Die letzte Flucht von Wolfgang Schorlau

  • Kurzbeschreibung


    Spannung und Aufklärung - diese einzigartige Kombination ist das Markenzeichen der Kriminalromane um den Stuttgarter Privat ermittler Georg Dengler. Beiden Ansprüchen wird Wolfgang Schorlau auch in seinem neuen Roman, in dem es um die Machenschaften der Pharmaindustrie geht, glänzend gerecht. Der sechste Fall führt Georg Dengler nach Berlin. Professor Dr. Bernhard Voss, Arzt an der Charité, wird eines schrecklichen Verbrechens verdächtigt. Sein Verteidiger bittet Dengler um Unterstützung. Dieser steht plötzlich vor einem Abgrund an Manipulationen. Fast beiläufig erzählt Schorlau zugleich eine Geschichte über den Widerstand gegen Stuttgart 21, in dem Denglers Sohn Jakob aktiv ist. "Zwei Jahre lang habe ich über die Pharma - industrie recherchiert", schreibt Schorlau im Nachwort. "Ich kann es nicht anders sagen: Diese Industrie wird von einer beispiellosen kriminellen Energie getrieben."



    Über den Autor


    Wolfgang Schorlau lebt und arbeitet als freier Autor in Stuttgart. Neben den fünf "Dengler"-Krimis "Die blaue Liste (KiWi 870), "Das dunkle Schweigen" (KiWi 918), "Fremde Wasser" (KiWi 964), "Brennende Kälte" (KiWi 1026) und "Das München-Komplott" (KiWi 1114) hat er den Roman "Sommer am Bosporus" (KiWi 844) veröffentlicht und den Band "Stuttgart 21. Die Argumente" herausgegeben. 2006 wurde er mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet. 2010 erschien seine Biografie "Das brennende Klavier. Der Musiker Wolfgang Dauner" bei der Edition Nautilus.



    Georg Dengler, ein ehemaliger Mitarbeiter der BKA, arbeitet als Privatermittler. Als in Berlin der angesehene Professor Dr. B. Voss der Vergewaltigung und des Mordes an der 9jährigen Jasmin verdächtigt wird, wird Dengler vom Anwalt des Professors um Hilfe gebeten.
    Nach einigem Zögern stimmt Dengler zu und nimmt die Ermittlungen auf. Dabei gerät er immer wieder in Konfrontation mit der Berliner Polizistin Finn Kommareck. Aber nicht nur in Berlin wird Dengler gebraucht, auch in seiner Heimat Stuttgart ist er gefragt. Hier mischt sich sein Sohn unter die Demonstranten zu Stuttgart 21. Ehe Dengler es sich versieht, wird er selbst des Mordes beschuldigt und setzt alle Hebel in Bewegung, um seine Unschuld beweisen zu können ...


    Das Buch ist spannend und informativ geschrieben. Kurze Sätze steigern den Lesefluss. Die Handlung selbst besteht aus zwei Strängen, die sich erst am Ende vereinen. So ermittelt der Leser zum einen mit Dengler zusammen im Fall Voss und geht auf Demos zu Stuttgart 21 und auf der anderen Seite erfährt er viel über die Pharmaindustrie vom entführten Dr. Assmuss.


    Es war mein erstes Buch von diesem Autor. Eine Kenntnis der vorangegangenen fünf Bände war für das Verständnis dieses Werkes nicht notwendig. Das Buch steht für sich alleine. Die erste Hälfte des Buches hat mir sehr gut gefallen. Es war spannend und sehr informativ. Aber ab etwa der Hälfte, haben mich die Verhöre von Dr. Assmuss nur noch genervt. Man hatte das Gefühl, dass sich dieser Handlungsstrang im Kreise dreht, während der andere mit dem Fall Voss weiter zügig voranschritt.


    Fazit: Ein spannender Krimi, der ab der Hälfte von dem Verhör von Dr. Assmuss etwas ausgebremst wird.

  • Fuer mich war es der zweite Fall, den ich gelesen hab, vom Strickmuster schon sehr aehnlich wie "Fremde Wasser" - und das ist durchaus positiv gemeint.


    Schorlau schreibt Politthriller, die auf tatsaechliche Skandale in Wirtschaft und Politik basieren. Die Recherchen dazu sind sehr ausfuehrlich und Hintergrundmaterial ist fuer den Leser auf der Webseite zu finden.


    Im Roman kommen diese Hintergruende durch gut gemachte Perspektivwechsel zur Geltung. Auf der einen Seite hat man den Ermittler Dengler, der lange Zeit im Dunklen tappt und nach den Zusammenhaengen sucht. Auf der anderen Seite sind Kapitel eingeschoben, in denen wir aus Gespraechen mit einem entfuehrten CEO der Pharmaindustrie mehr ueber deren Machenschaften erfahren.


