Welche Eulen-Kategorie?

  • Gebt mir bitte einen Tipp, wohin ich eine Rezension zu diesem schwierigen Fall stellen könnte:


    Der Inhalt spricht für einen All-Age-Roman, der eher von Erwachsenen als von Jugendlichen gelesen wird. Es ist nicht zeitgenössisch, da die Autorin "von heute" über das 19. Jahrhundert schreibt, auch kein historischer Roman, sondern eine Romanbiografie in Richtung Entwicklungsgeschichte vor historischem Hintergrund. Am Ende der Handlung ist die Protagonistin 25 Jahre alt.

  • Was genau spricht denn gegen 'Jugendbuch'? Daß die Protagonistin am Ende Mitte zwanzig ist? Darin sehe ich kein Problem für eine junge LeserInnenschaft.


    Ich kenne den Titel nur aus der Kategorie 'Jugendbuch', seit dem Sommer schon, auch aus der Verlagsvorschau.
    Liegt die Kategorisierung 'Jugendbuch' denn eher daran, daß Murail bis dato Jugendbücher geschrieben hat? Ist ihre Zielrichtung jetzt anders? Grundlegend anders, meine ich?


    Deine Rezi klingt sehr attraktiv und das Buch damit weit besser als erwartet.
    Ich gebe zu, daß ich das Buch zum Rezensieren nicht ausgewählt habe, weil ich den Ansatz, eine Roman-Biographie von Potter zu schreiben, aber als zentrale Figur eine völlig erfundenen in ein tatsächliches Leben zu setzen, nicht überzeugend fand.
    Deswegen habe ich mir leider auch nicht die Leseprobe angeguckt, die bei der Vorschau im Sommer dabei war. Vielleicht kann man aufgrund des Stils die Entscheidung treffen?
    Murail schreibt anspruchsvoll, aber die Richtung: junges Lesepublikum ist in der Regel klar erkennbar.



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

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  • Mit der "Nicht-Auswahl" ging es mir ähnlich wie dir. Das Buch habe ich mir ausgliehen. Den ersten Teil über die fünfjährige Charity könnte man bereits Lesern empfehlen, die jünger als 10 sind. Die Sprache ist einfach zu lesen mit ironischen Untertönen für den, der sie findet. Die unterschwellige Frage, bis zu welchen Grenzen eine Frau des 19. Jahrhunderts Konventionen zu umgehen versucht, spricht dann auch ältere Leser an. Meine Sorgenfalten enstanden aus der Vorlage Beatrix Potters' Leben für das Buch. Dafür kann ich mir im Moment noch keine jugendlichen Leser vorstellen; denn Potters Bücher werden als Kinderbücher für kleine Kinder vermarktet. Nachdem ich diesen Roman gelesen habe, werde ich sie aus völlig anderer Perspektive betrachten. Die Entwicklung von Charitys Illustratorentätigkeit im Laufe der Handlung und der Bezug zu englischen Landschaften, die die echte Beatrix P. inspiriert haben, ist so deutlich, dass ich die zweite Hälfte interessanter für erwachsene Potter-Fans finde.

  • Ich sehe, Du hast es in KiJu abgelegt. Wahrscheinlich die beste Entscheidung, vor allem, wenn es sprachlich zunächst eher einfach ist.


    Dein Satz mit den ironsichen Untertönen, für den, der sie findet, klingt mir schwer nach Murail. :lache
    Vielleicht sehe ich mir das Buch bei Gelegenheit doch einmal an.


    Vor wenigen Jahren erst gab es eine US-Verfilmung von Potters Leben, mit Renee Zellweger als BP. Ich kennen ihn allerdings nicht und kann auch nicht abschätzen, inwieweit er hierzulande verbreitet war/ist. Potters Bilderbücher mochte ich schon als Kind nicht besonders.
    Es sind tatsächlich Geschichten für eher kleine Kinder und sie waren bereits in ihrer Entstehungszeit nicht mehr zeitgemäß. Potter verklärt das englische Landleben, typisch für eine Zeit, in der die Umbrüche zum Industriezeitalter längst vollzogen waren und nicht zum Besten.
    Es ist heutzutage schön zu lesen, daß sie selbst nicht die rüschige Tante war, die man sich vorstellt, wenn man ihre Geschichten liest, aber ich gebe zu, daß es mich noch glücklicher machen würde, wären ihre Bücher eine Spur flotter. Selbst das abenteuernde Eichhörnchen, das ich noch am 'modernsten' finde, ist viel zu brav im Ansatz.


