Was ist Mainstream?

  • weil ich dazu tendiere, das als Mainstream zu bezeichnen, was einer relativen Bevölkerungsmehrheit gefällt. Das hat nun mit der Qualität des Vortrags eines Künstlers nur wenig zu tun.


    Oder meinst du, dass leidenschaftslose Konzerte in der Mehrzahl sind und die meisten der in diesem Fall Zuhörer das als gegeben hinnimmt (so wie sie auch jedes Buch kritiklos konsumieren, wenn "historischer Roman" draufsteht?


    Zitat

    Ich schaffe NIE das auszudrücken, was ich meine!


    Das übrigens fällt mir auch immer wieder auf. Da glaube ich, präzise was zu formulieren, aber es kommt was ganz anderes an. Das ist wohl immer das Problem bei der Kommunikation mit tendentiell fremden Menschen :rolleyes

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Zitat

    Oder meinst du, dass leidenschaftslose Konzerte in der Mehrzahl sind und die meisten der in diesem Fall Zuhörer das als gegeben hinnimmt (so wie sie auch jedes Buch kritiklos konsumieren, wenn "historischer Roman" draufsteht?


    Ja, doch, so in Etwa meine ich das. *Uff* :lache


    Oder mal im Sinne einer Lesung ausgedrückt. Warum geht man zu einer Lesung? Bestimmt nicht, um den Autoren einfach trocken seine Texte runterlesen zu hören, oder? Dann könnte sie doch auch *irgendwer* vorlesen. Man freut sich, wenn er was zur Enstehung des Buches erzählt, vielleicht noch was Persönliches, wenn er das Publikum anspricht und eine unvergessliche Stimmung entsteht, an die man sich noch lange erinnert.


    Doch, ein runtergespieltes Konzert, am Besten noch in einer Riesenhalle- das ist für mich Befriedigung eines niveaulosen Massengeschmacks, Mainstream im negativen Sinne. Dass es aber auch anders geht, habe ich schon oft erlebt. Erfolg zu haben und große Hallen zu füllen, bedeutet nicht unbedingt eine Qualitätsminderung.

    Ailton nicht dick, Ailton schießt Tor. Wenn Ailton Tor, dann dick egal.



    Grüße, Das Rienchen ;-)

  • Ich denke, man muss schon unterscheiden zwischen Büchern, die zu einer bestimmten Zeit einfach den Geschmack der Leute treffen und solchen, die nur geschrieben werden, um noch ein bisschen ein erfolgreiches Konzept auszumelken. Meistens ist es doch so, dass zuerst ein Buch aus der ersten Kategorie erscheint und danach alle auf den Zug aufspringen - siehe Island-Krimis oder Frauen-Vampir-Romanzen.


    Grundsätzlich lese ich viel "Unterhaltungs-Literatur" (dieses Wort allein... *schüttel*) - ist das jetzt alles Mainstream? Ist Terry Pratchett Mainstream, nur weil ihn viele Leute lesen? Keine Ahnung, Underground ist es jedenfalls bestimmt nicht.
    Mit "Mainstream" ist es bei mir wie eben mit allen Büchern: entweder, sie gefallen mir, sind gut geschrieben, unterhalten mich (für mich übrigens auch das wichtigste Kriterium, auch bei Klassikern und "seriöser Literatur") oder eben nicht. Klar ärgere ich mich manchmal über den Kram, der anscheinend ausschließlich maßgeschneidert für den Massengeschmack bzw. eine aktuelle Mode herausgebracht wird, aber wie gesagt: nicht alle "Mainstream"-Bücher sind ja so, gibt genug gute Sachen, die sich in den Bestsellerlisten finden.

  • Ich sehe das eigentlich ziemlich ähnlich wie DraperDoyle. Mainstream ist nicht, wenn ein Buch auf Platz eins auf der Bestsellerliste ist, sondern wenn eine ganze Reihe ähnlicher Bücher existiert. Z.B. also die schon genannten historischen Frauenheldinnen ("Die Hebamme der Wanderhure" etc pp), die Skandinavien-Krimis, die Vampir-Romanzen. Wenn ein Buch oder eine Serie sich besonders gut verkauft, springen häufig viele Verlage / Autoren auf und bringen ähnliches (oder etwas ganz anderes, das aber laut Titel / Umschlag / Klappentext so ähnlich sei) auf den Markt, weil man im Mainstream mitschwimmen will. Und es wird ohne besonders großen Werbeaufwand verkauft nach dem Motto "wem X gefallen hat, dem muß Z ja auch gefallen". Daß Z dann häufig eben nur ein schlechter Abklatsch ist, um an das relativ leicht verdiente Geld zu kommen, macht meiner Ansicht nach den Großteil vom schlechten Ruf von "Mainstream" aus. Ein weiterer Punkt, der "Mainstream" negativ erscheinen läßt, ist imho die Dauerpräsenz. Harry Potter hätte imho keinen so schlechten Ruf, wenn man es bei den Büchern belassen hätte. Aber nachdem es unzählige Fan-Gimmicks von Zauberstabnagellack bis Toilttenpapier (Beispiele ausgedacht, aber meiner Erfahrung nach gibt es bei HP nix, was es nicht mit der Werbung drauf gibt) gibt, sind die Leute vermutlich einfach ein bißchen genervt und reagieren entsprechend gereizt.