    In weiteren Kapiteln werden noch Eindruecke von Stuttgart 21 eingeschoben. Sie stehen ein wenig fuer sich und passen nicht so ganz zum Thema - so meinten jedenfalls einige Leser unseres Lesekreises. Ich fand es allerdings schon sehr interessant zu sehen, wie Jakob seinem Vater vorfuehrt, dass man dem Staat nicht immer trauen kann, das Richtige zu tun. Dengler hat da aus seiner frueheren Polizeiarbeit beim BKA doch wohl noch einiges von seiner Beamtenmentalitaet uebrig.


    Die Polizei als ganzes kommt hier nicht sehr gut weg, Brutalitaet und Inkompetenz stehen im Vordergrund. Einige wenige Ausnahmen koennen den Gesamteindruck da auch nicht mehr retten. Er sieht eher schwarz-weiss aus.


    Und auch die Pharmaindustrie wird hier doch sehr schwarz-weiss gemalt. Da liegt ganz sicherlich sehr vieles im Argen, aber Nuancen tun einem Thriller wohl nicht so gut ... Wir hatten in unserer Leserunde auch einige dabei, die sich mit dem Thema etwas auskannten und u.a. anmerkten, dass sich in den letzten 20-30 Jahren da durchaus vieles zum Guten gewendet hat, und die heutigen Skandale zeigen, dass man sich sehr viel weniger gefallen laesst als was frueher gang und gaebe war.


    Insgesamt fand ich diesen Fall schon interessant zu lesen, war aber etwas enttaeuscht, dass man doch schon sehr frueh raten konnte, wer denn nun der Moerder war. Da hat das Buch doch einiges an Spannung fuer mich verloren. Interessanterweise fand ich den 3. Dengler Fall spannender, bei dem der Plot von Anfang an so konzipiert war, dass der Leser wusste was Sache ist. Aber da war es eben auch die Absicht des Autoren es so zu schreiben und entsprechend wurde die Spannung durch andere Elemente erzeugt.


    Man kann Schorlau ja auch fragen, warum er nun zu dem Thema ausgerechnet einen Krimi/Thriller geschrieben hat anstelle eines Sachbuches. Aber da sagt er klar, dass er eben ein Erzaehler ist. Das gefaellt mir auch an ihm :-) Hab aber dennoch mal unten einen Sachbuchtitel zum Thema verlinkt.


    Fazit: Ein durchaus spannend und interessant geschriebener Politkrimi. Man lernt so einiges ueber die Pharmaindustrie. Ein bischen viel Schwarz-Weiss-Malerei, ein bischen Spannungsverlust, aber insgesamt gern gelesen.

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

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  • Die Bücher Wolfgang Schorlaus lassen nach dem Lesen immer ein gewisses Unbehagen zurück: man wünscht sich, daß alles nur Fiktion sein möge und ahnt doch, daß es wahr ist. Interessant sind in diesem Zusammenhang auch immer die Informationen des Autors auf seiner Website. "Die letzte Flucht" ist da keine Ausnahme: Die Pharmaindustrie und Stuttgart 21 sind die Themen, um die es geht. Leider kam Stuttgart 21 etwas zu kurz, dieser Punkt spielte leider nur eine Nebenrolle, dabei gäbe es zu diesem Thema sicherlich mehr zu sagen.
    Die Pharmaindustrie wird in zwei Handlungssträngen behandelt: zum einen ist da der Verdächtige Dr. Voss, der unter dem Verdacht verhaftet wurde, ein neunjähriges Mädchen vergewaltigt und ermordet zu haben. Zum anderen gibt es einen entführten Manager der Pharmaindustrie, der aus dem Nähkästchen plaudert - wenn auch nicht ganz freiwillig.
    Der Roman ist gut durchdacht und spannend aufgebaut, wobei die Spannung durch viele Szenenwechsel und kurze, prägnante Sätze aufrecht erhalten wird. Das Privatleben Denglers kommt hier kürzer als in anderen Romanen, vor allem seine Vorliebe für Jazz ist überhaupt kein Thema.
    Die Geschichte an sich jedoch erscheint sehr unwahrscheinlich, wenn der Durchschnittsbürger den Pharmariesen auch allerhand zutraut. Leider bleibt die Krimihandlung vor der Kritik an der Pharmaindustrie etwas auf der Strecke und erscheint zu konstruiert, dafür wird die ermittelnde Kriminalbeamtin zusehends sympathischer.
    Fans von Wolfgang Schorlau wird dieses Buch sicherlich gefallen, denn es macht nachdenklich und ist beklemmend. Neu-Einsteiger, die sich "nur" einen spannenden Krimi erhoffen, sollten besser zu einem anderen Band der Serie greifen.

    liebe Grüße
    Nell


    Ich bin zu alt um nur zu spielen, zu jung um ohne Wunsch zu sein (Goethe)