'Der Schwur der Jungfrauen' - Teil 1

  • Ob Kathrins Vater diese Inszenierung auch durchgezogen hätte, wenn er gewusst hätte, dass Wendel vor 21 Jahren seine Frau verführt hat? Vor allem frage ich mich, ob diese Nacht im Rahmen der Wallfahrt nach Niklashausen ohne Folgen geblieben ist...


    Ich kann diese Handlung aus der puren Not heraus einerseits verstehen, andererseits setzt er doch nicht nur seine Tochter sondern auch seine eigene Familie dem Gerede und dem Spott aus. Es besteht ja auch nicht die Chance, dass Gras über die Sache wächst, da alle Beteiligten ja auch weiterhin am gleichen Ort wohnen. Kathrin bekommt das ja am eigenen Leib zu spüren, da kaum noch jemand mit ihr spricht.


    Mit dem Rückblick auf die Wallfahrt kommt auch die historische Figur des Hans Böhm ins Spiel und gibt einen ersten kleinen Vorgeschmack auf die kommenden Ereignisse auf den späteren Verlauf der Geschichte.

  • Zitat

    Original von Bouquineur
    Ob Kathrins Vater diese Inszenierung auch durchgezogen hätte, wenn er gewusst hätte, dass Wendel vor 21 Jahren seine Frau verführt hat? Vor allem frage ich mich, ob diese Nacht im Rahmen der Wallfahrt nach Niklashausen ohne Folgen geblieben ist...


    Keine Ahnung. Ich habe bisher auch nur den ersten Teil gelesen. :grin


    Zitat

    Ich kann diese Handlung aus der puren Not heraus einerseits verstehen, andererseits setzt er doch nicht nur seine Tochter sondern auch seine eigene Familie dem Gerede und dem Spott aus.


    Zitat

    Original von Lumos
    Mich hat diese "Inszenierung" total verblüfft. So wie er bis dahin dargestellt wurde, wenig zupackend und irgendwie iniativlos, habe ich ihm das einfach nicht zugetraut.


    Ich warte erst noch mal ein paar Meinungen ab, bevor ich was dazu sage, okay?


    Schön, dass ihr schon dabei seid!

  • Ich finde die Idee des Vaters in seiner Verzweiflung eigentlich nicht so schlecht. Mit Wenzel hat er sowieso Streit und der wird ihm nicht mehr helfen. Veit hat einen Esser weniger im Haus und für Kathrin ist gesorgt. Die Mutter wäre im Prinzip sicher einverstanden gewesen, für Kathrin den Spott des Dorfes auf sich zu nehmen, wenn da nicht diese eine Nacht mit Wenzel gewesen wäre. Dadurch könnten Lenz und Kathrin Geschwister sein.
    Mir sind im Moment eigentlich alle Menschen noch sympatisch, Kathrin auf jeden Fall und die ehrliche Magdalen auch. Veit und Damian die diese Idee für Kathrin haben, finde ich nett und selbstlos. Sogar Lux und sein Vater sind mir nicht unsympatisch. Sie wurden schlimm betrogen und könnten Kathrin das Leben viel schwerer machen.


    Ich mag diesen ruhigen Ton indem das Buch geschrieben ist.



    Bouquineur : Danke für den Link zu Hans Böhm!

  • Erschütternd, wie die Leute damals leben mußten. Wer nicht viel hat, kann auch nicht weiter kommen. Für alles mussten sie den Zehnt abgeben.
    Ich denke ja wie Kathrin, das die Landsknechte den Brand gelegt haben.


    Der Vater und die ganze Familie arbeitet schwer und jetzt wo alles verbrannt ist, kommt der Heintz und will den Zehnt und noch die Strafe weil sie nicht pünktlich abgegebn haben. Wir könne uns garnicht vorstellen, wie sie da hungern mussten.


    Der Wenzel war in seiner Jugend wohl auch so ein Hallodrie wie Lux. Er bereichert sich an dem armen Veit, kein Wunder das dem da diese Inszenierung eingefallen ist.


