• @bo
    zu Heinrich George
    daß die sowjetischen Lager nicht besser waren, klar.
    Daß die Leute dort an ähnlichen Haftbedingungen straben, wie unter den Nazis, klar. Daß das nicht richtig ist, moralisch, menschlich, juristisch, klar.
    Das Problem war halt, wie geht man mit festgesetzten Nazis um? Heinrich George war eben ein 'staatstragender' Schauspieler. Es gab genug Kollegen und Kolleginnen von ihm, die im Widerstand waren oder still und heimlich geholfen haben oder wenigstens die Klappe gehalten. Keiner MUSSTE Staatschauspieler werden. Es sind Entscheidungen, die kleinen Dinge, die es letztlich ausmachen. Deswegen war er nicht das Böse persönlich. Er unterstütze bloß ein fragwürdiges System.
    Es ist schlimm, daß solche Dinge passieren.
    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von bogart
    war ja nur als beispiel gedacht!


    rühmann machte auch mit - aber er hatte glück!


    bo :-)


    Ja, hatte ich durchaus so verstanden.
    Rühmann ist so ein Fall, an dem man bildschön die Probleme und den damaligen Alltag illustrieren kann. Seine erste Frau war Jüdin. Die Ehe war nicht besonders, aus Gründen, die nichts mit den Nazis zu tun hatten. Die zwei haben sich halt nimmer verstanden. Und nun kam es so, daß sich Rühmann eben in einer Zeit, in der andere jede Fliege an der Wand als Vorwand nahmen, um sich vom nicht - artgerechten Ehegespons scheiden zu lassen, die Scheidung zunächst vermeid. Es ging dann doch nicht, die Nazis und die persönlichen Gründen kamen zusammen, es folgte die Scheidung. Aber er finanzierte seiner ehemaligen Frau die Ausreise nach Schweden.
    Ja, er hat Propagandaflüge für die Nazis gemacht. Wo fängt die Schuld an?
    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von bogart
    wie man an der 68er-bewegung erkennen konnte, wurde in der richtung offenbar nicht viel aufklärung betrieben (steinigt mich bitte nicht, wenn ich was falsches sage: das ist nur mein eindruck als außenstehender).


    Es ist richtig, daß nach den Entnazifizierungsansätzen der Westmächte zbei Kriegsende über lange Zeit kaum Vergangenheitsbewältigung stattfand. In den ersten Jahrzehnten nach dem 2. Weltkrieg saßen mehr Altnazis auf Richterstühlen und anderen hohen Sesseln als während des NS-Regimes.


    Die 68er-Revolte führte in manchen Teile zu einer Umkehrung der Verhältnisse; da dieser Widerstand sich vorwiegend in den Geisteswissenschaften und hier insbesondere in den Lehramtsstudiengängen äußerte, wurde der Geschichtsunterricht durch Neueinstellungen in den Schulen und ebenso in den Ministerien weitgehend umgekrempelt. Z.T. fand zum ersten Mal eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Dritten Reich statt, in einigen Bundesländern führten neue Vorgaben in Kombination mit sendungsbewußten Junglehrern zu ideologischen Katastrophen.


    Ich selbst habe in der Schule zwar so gut wie nix übers Mittelalter erfahren, dafür insgesamt 2 Jahre Nationalsozialismus wiedergekäut -- immer dieselben schrecklichen Bilder, immer dieselben stumpfsinnigen Texte, immer dieselben blinden Behauptungen, mit denen wir Schüler abgespeist wurden und die nur dazu angetan waren, entweder Betroffenheit zu erzeugen oder Ekel. Man indoktrinierte uns gezielt mit einer Schuld an diesen Ereignissen. "Deutsch" war gleichbedeutend mit "böse", der Holocaust eine einmalige Sache und somit die Neigung zu Genozid eine typisch deutsche Eigenschaft. Daß es auch andere Opfer gab als die Juden erfuhr man nur in den unterschiedlichen politischen Grüppchen: die SDAJ betonte den Opfergang prominenter Kommunisten, später wagten dann auch die Homosexuellen, an ihre Verfolgung zu erinnern, die Sinti und Roma meldeten sich schüchtern, die Behinderten taten einem zwar leid, aber man kennt ja eh keine -- wozu gibt 's Behindertenwerkstätten?! Ach ja, da waren ja auch noch diese Kriegsgefangenen, die nach 50 Jahren daherkommen und Geld wollen ... </Sarkasmus>
    Ich hatte Altersgenossen, die sich noch wunderten, warum die Geschwister Scholl in den Widerstand gegangen sind, wo sie doch keine Juden waren -- so eng waren (sind?) die Nazigreuel insgesamt und der Holocaust miteinander verzahnt.


