Der 1. Teil der Serie um Fredrika Bergman und Alex Recht
Originaltitel: Askungar (2009)
Limes Verlag 2011, 476 S.
Über den Inhalt:
Hochsommer in Schweden. Es regnet Bindfäden. Der voll besetzte Schnellzug nach Stockholm muss außerplanmäßig halten. Eine junge Frau tritt hinaus auf den Bahnsteig, um ungestört zu telefonieren – und wird von ihrer Tochter getrennt, als der Zug ohne Vorwarnung weiterfährt. Der Schaffner wird alarmiert, doch als er das kleine Mädchen abholen will, ist es spurlos verschwunden. Dutzende potenzieller Zeugen haben nichts beobachtet.
Das Ermittlerteam um Kommissar Alex Recht und Fahndungsspezialistin Fredrika Bergman wird auf den Fall angesetzt. Zunächst sieht es so aus, als stecke der Vater des Mädchens selbst dahinter. Doch dann wird das Kind tot in Nordschweden gefunden. Wenig später wird ein zweites Kind verschleppt, und der Fall entwickelt sich zu einem Albtraum – denn der Mörder ist nicht nur skrupellos, sondern geradezu brillant in seinem Tun …
Über die Autorin:
Die Südschwedin Kristina Ohlsson, Jahrgang 1979, arbeitete zunächst im schwedischen Außen- und Verteidigungsministerium als Expertin für EU-Außenpolitik und Nahostfragen und später bei der nationalen schwedischen Polizeibehörde in Stockholm. Derzeit ist sie Terrorismus-Expertin bei der OSZE in Wien. Mit ihrem Debütroman Aschenputtel gelang ihr sofort der internationale Durchbruch als Thrillerautorin. In ihrer Heimat Schweden sind inzwischen bereits zwei weitere Romane um Fredrika Bergman und Alex Recht erschienen – beide mit sensationellem Erfolg.
Meine Meinung:
Einer der schlimmsten Albträume für Eltern ist es, wenn ihr Kind spurlos verschwindet. Genau das passiert einer jungen Mutter zu Beginn der Geschichte. Und weil die Polizei glaubt, dass der Vater dahintersteckt, ermittelt sie nur in diese Richtung. Nur die Neue im Ermittlerteam, Fredrika Bergman, glaubt nicht daran und stellt eigene Nachforschungen an. Als die Bösartigkeit des Täters erkennbar wird, wird der Gruppe bewußt, in welchen Dimensionen sich der Fall bewegt und dass die Zeit drängt, damit nicht noch mehr Menschen zu Schaden kommen.
Kristina Ohlsson wartet nicht mit innovativen Ideen auf. Sichtlich war es nicht ihr Bestreben, einen spektakulären Thriller mit reißenden Actionszenen und außergewöhnlichen Charakteren zu schreiben. Hier liegt ein solider Roman vor, der auf bewährte Themen und vielfach beschriebene Charaktere setzt. Ohlsson legt sehr viel Wert auf die Ausarbeitung ihrer Figuren, auf saubere Handlungsstränge und eine sorgfältig konstruierte Geschichte, vor allem aber auf die ausführliche Schilderung der Polizeiarbeit.
Bereits das erste Kapitel des Buches lässt das Motiv des Mörders erkennen, aber damit sind wir ihm noch kein Stück näher gekommen. In häufigen Perspektivwechseln wird abwechselnd auf sehr persönliche Weise aus den verschiedenen Blickwinkeln von Ermittlern, Täter und Komplizen erzählt. Wir erhalten einen tiefen, erschöpfenden Einblick in die Gedanken und das Seelenleben aller Haupt- und Nebenfiguren und währenddessen passiert … nichts. Ein Kind verschwindet, seine Kleidung taucht auf und ansonsten … nichts. Und damit vergeht ein Viertel des Buches.
Fredrika Bergman ist die Neue im Ermittlerteam um Alex Recht. Ihre Kollegen sind nicht davon überzeugt, dass aus der Quereinsteigerin eine gute Polizistin werden könnte. Eigentlich sollte ja der Fall im Mittelpunkt stehen, aber alle kreisen nur um sich selbst. Man fragt sich, woher der legendäre Ruf von Alex Recht kommt und wie er seine Fälle bisher gelöst hat, so inkompetent und desinteressiert wirkt er anfänglich. Das Gewicht, das auf dem Konkurrenzkampf zwischen den Mitgliedern der Ermittlungskommission liegt und die Geringschätzung, die Fredrika zu spüren bekommt, weil sie studiert hat und keine Polizeiausbildung aufweisen kann, und nicht zuletzt, weil sie eine Frau ist, empfand ich als störend und übertrieben. Das bessert sich zum Glück in der zweiten Hälfte des Buches.
Kristina Ohlsson drängt dem Leser die Protagonisten auf, hier wäre weniger mehr gewesen. Ich habe das Gefühl, als ob die Autorin sich selbst erst einmal an ihre Figuren herantasten musste. Doch je mehr die Handlung dann an Fahrt aufnimmt, desto weniger Zeit und Raum bleibt glücklicherweise für die Betrachtung der Protagonisten. Jetzt endlich agieren sie, wie ich es mir in einem Krimi wünsche und so stimmt dann die zweite Hälfte des Buches auch versöhnlich. Das gibt Anlass zur Hoffnung, dass in Zukunft die Klischees abnehmen werden und die weiteren Bände der Serie sich nicht so ausschweifend auf das Innenleben der Protagonisten konzentrieren. Schreiben kann Kristina Ohlsson ohne jeden Zweifel und ich werde auch dem zweiten Teil der Reihe eine Chance geben.
Ach ja: Im August 2010 erschien in Schweden „Tusenskönor (Gänseblümchen)“, der zweite Teil der Serie um Fredrika Bergman, der dritte „Änglavakter (Schutzengel“) im April 2011.