Inhaltsangabe (laut Buch)
Familie Byler ist eine angesehene amische Familie in Lancaster County, Pennsylvania. Der Vater Judah und die beiden Söhne sind hart arbeitende, erfolgreiche Schafzüchter. Lettie, die Mutter, hält den großen Haushalt zusammen, unterstützt von ihren Töchtern Grace und Mandy. Heiratspläne liegen in der Luft.
Doch von einem Tag auf den anderen stürzt die scheinbar heile Welt der Amishfamilie in sich zusammen: Lettie verlässt bei Nacht und Nebel ihren Mann und die Kinder. Ihre Tochter Grace findet einen Abschiedsbrief, der mehr verschleiert als enthüllt. Warum war ihre Mutter in letzter Zeit so traurig und unruhig? Weshalb ist sie gegangen und wohin?
Für Grace beginnt eine Entdeckungsreise zu lang verschwiegenen Familiengeheimnissen.
„Unter dem Mantel des Schweigens“ ist der erste Band der Familiengeheimnisse-Trilogie.
Die Autorin (laut Buch)
Beverly Lewis wurde im Amish-Land in Lancaster, Pennsylvania, geboren. Ihre Großmutter wuchs in einer Mennonitengemeinde alter Ordnung auf. Mit ihrer Familie lebt sie in Colorado.
Auf der HP des Francke-Verlages gibt es eine ausführliche Vorstellung der Autorin.
Übersetzt wurde das Buch von Silvia Lutz.
Meine Meinung
„Wenn du bekommst, was du willst … willst du dann auch, was du bekommst?“
(Seite 39)
Die Bücher von Beverly Lewis haben für mich so etwas Beruhigendes. Ruhiges, zwar arbeitsreiches, aber dennoch beschauliches Leben, die kleinen und großen Nöte der jungen Frauen und jungen Männer und der Älteren sowieso, die kleinen und großen Geheimnisse, die Familienbande und Regeln der Gemeinde, das Gottvertrauen und der unbedingte Gehorsam gegenüber dem Bischof bzw. den Leitern der Gemeinde. Das ist mir mittlerweile so vertraut, das es fast wie ein Nachhausekommen für mich ist, wenn ich ein Buch von Beverly Lewis in die Hand nehme.
Diesmal ist alles etwas anders.
Deutlich wie nie zuvor, so empfinde ich es zumindest, spricht Beverly Lewis die Probleme in der Welt der Amish an: Die Einengung durch die starren und absoluten Regeln der Gemeinde, die Unterordnung der Frau unter das ebenso absolute Wort des Mannes, das zunehmende Unvermögen, die moderne Welt von der scheinbar heilen Welt der Amish fernzuhalten, die zunehmenden landwirtschaftlichen Probleme. Land ist längst nicht mehr für alle da, die finanziellen Probleme erreichen auch Amish-Land, die zwischenmenschlichen Probleme lassen sich nicht mehr so unbedingt unter den Teppich des Rechthabens des Hausherrn kehren, genauso wenig wie die Anordnungen der Gemeindeleiter schlicht als „gottgewollt“ hingenommen werden. Die leise Kritik, die schon in Vorgängerbüchern (z. B. den Bänden der Abrams Töchter-Serie) anklang, wird hier noch etwas lauter, deutlicher. Es ist ein anderer Ton in dem Buch, als wenn sich, so versuche ich es mir zumindest zu erklären, der Autorin Sorge um diese nicht mehr abschottbare und vermutlich zunehmend gefährdete Welt sich derart niederschlägt: Ein Heraufbeschwören dessen, was sein sollte, aber nicht mehr sein kann, ein leise Mitschwingen der Frage, wie lange die Amish der sich rasant verändernden Welt standhalten können.
In zwei Erzählsträngen, die sich gegen Ende des Buches zu verweben beginnen (und der Leser eine ganz leise Ahnung davon bekommt, wohin die „Reise“ wohl gehen möge), breitet die Autorin die Welt ihrer Protagonisten vor der Leser Augen aus. Wie üblich habe ich auch hier wieder gefunden, dass meine Zuneigung (und manchmal weniger als das) zu ihnen mit zunehmender Dauer des Romans wächst und manchmal auch ins Gegenteil umschlägt:
Lettie, die ich anfangs so gar nicht und dann immer besser verstanden habe,
ihre Mutter Adah, die mir zu Beginn des Buches deutlich mehr gefiel als am Schluss,
Grace, die nach dem Fortgang der Mutter couragiert versucht, den Haushalt zu führen,
Judah, der viel zu schweigsame Mann und Oberhaupt der Familie,
Freundin Becky und all die anderen Amish,
auf der anderen, „modernen“ Seite Heather, die noch um ihre Mutter trauert und selbst eine Diagnose gestellt bekommt, die ihr den Boden unter den Füßen wegzuziehen droht.
Weiter zum Inhalt möchte ich über das hinaus, was in der oben zitierten Inhaltsangabe steht, gar nichts sagen außer, dass man den letzten Satz nicht allzu wörtlich nehmen sollte und dass der Leser wieder einen sehr genauen und detaillierten Blick auf die Lebensweise und diesmal auch der zunehmenden Probleme der Amish bekommt.
Um auf das Zitat zurückzukommen: Auch wenn für mich zum ersten Mal in einem Beverly-Lewis-Roman ein deutlich dunkler Ton zu spüren war, hat mich das Buch fasziniert; und im Gegensatz zu den Protagonisten des Buches, die die Frage noch zu beantworten haben werden, kann ich sie bejahen.