Klappentext:
Wenn der beste Freund "Tante Matthes" hieß, die Vermieterin Oma Wittrich einen für ihren verschollenen Sohn hielt und man in einer WG für geistig behinderte Erwachsene arbeitete- dann war Zivildienstzeit.
Über den Autor:
Christian Bartel wurde 1975 in Bonn geboren, wo er bis heute lebt. Er interessiert sich für Komik und Verzweiflung und schreibt ernsthaft komische Geschichten. Er ist Mitglied der Lesebühnen "Der Kleingeist" in Bonn und "Rock'n'Read" in Köln, 2005 wurde er Vize-Meister der Poetry-Slam-Meisterschaft des deutschsprachigen Raumes, außerdem schreibt er regelmäßig Satiren für die "Wahrheit"-Seite der "taz" und ist Mitherausgeber der Anthologie "Götter, Gurus und Gestörte" und des Magazins für komische Literatur "Exot". Sein erster Erzählungsband heißt "Seit ich Tier bin" und erschien im Herbst 2008.
Inhalt:
Das Abi ist in der Tasche (außer das von "Tante Matthes", der hat abgebrochen) und es wird im Trabbi zur Zeugnisverleihung gefahren. Drin sitzen: Das Dreiergespann, bestehend aus dem Ich-Erzähler, Tante Matthes und Bernd und außerdem die schöne Rieke. Alle drei haben sich versprochen, auf LSD zu dieser Veranstaltung zu gehen, eine der vielen vielen Schnapsideen, die das Buch bevölkern, aber das erwartete Desaster bleibt aus-zum Glück.
Davon kommen ja auch noch genug, wie zum Beispiel, als sich der Protagonist sowie Nebenbuhler Steffen um einen Kibbuz-Platz bewerben (Rieke fährt nämlich nach Israel) und die Beiden letztendlich auf einer schwankenden Boje im stinkenden Fluss landen.
Ansonsten wird auf Reggaekonzerte gegangen, als Aktmodell gearbeitet und bei einer Scrabble-süchtigen, schon etwas verwirrten aber sehr resoluten alten Dame gewohnt.
Da trifft der Erzähler auf einem Konzert Sarah- und Rieke ist vergessen (die hat nämlich beide Verehrer in den Wind geschossen). Sarah hat einen Autisten namens Georg-Friedrich dabei und arbeitet in einer Behindertenschule. Das bringt ihn auf die Idee, Zivildienst zu machen, freilich nicht aus Helfersyndrom- oder Pazifismusgründen sondern wohl eher, um Sarah wiederzufinden. Trotzdem schlittert er dabei in die beste Zeit seines Lebens, was er vermutlich nicht erwartet, als er vor der Tür des Behindertenwohnheims steht und von einem gewissen "Käpt'n Horsti" im Namen der Bundesregierung empfangen wird.
Außerdem muss sich der "Neu-Zivi" erstmal behaupten, was besonders gut und gerne beim Minigolfspielen ausgetestet wird. Das funktioniert wiefolgt:
"Minigolfspielen gilt im Behindertenbusiness als Feuerprobe für Neulinge. Es dauert endlos lange und die Regeln sind genauso kompliziert wie bei Cricket: Der Ball darf entweder mit dem Schläger, dem Fuß, der Hand oder irgendeinem anderen eigenen oder fremden Körperteil gespielt werden, außerdem kann er gestreichelt sowie in die Tasche gesteckt werden. Ziel des Spiels ist es, den Ball in möglichst unwegsames Gelände zu spielen, wo er vom neuen Zivi gesucht werden muss, während die festangestellten Betreuer Kaffee trinken. [...]
Wer den Ball als Erster unwiederbringlich im Gulli versenkt hat, gewinnt die Partie, bekommt aber danach kein Eis, weil der Mann im Büdchen das Pfandgeld nicht wieder rausrückt. Trotzdem macht es irrsinnigen Spaß, aber das kann man nicht erklären, man muss es erlebt haben."
meine Meinung:
Der letzte Satz ist Programm. Es ist schwer, dieses Buch in eine Rezi zu sperren, denn diese Komik, dieses Nach-Abi-Lebensgefühl muss man entweder gerade selbst durchmachen, oder, liebe Herrschaften, in diesem Buch nachlesen und nacherleben!
Ich hätte diese Phase nicht treffender beschreiben können und obwohl die Arbeit im Behindertenheim extrem witzig dargestellt wird, spürt man den Respekt und die Zuneigung, die sowohl Autor als auch Hauptfigur zu den Behinderten haben.
Die Charaktere sind extrem abgedreht, und Mancheiner möge sie für unrealistisch halten, doch wer Christian Bartel die Figuren nicht abnimmt, möge sich bei mir melden, ich kenn solche
Außerdem verfügt der Autor über eine Beobachtungsgabe, die seine "Milieustudien" (wie beispielsweise beim Reggaekonzert) extrem echt, aber trotzdem total ulkig machen. So beobachtet er diese Abiturienten und Szenegänger, Grünschnäbel und fast-Erwachsene, Rastas und Nachmacher, die sich selbst für total wichtig halten, und macht sich ein kleines Bisschen darüber lustig. Aber das haben die auch mal nötig, die Abiturienten.
Ein Buch voller Träume, Liebe, Tragik und viel Humor über die, die fast groß sind, aber noch nicht so recht wissen, was sie mit sich anfangen sollen.
unbedingt lesen!
liebe Grüße,
Pause