    Diese Exklusivität des Leidens einer einzelnen, wenn auch zahlenmäßig größten Gruppe Verfolgter hat eine rationale Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus bislang eher behindert. Dabei wäre es so wichtig, das zu tun -- auch im Vergleich mit anderen Ausforumungen von Rassismus und Genozid. Dabei geht es nicht um Relativierung, sondern darum, wie so etwas entsteht und was man dagegen tun kann ...


    Im Übrigen - :wave@Columbo - I second that!

  • Zitat

    Original von Orlando
    Lansky, nur mal eine kurze Nebenfrage, um Deine Beweggründe vielleicht besser zu verstehen: wie alt bist du?


    Hallo Orlando


    vermutlich hat man mich hier nicht richtig verstanden, mir geht die Pauschale Schämerei auf den Senkel und das wir ständig vorgehalten bekommen irgendwelche Täter zu sein , die wir mit Sicherheit nicht sind.

    Ich interessiere mich deshalb so sehr für dir Zukunft,weil ich den Rest meines Lebens in ihr verbringe. (Lansky ist ein Fan von Wikileaks)

  • Ich frage mich, wer von Euch wo den Vorwurf "Tätervolk" gehört haben will - das hat m.E. zuletzt der CDU-Politiker Hohmann in Verbindung mit dem jüdischen Volk gemacht. Niemand nennt die Deutschen ein "Tätervolk", jedenfalls nicht die derzeitigen Republikbewohner.

  • Gerade heute kann man wieder lesen, dass Vergangenheitsbewältigung auch ganz anders gehen kann.


    Es gibt in Russland sehr ernsthafte Bestrebungen, Wolgograd wieder in Stalingrad umzubenennen.


    Man stelle sich vor, jemand würde bei uns ernsthaft vorschlagen, nur eine Straße, die früher mal so hieß wieder Adolf-Hitler-Straße zu nennen.


    Wow! Ich sag's ja; wir können wirklich stolz sein auf unseren Umgang mit der Vergangenheit.

  • wieso? ich wohn in der Straße?!


    ja, gut die armen Russen haben doch nix falsch gemacht in Stalingrad...
    ich wette im Ami-Land gibts ne "Das-Pöse-Wiettnamm-Straße"... das is wie mit leuten die Postautos anfahren(okay, den versteht jetz keiner), die anderen kamen ausm Gebüsch gesprungen. aber da kann ich nur hier rauf verweisen

  • Zitat

    Original von Tom
    Ich frage mich, wer von Euch wo den Vorwurf "Tätervolk" gehört haben will - das hat m.E. zuletzt der CDU-Politiker Hohmann in Verbindung mit dem jüdischen Volk gemacht. Niemand nennt die Deutschen ein "Tätervolk", jedenfalls nicht die derzeitigen Republikbewohner.


    Tom. Eben nirgends. DAS ist doch das Problem an der Sache. Man geht so damit um, daß Leute schon glauben, es zu hören.
    Es geht darum, wie diese 'Bewältigung' wahrgenommen wird und was die Gründe für diese Art Wahrnehmung sind.


    Rabarat
    ja, kommt uns komisch vor. Sollte uns nicht komisch vorkommen. Was ist die Reaktion auf bedrückende ökonomische Zustände? Der Ruf nach dem starkem Mann. Und DIE Rolle kannst du Jossif Wissarionowitsch nicht bestreiten
    Ironie
    manchmal muß man ernst sein. Auch unter 18.
    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von magali



    Rabarat
    ja, kommt uns komisch vor. Sollte uns nicht komisch vorkommen. Was ist die Reaktion auf bedrückende ökonomische Zustände? Der Ruf nach dem starkem Mann. Und DIE Rolle kannst du Jossif Wissarionowitsch nicht bestreiten


    Nein, sicher nicht. Die Sache ist nur die, dass der Unterschied zwischen Hitler und Stalin vor allem darin liegt, dass der eine den Krieg verloren und der andee ihn gewonnen hat.

  • Zitat

    Original von Ironie


    das war erster als du denkst


    Und woran erkennt man das bei dir? Am Postauto? An der Vietnam-Straße?
    oder an der Straße, in der du wohnst?
    :gruebel
    magali


    Rabarat
    DAS habe ich jetzt nicht kapiert. Falls es auf eine Gleichsetzung von Stalinismus mit Nationalsozialismus rausläuft, nein.
    Strukturelle Verwandtschaft, ja. Folgen, ähnlich. Grundvoraussetzungen ganz anders.
    Und die Alliierten haben den Krieg gewonnen, nicht JW
    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus


  • Die Renaissance, die JW gerade in Russland erfährt, wird genau daran festgemacht, dass er - heuer steht die 60-Jahre-Feier an - als großer Sieger des großen vaterländischen Krieges gefeiert wird (u.a. auch unterstützt von Putin).


    Die Gleichsetzung bezog sich auf die massenmörderische Wirkung der beiden Bartträger. Da standen sie sich wirklich in nichts nach.