    :wave

  • Ich denke auch, dass die Not und die Last, die auf den Bauern damals lastete in der heutigen zeit unvorstellbar sind. Katerina Thimm hat das sehr gut beschrieben. Man kann sich gut in die Situation hineinversetzen und versteht das Aufbegehren und die Verzweiflung die zu manchen Taten angeregt haben.
    trotzdem war ich über diese Inszenierung einigermaßen erstaunt, wenn nciht entsetzt. Ob daraus etwas Gutes entspringt??

  • Was passierte denn eigentlich, wenn die Bauern damals nicht bezahlen konnten? Immer mehr Schulden, immer mehr Strafen, irgendwann konnte es doch keinen Ausweg mehr geben. Wenn man sie dann zur Strafe in den Kerker sperrte, konnten sie noch weniger aus dem Schlamassel herauskommen. Oder waren die Schulden nach dem Kerker erlassen, wenigstens die, gegenüber dem Bischof oder Herren?

  • Zitat

    Original von Deichgräfin
    Erschütternd, wie die Leute damals leben mußten. Wer nicht viel hat, kann auch nicht weiter kommen. Für alles mussten sie den Zehnt abgeben.


    :write
    Diese Ausweglosigkeit empfand ich als äußerst bedrückend. Wer eh schon nichts hatte, dem wurde unter fadenscheinigen Begründungen von der Obrigkeit jegliche Hilfe verweigert, stattdessen gab es eher noch einen Tritt in den Hintern (bildlich gesprochen). Kein Wunder also, dass sich die Menschen irgendwann gegen diese "gottgewollte" Ordnung auflehnten, hatte lange genug gedauert.

  • Zitat

    Original von Lumos


    Ich hab`s doch schon gelesen - und muss deshalb gut aufpassen, was ich hier schreibe um nichts vorweg zu nehmen ;-).


    Beim Diskutieren, meinte ich. Was meinst du, wie ich aufpassen muss ... :grin


    Zitat

    Original von xania
    Mir sind im Moment eigentlich alle Menschen noch sympatisch


    Das ist etwas, was man als Autor nie hundertprozentig vorausplanen kann, und wo man sich umso mehr freut, wenn es klappt. :-)


    Zitat

    Ich mag diesen ruhigen Ton indem das Buch geschrieben ist.


    Auch das freut mich sehr zu hören. Ich werde nie die Action-Queen werden und bin immer erleichtert, wenn ich Leser finde, die das Ruhigere nicht unbedingt langweilig finden. Ich mag selbst auch gern Bücher mit ruhigeren Passagen.


    Zitat

    Original von Deichgräfin
    Der Wenzel war in seiner Jugend wohl auch so ein Hallodrie wie Lux. Er bereichert sich an dem armen Veit, kein Wunder das dem da diese Inszenierung eingefallen ist.


    Zitat

    Original von Findus
    trotzdem war ich über diese Inszenierung einigermaßen erstaunt, wenn nciht entsetzt. Ob daraus etwas Gutes entspringt??


    Schön, dass ihr dem Vater, dem armen Kerl, so viel Aufmerksamkeit schenkt. Er ist praktisch mein Mittel, um die Lage der Bauern damals darzustellen.
    Und wie Damian sagt - aus der Sicht seines Vaters tut der seiner Tochter einen Gefallen. Wenigstens hat sie jetzt immer satt zu essen. Ob sie mit dem Jost Aderlin glücklicher geworden wäre?
    Ich nenne diese Intrige, der Kathrin und Lux zum Opfer gefallen sind, immer "Zwangsheirat mit George Clooney". :grin

  • Zitat

    Original von xania
    Was passierte denn eigentlich, wenn die Bauern damals nicht bezahlen konnten?


    Dann wollen wir mal hoffen, dass keiner unserer Beteiligten herausfinden muss, was dann passiert ... :gruebel


    Zitat

    Original von Lumos
    Diese Ausweglosigkeit empfand ich als äußerst bedrückend. Wer eh schon nichts hatte, dem wurde unter fadenscheinigen Begründungen von der Obrigkeit jegliche Hilfe verweigert, stattdessen gab es eher noch einen Tritt in den Hintern (bildlich gesprochen). Kein Wunder also, dass sich die Menschen irgendwann gegen diese "gottgewollte" Ordnung auflehnten, hatte lange genug gedauert.


