mitten im Hochsommer zu einer Wohnung in Köln-Kalk gerufen werden, in der ein Toter liegt. Und der liegt da unüberriechbar schon länger. Die eintreffenden Bestatter kommentieren den Leichenfund mit dem ihnen eigenen Humor: „Scheint, als wärt ihr Kandidaten für das Prädikat ‚Ekligste Leiche des Sommers.‘“ (Seite 111). Nur gut, das Janine mit sowas kein Problem hat. Aber auch sie hat eine Schwachstelle …


    Das Grausen und Fürchten aus sicherer Distanz heraus ist sicher ein Grund dafür, dass die „Wir-begleiten-die-Ordnungshüter-bei-der-Arbeit“-Geschichten beim Publikum so gut ankommen. Die Fernsehserie „COPS“ ist eines der langlebigsten TV-Formate im amerikanischen Fernsehen. Wir haben die Reihe vor 20 Jahren schon mit Begeisterung verfolgt. In Deutschland läuft in der x-ten Wiederholung „Mein Revier“, „Achtung, Kontrolle“ und „Schneller als die Polizei erlaubt“. Man konsumiert die Episoden mit einem gewissen Voyeurismus, als Kurzkrimis, bei denen die Bösen am Schluss ihr Fett wegkriegen, und mit ein bisschen Schadenfreude, weil sich die Rechtsübertreter manchmal gar so blöd anstellen. Tiefer gehen die Fernsehserien nicht. Was der Job mit der Polizei & Co. macht, ist dort nicht das Thema.


    Natürlich sind Janine Binders Kurzgeschichten auch so eine Art „Minikrimis für Ungeduldige“, aber sie gehen deutlich weiter. Sie machen uns deutlich, was in den Polizisten bei den Einsätzen vorgeht. Ihre Texte wurden ja auch nicht geschrieben, um die Neugier der Leser zu befriedigen, sondern um das Erlebte zu verarbeiten. „Meine Gedanken werden dann zu einer Geschichte, die mich nicht mehr bedrücken, mir keine Angst mehr machen und nur noch selten traurig stimmen kann“, erklärt die Autorin (Seite 10). Dass ein Buch daraus wurde, ist eher ein erfreulicher Nebeneffekt.


    „Vielleicht haben Sie jetzt ein bisschen mehr Verständnis für die Polizistin, die schlecht gelaunt Ihre Anzeige aufnimmt, weil sie gedanklich noch bei der Kinderleiche ist, die sie eben gefunden hat“, schreibt Janine Binder in ihrem letzten Beitrag (Seite 252). Ja. Theoretisch ist uns so einiges klar geworden, nachdem wir die Polizeibeamtin durch ihren Arbeitsalltag begleitet haben. Wenn wir aber in der Praxis die Hilfe der Polizei brauchen, werden wir wohl trotzdem ein Bürger im psychischen Ausnahmezustand sein und uns vermutlich genauso irrational aufführen wie die meisten Menschen, mit denen Janine und ihre Kollegen beruflich zu tun haben.


    Dass die Polizisten all das auch nicht so einfach wegstecken, wissen wir jetzt. Dass die ständigen Begegnungen mit Menschen in Extremsituationen Einfluss auf ihr generelles Menschenbild haben könnten, ahnen wir. Verübeln könnten wir es ihnen nicht.


    Die Autorin
    Janine Binder, geboren 1981, ist seit 1998 als Polizisten im Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen. Nach Stationen bei der Autobahnpolizei und im sozialen Brennpunkt Köln-Chorweiler ist die Polizeikommissarin seit dem Abschluss ihres Studiums in Köln-Porz unterwegs. Da der Dienst nicht immer nur schöne Seiten hat, hat sie zur Verarbeitung der weniger schönen Dinge das Schreiben für sich entdeckt.

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner

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