  • Zitat

    Original von Tom
    Ich frage mich, wer von Euch wo den Vorwurf "Tätervolk" gehört haben will - das hat m.E. zuletzt der CDU-Politiker Hohmann in Verbindung mit dem jüdischen Volk gemacht. Niemand nennt die Deutschen ein "Tätervolk", jedenfalls nicht die derzeitigen Republikbewohner.



    @ Tom, wie definierst Du die Aussage von Iris Berben die in diesem Zusammenhang vom Land der Täter spricht?


    Ich fühle mich bei solchen Aussagen durchaus angesprochen, auch wenn ich die Schauspielerin mag, aber so langsam nervt sie dabei.

    Ich interessiere mich deshalb so sehr für dir Zukunft,weil ich den Rest meines Lebens in ihr verbringe. (Lansky ist ein Fan von Wikileaks)

  • Rabarat
    irgendeinen vermeintlich sachlichen Grund muß man doch finden, wenn man sich an eine Type wie Jossif Wissarionowitsch annähert.
    Deshalb sind die Gründe trotzdem darin zu suchen, daß es den Menschen in Rußland verdammt dreckig geht und sie in der bekannten Zwangslage auf das übliche Allerbescheuertste verfallen.
    Nein, ich bin wirklich dagegen, daß eine Stadt Stalingrad hießt. :grin
    Aber ein alter Heiliger paßt mir genausowenig.
    St. Petersburg und alte Zarenherrlichkeit find ich im 20.Jh. ebenfallls mehr als unangenehm
    Gleichfalls stören mich hiesige Kriegshelden, vermoderte preußische Generäle seit 1650 aufwärts, Kolonialhelden und natürlich Nazigeneräle in Straßennamen bzw. bei Kasernen.
    Nicht einfach, die Sache
    ;-)
    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von Ironie


    die vietnam straße wars...


    Genau. Deshalb die Forderung nach dem Ernst. Vietnam und Stalingrad sind wirklich ein Unterschied.
    ;-)
    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • @ magali


    vielleicht noch einmal zurück hzum Ausgangspunkt. Ich finde, dass Deutschland anders als andere Länder sehr gute Vergangenheitsbewältigung geleistet hat. Diese Chance bietet sich Kriegsgewinnern natürlich nicht. So gab es auch in den USA lediglich zum Vietnamkrieg eine kritische Auseindersetzung.

  • Ich möchte diesen Beitrag dafür verwenden, an alle Opfer des Holocaust, inklusive der Shoa, zu gedenken.


    Was damals geschehen ist, lässt sich nicht in Worte fassen. Wie Sachgegenstände wurden Menschen für wertlos erklärt, in Lager gebracht, geschändet, gefoltert, gedemütigt, erschossen, erhängt, vergast, verbrannt.


    6 Millionen Juden, Millionen Menschen aus "Randgruppen" wie Homosexuelle, Sozialdemokraten, Kommunisten, Roma, Sinti, und sonstige ethnische Minderheiten.


    Ich bin der Meinung: Wir, die jetzige Generation, als Deutsche und Österreicher haben nicht die Schuldfrage zu stellen, sondern die Verantwortungsfrage.


    In unseren Breitengraden ist das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte begangen wurden, unsere Großeltern, vielleicht auch schon Urgroßeltern, haben größteils Hitlers Regime mit offenen Armen empfangen, sind brav mitgelaufen, oder haben gar aktiv mtigemacht.


    Wir müssen uns bewusst sein, dass es in Deutschland und Österreich passiert ist, und dass schrecklichste am Ganzen ist, dass offensichtlich jeder Mensch zu solchen Verbrechen fähig ist, wenn man sich die einzelnen Rädelsführer genau anschaut.


    Insofern haben wir eine Verantwortung, zu lernen, und zu besinnen, und kommenende Generationen, ja die ganze Welt, aufzuklären, ständig zu erinnern, das so etwas nie mehr passieren darf.


    Mein Großvater mütterlicherseits war in Kreta stationiert. Er war ein glühender Hitler-Verehrer. Bis zu seinem Tod.


    Mein Großvater väterlicherseits war in Stalingrad stationiert. Er war ein Partisane, in einer Einheit, die viel verbrochen hat.


    Ich habe meine Großväter geliebt, bis zu deren letzten Atemzug. Trotzdem bin ich nach wie vor fassungslos, dass diese an sich liebevollen Menschen, zum Teil zu ärgsten Verbrechen an Unschuldigen (Nicht-Soldaten) fähig waren, und bis zuletzt im Wahn des kleinen Führers standen.


    Mit diesem persönlichen Geständnis möchte ich meinen Respekt für alle jeglichen Opfer dieser Menschheitskatastrophe zum Ausdruck bringen, auch wenn ich weiß, dass man nichts dagegen aufwiegen kann.
    _________________