Eine Vorhaut klagt an von Shalom Auslander gelesen von Alexis Krüger

  • Kurzbeschreibung
    Shalom Auslanders Jugend ist geprägt von einem schrecklichen Respekt vor Gott. Aufgewachsen wie ein Kalb in einem jüdisch-orthodoxen Umfeld in New York, hatte er sich den göttlichen Gesetzen und Traditionen seines Vaters und der Rabbis unterzuordnen. Über allem thronte dieser Gott, der ihn nicht verstand und der sein Leben zur Hölle auf Erden machte. Auslander erinnert sich, wie er jeden Tag dagegen ankämpfen musste, sich vor Gott zu rechtfertigen, und warum er bis heute Gottes Zorn fürchtet wie den Tod: In der Schule wurde ihm aufoktroyiert, was er essen durfte und was nicht - und in welcher Kombination. Später wurde er beim Klauen von Jeans erwischt und dafür ins Exil nach Israel geschickt, wo er durch intensives Studieren der Tora und des Talmud richtiges Benehmen erlernen sollte. Zurück im Sündenpfuhl Manhattan, kämpfte Shalom weiter mit Gott, brach immer wieder alle Regeln und geißelte sich selbst. Einmal legte er mit seiner Frau Orli über zwanzig Kilometer zu Fuß zurück, um die New York Rangers im Madison Square Garden spielen zu sehen - es war Schabbat und daher den beiden nicht gestattet, ein Taxi oder einen Bus zu besteigen. Die Rangers verloren. Um Gott zu bestrafen, aßen beide nach dem Spiel zwei fette Hot Dogs, mit viel Senf und extra unkoscher ...


    Über den Autor
    Shalom Auslander wuchs in einer jüdisch-orthodoxen Familie in Monsey, New York, auf. Seine aufsehenerregende Sammlung von Short Storys, Vorsicht, bissiger Gott, erschien 2007 im Berliner Taschenbuch Verlag. Er schreibt regelmäßig Kolumnen und Kurzgeschichten für The New Yorker, Esquire und The New York Times Magazine. Eine Vorhaut klagt an wurde von der New York Times zu einem der 100 besten Bücher des Jahres 2007 gewählt.


    Über den Sprecher:
    http://www.vorleser.net/html/krueger.html


    Meine Meinung:
    Ganz klar eines meiner Hörbuchhighlights in diesem Jahr. War das lustig, tiefsinnig, schockierend, interessant und anregend. Wirklich ich habe mich scheckig gelacht, war betroffen, interessiert und fasziniert von dieser Geschichte rund um den Autor und seine Familie.
    Er hat einen unheimlich gelungenen Witz und eine unnachahmliche Art Geschichten zu erzählen und den Leser zu fesseln und zu unterhalten und dabei trotzdem irgendwie durchaus anspruchsvoll daher zu kommen.
    Absolut gelungen abgerundet wird das Gesamtbild durch die grandiose Leistung von Alexis Krüger, den ich vorher als Sprecher nicht kannte, auf den ich nun aber definitiv mein Augenmerk setzen werde. Er hat diesem Buch eindeutig den richtigen sarkastischen Klang gegeben und seine Interpretation von Shaloms Vater der brüllend und schimpfend einen Thora-Schrein baut und dabei immer wieder nach seinem Sohn kreischt "Shaaaaalooooooohm!" war anbetungswürdig.
    Wirklich unbedingt hören, wenn man nicht allzu zart beseitet ist, was Kraftausdrücke und Religionskritik angeht, wobei letztere aus meiner Sicht wirklich recht respektvoll vorgetragen wird...

  • Die dunkle Jahreszeit kommt und ich suche witzige Unterhaltung zur Depribekämpfung. Und da es das Hörbuch auch bei audible gibt, ist meine Merkliste gerade um einen Titel gewachsen. Danke für die Rezi, BJ.

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    "Es hat alles seine Stunde und ein jedes seine Zeit, denn wir gehören dem Jetzt und nicht der Ewigkeit."

  • Ich kann mich BJs Begeisterung voll anschließen - wirklich ein tolles Hörbuch, vor allem, wenn Shalom glaubt Gott auszutricksen (mit dem entsprechenden Ausdruck versehen) und vermeintlich prompt die Quittung dafür erhält :lache


    Meine Rezension:


    Wie ein Kind einer jüdisch-orthodoxen Familie aufwächst, davon macht man sich wohl keine Vorstellungen. Alleine die Regeln und Verbote, die das Essen betreffen, kann man sich wohl nur merken, wenn sie von Kindesbeinen an Tag für Tag vorgelebt und vorgebetet werden. Wie eine solche Kindheit und Jugend tatsächlich aussehen könnte, davon erzählt Shalom Auslander in diesem witzig-erfrischenden und dennoch anspruchsvollen Hörbuch. Shaloms Gott, oder vielmehr der Gott, der das Leben der Auslanders bestimmt, ist ein rachsüchtiger Gott, der seine Anhänger mit den schlimmsten Strafen belegen kann, sollten sie seine Regeln nicht befolgen. Wie weit man gehen kann und welche Auswirkungen ein frommes oder gotteslästerliches Leben haben kann, das testet Shalom Auslander ein ums andere Mal. Er versucht mit Gott zu feilschen, beschimpft ihn, ehrt ihn und doch findet Shalom keinen wirklichen roten Faden, an den er sich halten kann, um einerseits fromm und andererseits ein ganz "normaler" glücklicher Jugendlicher zu sein. Sein zwiegespaltenes Verhältnis zu Gott begleitet ihn bis ins Erwachsenenalter, in dem er noch immer die Rache Gottes fürchtet, ihn aber nicht mehr ganz so häufig beschimpft.... Shalom Auslander hat ein tolles Buch geschrieben, in dem so einige Fragen beantwortet werden, einige in Staunen versetzen, einige den Hörer zum Lachen bringen und andere Mitleid mit dem Erzähler erwecken. Auslander mag zwar - insbesondere in seinem Umgang mit Gott - auf den ersten Blick respektlos erscheinen, doch schon bald wird klar, dass dieses Verhalten der Verzweiflung entspringt, die Folge der strengen Regeln sind, die sein Elternhaus ihm mit auf den Weg gibt. Auslander bietet dem Leser einen direkten Einblick in die Seele eines jüdisch-orthodoxen erzogenen Teenagers und das mit viel Humor und - trotz diverser Kraftausdrücke gegenüber Gott - auch einer innigen Verbundenheit mit diesem Gott, der sich trotz aller Bemühungen, schlicht weigert, auf seine Spielchen einzugehen.


    Alexis Krüger liest diese Geschichte einfach toll, er transportiert den Ärger und den Frust der Hauptfigur genauso überzeugend wie den teilweise zynischen Humor und lässt Shaloms Leben wie einen Film vor dem inneren Auge entstehen. Ein echtes Hörvergnügen, das ich nur weiterempfehlen kann!


    Auch von mir sehr unterhaltsame 10 Punkte!