Nun, im Gegensatz zu anderen ist Kai hier nicht mit Eigenwerbung oder getürkten Rezensionen zum eigenen Buch aufgeschlagen, sondern hat in der Autorenecke einige Tipps veröffentlicht, über die man zumindest nachdenken und diskutieren kann. Da ich nicht ganz unschuldig an seinem Hiersein bin, möchte ich ein wenig um Nachsicht ob der fehlenden Vorstellung usw. bitten.
Zur Ausgangsfrage und insbesondere zu BJs Antwort: Es genügt oft eben nicht, "einfach ein gutes Buch zu schreiben". Der Buchmarkt stagniert, verblüffenderweise scheint es derzeit vor allem Taschenbücher zu erwischen, wie mein Agent gestern ausführte, wohingegen der herbeigeredete und energisch beschworene eBook-Boom vorläufig nahezu komplett ausbleibt. Wer als Autor nicht das Glück hat, im jeweiligen Programm (Frühjahr/Herbst) den Spitzentitel zu stellen, erlebt bei fast allen Verlagen - also nicht nur bei sehr kleinen - das fast völlige Ausbleiben von verlagsseitiger Werbung, abgesehen von der obligaten Pressestreuung. Wer sowieso bei einem kleineren Verlag ist, kann selbst als Spitzentitel/-autor (ein Begriff, der in diesem Bereich beinahe keine Bedeutung hat) kaum auf noch so marginales Marketing hoffen - kleine Verlage verfügen einfach nicht über entsprechende Möglichkeiten. Die Presse beschränkt sich in ihrer Wahrnehmung ohnehin fast ausschließlich auf den Hardcover-Bereich; mit Taschenbuch-Erstveröffentlichungen landet man mit etwas Glück oder wenn man schon etabliert ist kurze und inhaltsarme "Buchtipps" in Frauenmagazinen (immerhin sind Frauen die besseren Buchkäufer). Wer mit einer TB-Erstveröffentlichung gute Presse bekommt, sollte auch Lottoscheine ausfüllen. Aber selbst gute Presse, so sie nicht mit hohen Auflagenzahlen des jeweiligen Mediums verbunden ist, hat heutzutage kaum noch Wirkung. Immerhin macht sich das gut auf der Website, im Blog oder bei Facebook.
Ähnliches gilt aber leider auch für die sonstigen aufgeführten Maßnahmen. Lesungen von unbekannten Autoren können für dieselben äußerst frustrierend sein, und meistens sind sie das auch. Erheblicher Organisationsaufwand generiert dann 10 Gäste, von denen man 8 persönlich kennt, und selbst wenn die Hälfte - aus Mitleid - Bücher kauft, hat man ganze fünfzig Euro Umsatz gemacht, bei tagelangem Aufwand - und man hat nicht einmal Spaß gehabt. Ähnliches gilt für das Klinkenputzen bei lokaler Presse und Buchhandlungen. Viel Aufwand mit äußerst geringer Streuungswirkung. Es kommt aber auch darauf an, welche Ziele man mit dem "Guerilla-Marketing" (der Begriff ist eigentlich falsch, weil es inzwischen alle versuchen) verfolgt. Bestsellerlistenplätze oder wenigstens nennenswerte Verkaufszahlen (also irgendwas Fünfstelliges) wird man so niemals erreichen. Die sehr wenigen Ausnahmen (Nele Neuhaus, Sebastian Fitzek, Kerstin Gier, seinerzeit Matthias Praxenthaler) bestätigen diese Regel nur. Es gibt einfach irre viele Bücher und immer noch mehr Autoren, und alle wollen verkaufen bzw. verkauft werden. Die ganzen Horden von BoD-, DKZ- und Selbstverlagsautoren, die ganzen eBooker, die bei Amazon die Server verstopfen, aber nicht gekauft werden. Die Autoren bei kleinen und kleinsten Verlagen, bei denen schon im Verlagsvertrag steht, dass im Bereich Marketing ihre "Initiative" gefragt ist, was schlicht bedeutet, dass der Verlag keine Werbung machen wird und kann.
Wenn ein gutes Buch auch wahrgenommen wird bzw. wahrgenommen werden kann (i.d.R. durch flächendeckende (!) Präsenz im Buchhandel), wird es sehr wahrscheinlich seinen Weg machen. Buchhändler und Buchkäufer sind Multiplikatoren, aber auch Leute wie die Büchereulen, Literatur-Blogger usw. Auf einen Text in der lokalen Tageszeitung hin kaufen äußerst wenige Menschen Bücher. Selbst fette Presse ist nicht immer ein Verkaufszahlenvervielfacher. Bücher und Autoren müssen sich rumsprechen, wenn sie nicht auf multimediales Marketing zurückgreifen können, was für die meisten gilt. Der Weg ist mühselig und keiner, der in zwei, drei Monaten zu bewältigen ist. Die Querverweis- und Sammlungsfunktionen der Online-Buchhändler sind Aufmerksamkeitserreger. Ansonsten wissen selbst die Strategen in den großen Verlagen nicht, warum Autoren plötzlich erfolgreich sind und andere nicht. Nicht immer liegt es an den Büchern.
Was ich sagen will. Man kann vieles tun und sich das dadurch schönreden, dass wenigstens irgendwas getan wurde, aber erfolgreiche Maßnahmen sind rar, oft schon vielfach besetzt und im echten Erfolgsfall eine Ausnahme. Autoren müssen beharrlich sein, was nicht selten bedeutet, dass man bis zum dritten, vierten, fünften Buch auf einen kleinen Erfolg warten muss. Kleckermarketing mag sich irgendwann zu einem Achtungserfolg summieren, kostet aber irre viel Zeit (viel mehr, als man für ein weiteres Buch bräuchte), außerdem Geld, ist meistens mit entwürdigenden Prozessen verbunden und unterm Strich nicht mehr als Gewissensberuhigung. Es ist die Aufgabe der Verlage, Bücher zu verkaufen - darum geht man zu einem Verlag. Wenn das nicht gelingt, mag es auch so sein, dass das Buch eben doch nicht so gut ist, wie man glaubt.