    Es ist schon eine beträchtliche Diskrepanz, wenn man z.B. bedenkt, daß sie zu den ersten AutorInnen überhaupt gehört, die aktiv Merchandising für ihre Tierfiguren betrieben haben, und zwar kurz nach dem Erscheinen des allersten Buchs schon.


    Es ist eben die behäbigere Richtung der englischen Kinderliteratur. Mann kann ja schon froh sein, wenn es nicht Kate Greenaway oder so etwas wie Kingsleys 'Waterbabies' ist. :yikes
    Ich selbst gehöre eher zur Nesbit-Richtung. :grin


    Es würde mich interessieren, wie Murail ausgerechnet auf dieses Thema kam. Sie ist doch immer für Überraschungen gut. :-)




    :wave


    magali

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    K. Kraus

  • Zitat

    Original von magali
    ... Es würde mich interessieren, wie Murail ausgerechnet auf dieses Thema kam. Sie ist doch immer für Überraschungen gut. :-) ...
    :wave magali


    Dazu müsste man mehr über den französischen Buchmarkt wissen. Am französischen Messestand in Leipzig habe ich vieles entdeckt, das nie übersetzt werden wird. Von Frankreich-Urlaubern habe ich mir erzählen lassen, dass dort schon die Buchhandlungen für jugendliche Leser in "Schule" und "Unterhaltung" ordnen. Unter Schule sollen dann sehr anspruchsvolle Stoffe stehen. So oder so ist das Leben stellt sich mit dieser Information z. B. ganz anders dar; denn es bietet viele ernste Themen, die wir in Deutschland unseren jungen Lesern seltener zumuten. Bei Klassenlektüren für die Schule scheint die Auswahl oft beliebig, Hauptsache die lieben Kleinen lesen das Buch überhaupt. Charity Tiddler scheint wieder in die "Schul-Richtung" zu gehen. Welche Männer-Bilder und Frauen-Bilder darin vermittelt werden, könnte man tagfüllend diskutieren oder ob die Potter-Tierzeichnungen evtl. doch unterschwellig kritisch gewesen sein könnten. Die Zeichnungen im Buch sind es jedenfalls.

  • Alles, was Du ansprichst, sind Themen für Endlos-Diskussionen.


    Ich für mein Teil vermisse Bücher aus anderen europäischen Ländern für Kinder und Jugendliche auch. Für harte Themen sind bei uns ja eher die niederländischen AutorInnen zuständig, aber in den letzten Jahren kommt da auch wenig bei uns an. Was Frankreich angeht, so wird es möglicherweise kurzzeitig ein bißchen besser, weil Tobias Scheffel den Übersetzer-Preis beim JuLit-Preis bekommen hat und er übersetzt aus dem Französischen.
    Ich hoffe es jedenfalls ganz fest.


    'So oder so ist das Leben' steht noch auf meiner Leseliste, leider ist sie armlang. Danke für die Erinnerung.


    Danke auch für die Information über die KiJu-Bücher in französischen Buchhandlungen, das wußte ich nicht. Ich wollte aber auch nicht entscheiden, was eher 'Schule' und was der Rest sein soll. *grusel*
    Ansonsten habe ich in den letzten zwei, drei Jahren festgestellt, daß es mir keineswegs egal ist, was Kinder und Jugendliche lesen-Hauptsache-sie-lesen. Ganz im Gegenteil.


    Daß Potters Zeichnungen unterschwellig kritisch sein sollen, habe ich auch schon häufig vernommen. Die Worte hör' ich wohl ...



    :wave


    magali

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    K. Kraus