    "Wie kann es sein, dass ausgerechnet diejenigen, die alles vernichten wollten, was gut ist an unserem Land, am eifrigsten die Nationalflagge schwenken?"
    (Winter der Welt, S. 239 - Ken Follett)

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  • "Mainstream" ist keine kulturelle Kategorie, und erst recht kein Genre und keine Gattung. Das Konsumverhalten - auf diesem wie auf allen anderen Märkten (Ernährung, Mode, Technik) - kann man in Strömungen einordnen, und die Hauptströmung, also diejenige, der zur Zeit die meisten folgen, ist eben der Mainstream (zuweilen gibt es mehrere, was widersprüchlich klingt, es aber nicht ist). Das Ersatzwort "Massengeschmack" ist irreführend, weil es kulturellen "Geschmack" (vor allem in der Masse) eigentlich nicht gibt, sondern lediglich Trends, denen plötzlich viele folgen - Kultur ist ziemlich beliebig und ändert sich oft, was sie nicht täte, gäbe es tatsächlich etwas wie "individuellen kulturellen Geschmack". Wenn ein Künstler "im Mainstream ankommt", bedeutet das nicht notwendigerweise, dass sich sein Oeuvre verändert hat; meistens ist das nicht der Fall, sondern er ist einfach von der Masse "entdeckt worden" (was auch nicht immer stimmt, denn der Vorgang ist häufig ein manipulativer, hat mit Marketing, Medien u.v.a.m. zu tun - die Masse entdeckt ihren "Geschmack" nur selten selbst). Was gestern Mainstream war, ist es morgen sehr wahrscheinlich schon nicht mehr. Wer Glück hat, ist danach noch "Kult", aber die meisten geraten anschließend einfach in Vergessenheit, wenn ihre "Strömungszeit" vorbei ist.


    Wenn Künstler versuchen, dem vermeintlich aktuellen Massengeschmack zu folgen, indem sie etwa anderen erfolgreichen Autoren hinterherschreiben, wird das, was sie herstellen, zuweilen als "Mainstream" bezeichnet. Häufiger geschieht das aber, wenn die Kunst nicht eben anspruchsvoll ausfällt. Tatsächlich verzeichnet gerade die Popkultur eine anscheinend unaufhörliche Nachfrage nach anspruchsloser Kunst, für die man kaum noch das Prädikat "Kunst" verwenden möchte (etwa karnevaleske Partymucke), aber das ist eigentlich keine definierbare Strömung, womit ihre Vertreter auch kein "Mainstream" machen. Der Begriff ist hier fehlplatziert. Volks- und volkstümliche Musik verkauft sich in Deutschland und Österreich ganz exzellent, zuweilen sogar weit besser als Popmusik, und trotzdem würde kaum jemand diese Art von Mucke als "Mainstream" bezeichnen.


    Apple ist inzwischen Mainstream und war noch ein paar Jahre zuvor Avantgarde, aber die Produkte haben sich eigentlich kaum verändert. Eine qualitative Aussage ist das also nur selten. Die erwähnten Red Hot Chili Peppers sind "im Mainstream angekommen", obwohl sie immer noch fast exakt dasselbe tun wie am Anfang ihrer Karriere, und eine der weltweit erfolgreichsten Bands, nämlich Depeche Mode, hat sich auf dem Weg zwischen "Speak & Spell" (erstes Album, 1981) und "Sounds Of The Universe" (2009) auch nur marginal verändert, trotzdem müsste man sie inzwischen als "Mainstream" bezeichnen, was den wenigsten echten Fans gefallen dürfte.


    Will sagen: Der Begriff wird oft falsch - nämlich als Geschmacksurteil - eingesetzt, obwohl er eigentlich ein Begriff ist, der eher dem Marketing zuzuordnen wäre. Wer einen Künstler dieserart kategorisiert, will eben häufig damit sagen, dass es sich um Epigonentum handelt, nicht selten anspruchsloses - den Weg des vermeintlich geringsten Widerstandes. Dabei bezeichnet der Terminus tatsächlich das, was in einem kulturellen Bereich derzeit besonders erfolgreich ist, und das ist nicht selten verblüffend anspruchsvoll, und der Erfolg war mühsam und über Jahre hinweg erarbeitet. Die übliche Verwendung des Begriffs funktioniert nur dann, wenn die Hauptströmung in einem Bereich tatsächlich aus sehr belanglosem, austauschbarem Material besteht, aber das ist seltener der Fall, als die Falschverwender dieses Begriffs annehmen, weil sie nur die Spitzenplätze der Verkaufslisten im Blick haben - und eben keinen Vergleich mit dem Rest.

  • Zitat

    Will sagen: Der Begriff wird oft falsch - nämlich als Geschmacksurteil - eingesetzt, obwohl er eigentlich ein Begriff ist, der eher dem Marketing zuzuordnen wäre. Wer einen Künstler dieserart kategorisiert, will eben häufig damit sagen, dass es sich um Epigonentum handelt, nicht selten anspruchsloses - den Weg des vermeintlich geringsten Widerstandes.


    Ja, so in Etwa wollte ich das ausdrücken, aber ich kann es nicht. :cry
    Außerdem habe ich das Gefühl, dass es im Moment ziemlich hipper Mainstream ist, gegen den Mainstream zu sein.

    Ailton nicht dick, Ailton schießt Tor. Wenn Ailton Tor, dann dick egal.



    Grüße, Das Rienchen ;-)