Los Angeles in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts. Tiefe Gräben verlaufen zwischen den Ethnien. Die öffentliche Infrastruktur, Schulen, Kanalisation, Parks, liegt darnieder, während die Enklaven der weißen Mittelschicht eingezäunt, aufgerüstet, überwacht werden. Drogengangs beherrschen die Straßen der Ghettos und die Gefängnisse sind überfüllt, während eine armeemäßig hochgerüstete Polizei Krieg gegen die eigene, arme Bevölkerung führt.
Ein düsteres Bild dieser vermeintlich so sonnigen Metropole zeichnet Davis in dieser Sozialgeschichte LA's. Von den Anfängen der Stadt schildert er die räumliche, politische und kulturelle Entwicklung und macht dabei deutlich: Rassismus und ein ungebremster Kapitalismus sind die Triebfedern dieser Entwicklung.
Rassismus, der weiße Eigenheimbesitzer vehement gegen eine farbige Nachbarschaft protestieren lässt, da sie um den Wert ihrer Häuschen fürchten. Der zu brutalen Ausschreitungen der Polizei gegen Schwarze und Latinos führt und eine Rüstungsspirale der LAPD begründet. Der zu einer immer weiter fortschreitenden Einhegung auch des öffentlichen Raumes führt, um missliebige Personen auszusperren.
Auf der anderen Seite die politischen und gesellschaftlichen Eliten, die durch Bodenspekulation und Öl unermesslichen Reichtum anhäufen. Auf- und Niedergang bestimmter Stadtteile sind weitestgehend von Kapitalinteressen bestimmt, und Stadtentwicklungspläne, so es sie denn gibt, werden vom großen Geld diktiert. Erfolg oder Misserfolg eines Wahlkampfes scheint ausschließlich von der Menge des investierten Geldes abzuhängen und selbst die berühmte LA Times ist im Grunde nichts anderes als die Hauspostille der Mächtigen:
Zugegeben, Davis vertritt in diesem Buch eindeutig linke Positionen. Aber dennoch versucht er, allen Seiten gerecht zu werden. Zwar beklagt er den Ausverkauf der Stadt an ostasiatische Investoren, bemerkt aber gleichzeitig den alltäglichen Rassismus gegen die koreanische und chinesische Bevölkerung. Er erkennt durchaus die jahrzehntelange Diskriminierung der Schwarzen an, bemerkt aber auch, dass die wachsende schwarze Mittelschicht die erfahrenen Ungerechtigkeiten an das wachsenden Heer armer Mittelamerikaner weitergibt. Und er zeigt zwar Verständnis für die Angst der Weißen vor der schwarzen Unterschicht, prangert aber gleichzeitig deren platz-, ressourcen- und energiefressendes Vorstadtidyll an.
Manchmal aber dachte ich bei der Lektüre: das hier schreibt ein empörter Linker, so schlimm kann das alles doch gar nicht sein. Doch lief mir just ein Artikel aus der „Zeit“ über den Weg, in dem die Autorin darüber berichtete, wie sie sich einen lang gehegten Traum erfüllte und nach Los Angeles zog. Diese erklärte Freundin Amerikas schildert ihren Aufenthalt und ich komme zu dem Schluss: Davis hat mit seinen düsteren Prophezeiungen für diese Stadt recht gehabt, vielleicht ist es sogar schlimmer gekommen, als er sich das damals vorstellen konnte.
Das Buch erschien in Amerika 1991, kurz vor den Rassenunruhen von 1992. Deshalb wurden in die deutsche Ausgabe noch einige Aufsätze, die Davis nach den Rassenunruhen geschrieben hat, aufgenommen. Leider fiel deshalb das letzte Kapitel der Originalausgabe aus Platzgründen weg.
Mike Davis analysiert das Wesen dieser Stadt unglaublich kenntnis- und detailreich, wovon auch ein umfangreicher Quellennachweis zeugt, was aber an einigen Stellen leider dazu führte, dass ich den roten Faden verlor. Wer von amerikanischer Kommunalpolitik keine Ahnung hat, wird über die vielen Abkürzungen von Ämtern, Initiativen und Gesetzen stolpern. Viele Andeutungen blieben mir schleierhaft und öfters geriet ich mit den vielen, vielen Personen, die Davis ins Feld führt, durcheinander. Und manchmal waren es einfach die Grenzen meiner Allgemeinbildung, die dazu führten, dass ich nicht so genau wusste, was er jetzt schon wieder meinte. Erstaunlicherweise aber war dieses Buch dennoch ausgesprochen spannend zu lesen, verständlich argumentiert und sehr, sehr lehrreich.
Nur einige formale Kritikpunkte hätte ich noch. Denn dieses Buch wurde zwar sicherlich mit Herzblut, aber leider etwas schludrig auf deutsch herausgebracht. Rechtschreib- und Übersetzungsfehler sind relativ häufig, Kapitelnummerierung und Fußnoten gingen ganz verloren.
Es gibt zwar ein Glossar, aber das ist deutlich zu kurz gehalten, viele englische Begriffe und Abkürzungen werden da gar nicht erwähnt. Für Ortsfremde wie mich wäre außerdem ein Stadtplan hilfreich gewesen.