    Und das ist ja auch etwas, wo sich durchaus in unserer Zeit noch Parallelen finden lassen. Länder, wo den Einwohnern immer mehr zugemutet wird und wo man nur darauf wartet, dass die sich das irgendwann nicht mehr gefallen lassen.

  • Liebe Katerina,
    ich bin sehr, sehr begeistert von deiner Sprache. Diese kalkulierte Naivität, in der du die Figuren sprechen und denken lässt, trägt ungemein dazu bei, mich nach Untergrombach zu versetzen. Ich ziehe den Hut und freue mich, auf jeder Seite stilistische Leckerlis zu finden.
    Was die Handlung anbelangt: Ich bin drin, will wissen, wie es weitergeht und fühle mich aufs Allerbeste unterhalten. Ich bin dir sowas von dankbar, dass du schon im ersten Teil massenhaft bekannte Handlungsmuster auf den Kopf stellst; es ist eine Wohltat! Vermutungen werde ich nicht anstellen, denn ich möchte mich überraschen lassen ...


    Aber eines muss ich doch loswerden: Warum am Anfang die Beinahe-Vergewaltigung? Gut, ich nehme an, dass diese Szene noch Nachwirkungen haben wird, aber hätte Kättel die Landsknechte nicht bei etwas anderem ertappen können? Ich mag einfach nicht glauben, dass unsere Altvorderen wirklich nix anderes im Kopp hatten, als alles zu schänden, was nicht bei drei auf den Bäumen war.


    Liebe Grüße sendet
    Steffi

    Ship me somewhere's east of Suez,
    where the best is like the worst,
    where there aren't no ten commandments
    an' a man can raise a thirst


    Kipling

  • Zitat

    Original von SteffiB
    Liebe Katerina,
    ich bin sehr, sehr begeistert von deiner Sprache. Diese kalkulierte Naivität, in der du die Figuren sprechen und denken lässt, trägt ungemein dazu bei, mich nach Untergrombach zu versetzen. Ich ziehe den Hut und freue mich, auf jeder Seite stilistische Leckerlis zu finden.


    Der Witz ist: Das ist nicht kalkuliert. Die reden einfach so, ich mach da gar nicht groß was. Zumindest fühlt es sich so an. :grin Vielleicht liegt es daran, dass ich in meinem Brotberuf den ganzen Tag nichts anderes tue, als Leuten beim Reden zuzuhören.


    Zitat

    Was die Handlung anbelangt: Ich bin drin, will wissen, wie es weitergeht und fühle mich aufs Allerbeste unterhalten. Ich bin dir sowas von dankbar, dass du schon im ersten Teil massenhaft bekannte Handlungsmuster auf den Kopf stellst; es ist eine Wohltat!


    Wo? Wie? Was?


    Zitat

    Aber eines muss ich doch loswerden: Warum am Anfang die Beinahe-Vergewaltigung? Gut, ich nehme an, dass diese Szene noch Nachwirkungen haben wird, aber hätte Kättel die Landsknechte nicht bei etwas anderem ertappen können? Ich mag einfach nicht glauben, dass unsere Altvorderen wirklich nix anderes im Kopp hatten, als alles zu schänden, was nicht bei drei auf den Bäumen war.


    Ja, die ständigen Vergewaltigungen in historischen Romanen nerven mich auch. Mir war es wichtig, dass es in dieser Szene zumindest nicht wirklich dazu kommt. Andererseits - so gering ist die Wahrscheinlichkeit auch heute nicht für eine Frau, vergewaltigt zu werden. (Zumindest hier in der Gegend. Wir haben ja schon mal drüber geredet, dass es in Asien teilweise anders aussieht.)
    Die Szene hat mehrere Funktionen, die ich noch nicht alle enthüllen möchte. ;-) Aber ich fand es schon recht wahrscheinlich, dass ein junges Mädchen, das an einem einsamen Ort in die Hände dreier Männer fällt, die entwurzelt sind und deren Job darin besteht, Leute zu töten, durchaus auch eine Vergewaltigung fürchten musste.

