Hilfe, Draper hat ein Frauenbuch gelesen, mit rosa Buchrücken und hellblauem Cover. Ein Roman, von dem mir der Klappentext verspricht: „Eine superwitzige Geschichte, in der sich so manche Frau wiedererkennen wird, ob sie will oder nicht.“
Aber wenn doch „Leósdóttir“ draufsteht.
OK, ich hab's getan, und so schlimm war's dann gar nicht.
Nína ist fast vierzig, Mutter einer 20jährigen Tochter und eines kleinen Mädchens mit Down-Syndrom. Außerdem arbeitet sie als Untertitelsklave fürs Fernsehen und muss auch noch ihrem Mann, einem Pfarrer, den Rücken freihalten. Damit ist Frau eigentlich vollauf beschäftigt, zusätzlich aber fühlt sie sich auch noch dazu berufen, für das Wohlergehen ihrer gesamten näheren Umgebung zu sorgen.
Als ihre Mutter stirbt, ist das zunächst einmal ihr Vater. Doch der trauernde Witwer trauert nicht lang, sondern bändelt innerhalb kürzester Zeit mit der Angestellten des Beerdigungsinstituts an, was zu heftigsten Differenzen innerhalb der Familie führt, denn ihre Schwester, egozentrische Schauspielerin und Drama-Queen, bricht daraufhin jeglichen Kontakt zum Vater ab. Und Nína hat nun auch noch damit zu tun, die Familie zu kitten.
Ich kenne mich im Genre nicht aus, tippe aber mal, dass dieses Buch alles enthält, was so einen Frauenroman ausmacht: Eine Frau, die, allerdings auf sehr amüsante Art, mit Alter und Figur hadert, die alltägliche Katastrophen mit einer spätpubertären Tochter und einem behinderten Kind meistert und dazu auch noch finanzielle Sorgen hat: das kommt wage bekannt vor.
Das dreht manchmal ein wenig ab, bleibt aber im Großen und Ganzen angenehm bodenständig. Und auch wenn ich mich in Nína kaum wiedererkannt habe, ist es umso erstaunlicher, dass sie mir, trotz Putzfimmel, Helfersyndrom und ihrem Wunsch nach einem Jeep, durchaus sympathisch war. Witzig ist dieser Roman allemal, sprachlich sehr ansprechend (Lob an Tina Flecken, die Übersetzerin) und auch nicht ganz so flach, wie die Optik vermuten ließe. Klare Empfehlung an Liebhaberinnen des Genres.
Jónina Leósdóttir (geb. 1954) machte ihr B.A.-Examen in Englisch und Literaturwissenschaften an der Universität Islands. Darüber hinaus studierte sie an der University of Essex in Großbritannien. Sie arbeitete als Journalistin und schrieb Biographien, Theaterstücke und Romane. Sie ist in zweiter Ehe mit der ehemaligen isländischen Ministerpräsidentin Jóhanna Sigur ardóttir verheiratet.
Was edit noch anmerken wollte: Die Protagonisten heißen Nina, Gregor, Agnes usw. Ist also auch für Leute, die sich sonst von den isländischen Namen abschrecken lassen, geeignet.