  • Nicht kalkuliert? Na, dann ziehe ich eben den Hut vor deinem Sprachgefühl. Das Ergebnis ist jedenfalls toll und ungewöhnlich.


    Wie, wo, was? – Zum Beispiel, dass die Schwiegermutter nett ist. Oder dass die Kättel Lux' Liebkosungen durchaus antörnend findet. Dass Kättel nicht als unbezahlte Arbeitskraft missbraucht wird, sondern durchaus ihren Platz als Jungbäuerin ausfüllen soll.


    Und okay, ich halte den Schnabel, was die Beinahe-Vergewaltigung anbelangt. In der von dir beschriebenen Situation ist es ja tatsächlich recht wahrscheinlich.


    Liebe Grüße von
    Steffi

    Ship me somewhere's east of Suez,
    where the best is like the worst,
    where there aren't no ten commandments
    an' a man can raise a thirst


    Kipling

  • So der erste Teil ist geschafft...


    Das Buch liest sich wirklich flüssig und auch ich kann mich gut in diese Zeit hineinversetzen :-)


    Worauf ich noch gespannt bin, wie entwickelt sich die Freundschaft der 3 Frauen Kathrin, Jutta und Margret weiter :gruebel. Jutta ist ja sehr enttäuscht von Kathrin - kann man ja irgendwie verstehen, obwohl sie ja für die "Zwangsverehelichung" nicht wirklich was kann und es mit Lux nie aufnehmen wollte.
    Allerdings sehe ich es auch so, daß es für Kathi und deren Familie eine gute Partie ist :grin ob sie nun damit glücklich wird sei mal dahingestellt... aber so lief das wohl zur damaligen Zeit...


    Ich finde den Schreibstil auch sehr gelungen, nach den letzten Krimis/Thrillern ist das mal eine gelungene Abwechslung :lache


    ... und ich bin schon sehr gespannt, wie es weitergeht :wave

  • Zitat

    Original von SteffiB


    Wie, wo, was? – Zum Beispiel, dass die Schwiegermutter nett ist. Oder dass die Kättel Lux' Liebkosungen durchaus antörnend findet. Dass Kättel nicht als unbezahlte Arbeitskraft missbraucht wird, sondern durchaus ihren Platz als Jungbäuerin ausfüllen soll.


    Stimmt, danke SteffiB! Wie gut, dass du das noch mal alles so aufzählst. Beim Lesen wird mir nicht immer alles so richtig bewusst. Durch solche Beiträge in der Leserunde wird mir nun klar, warum ich das Buch so gern gelesen habe, obwohl mich auch einiges störte ;-).


  • Ich bin eigentlich jemand, der sich an solchen Szenen stört, aber hier habe ich sie gar nicht mal so bewusst als versuchte Vergewaltigung wahrgenommen. Vielleicht, weil es eben letztendlich nicht dazu gekommen ist. Ich bin aber froh über die Erklärung die Du gibst, warum du Dich für eine solche Szene entschieden hast und den Punkt "es lag damals im Rahmen des Möglichen, dass so etwas passieren könnte".
    Besser als die Erklärung "das war damals normal und an der Tagesordnung und deshalb musste es auch der Protagonistin passieren", die ich mal in einer anderen Leserunde gehört habe.

  • Wunderbar, dieser erste Abschnitt. Ich bin gleich drin, mitten im Geschehen. Nein, ich glaube nicht, dass Lukas und Kathrin Halbgeschwister sein könnten, die Kathrin ist doch noch jünger als zwanzig, oder?
    Alle Szenen sind irgendwie - so lebendig. Ich kann den Rauch riechen, höre die Flammen prasseln und spüre Kathrin Entsetzen, als sie neben Lukas aufwacht und im Brautbett. Einen Roman von Dir zu Lesen, Katerina, ist wie daheim ankommen.

    :lesendR.F. Kuang: Babel


    If you don't make mistakes, you're not trying hard enough. (Jasper Fforde)