Das Paradies - Meine Jugend nach der Mauer - Andrea Hanna Hünniger

  • DAS BUCH (Amazon.de)
    Die Stimme einer neuen Generation - die letzten Kinder von Marx und Milka
    »Das Paradies« ist die Geschichte einer Kindheit im Ostdeutschland der 90er-Jahre. Das Portrait einer Generation, die die DDR nur aus der Erinnerung der Eltern kennt. Andrea Hanna Hünniger erzählt von einem Land, das die Deutsche Einheit wie ein Kahlschlag, ein Raubzug, eine Brandrodung trifft.


    Klappentext
    Die 90er-Jahre in Ostdeutschland: neue Supermärkte, rote Mountainbikes, schweigende Eltern. Wie nebenbei ist für die damals fünfjährige Autorin die Mauer gefallen. Der Vater bekommt eine Hirnhautentzündung, die Mutter eine Umschulung. »DDR? Was ist das?« fragt die Autorin ihre Eltern, die stumm werden wie die Fische im Aquarium. Was sollen die großen Supermärkte, wenn die Eltern einem nie Süßigkeiten kaufen? Was immer der Sozialismus war, da schwingt etwas von Zahnarzt mit. Während die Eltern sich hinter den Plattenbaumauern verschanzen, erziehen die Kinder sich selbst zwischen der Kleingartensiedlung, die alle das »Paradies« nennen und den Probierständen im Supermarkt, wo es den Helmut-Kohl-Gedenkkuchen gibt, den man mit der Verpackung essen kann. Andrea Hanna Hünniger erzählt brillant von ihrer Generation - die zwischen den Idealen der Eltern und Verheißungen eines neuen Landes steht.
    »Die ersten Worte, die ich von Andrea Hanna Hünniger las (und mit ihr wechselte), ließen mich bereits ungeduldig auf das warten, was jetzt vor uns liegt: Die brillante literarische Re- und Dekonstruktion Ostdeutschlands durch eine 1984 in Weimar geborene Erzählerin.« Thomas Meinecke



    DIE AUTORIN (aus dem Buch)
    Andrea Hanna Hünniger, geboren 1984 in Weimar, wuchs dort in den Neunzigerjahren in einem Plattenbauviertel auf. Sie studierte Literatur, Geschichte und Philosophie in Göttingen und Berlin, und arbeitete als Chefredakteurin für ein Göttinger Stadtmagazin. Sie schrieb als freie Autorin für die "FAZ" und "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" und ist heute Autorin für "Die Zeit".




    MEINE MEINUNG
    Auf dem Klappentext heißt es vollmunding im Zitat von Tomas Meinecke, dass es sich um "die brilliante literatische Re- und Dekonstruktion Ostdeutschlands durch eine 1984 in Weimar geborene Erzählerin" handelt.
    Ich habe mich auf die Sicht auf die Vergangenheit von jemandem gefreut, die da eigentlich keine eigenen Erinnerungen haben kann - allein schon vom Alter her. Jedoch: Andrea Hünniger schildert in ihrem Buch eigentlich gar keine Erinnerungen. Die Eltern fragt sie zwar manchmal, wie etwas gewesen ist, aber erhält keine oder nur unzureichende Antworten. Auch sonst erscheint das geschilderte Leben nur aus einzelnen Fragmenten zu bestehen, die von einer weniger schönen Kindheit zeugen.


    Das gesamte Buch wirkte auf mich wie der wirre Bericht eines Junkies, der die Fetzen so von sich gibt, wie sie gerade im Rausch aus ihm (oder ihr) herauskommen. Auf keinen Fall hatte ich beim Lesen das Gefühl, hier das Werk einer Journalistin vor mir zu haben. Ich habe keine Tagebuch-Form erwartet, aber eine bestimmte Stringenz beim Berichten von Erinnerungen (oder das, was man dafür hält) sollte schon vorhanden sein.


    Auch die Schreibart von Andrea Hünniger ist mehr als gewöhnungsbedürftig. Die Sätze, die oft keine sind, sind kurz und abgehakt. Verben - braucht man scheinbar nicht, sind überbewertet.... und können deswegen auch in gefühlt jedem fünften Satz weggelassen werden. Ich finde auch, dass kurze Sätze mehr als hinderlich sind, um wirklich in eine Handlung reinzukommen, alle Schilderungen wirken so weit entfernt und man kann nie wirklich eine Beziehung aufbauen zu dem, was man liest, denn nach drei Worten ist auch schon wieder das Thema vorbei und es geht mit etwas anderem - völlig abstrusen - weiter.


    Das Buch behandelte für mich weniger die Thematik "Kindheit im ehemaligen Ostdeutschland" sondern eher das Problem, das es heutzutage in Gesamtdeutschland gibt: Kinder wachsen auf, Eltern kümmern sich zu wenig oder falsch, jeder erwartet alles von anderen (ist aber nicht bereit, selbst mal etwas zu tun, zu machen, in die Hand zu nehmen). Ein informatives "Sachbuch" (wie es selbst außen auf dem Cover steht) sieht anders aus!

  • Kann Dir wirklich nur zustimmen! Hier meine eigene Rezension:


    Tut mir leid, liebes Buch, mehr als eine leidlich mittlere Bewertung wirst du von mir nicht bekommen. Dabei hatte ich mich so auf dich gefreut. Und vor allem hatte ich deinem Klappentext, und dem Beruf deiner Autorin (Journalistin) vertraut.


    Was man heutzutage so als "Sachbuch" bezeichnet, erstaunt mich wirklich. Ein Sachbuch ist dieses Werk nur insofern, als es Geschehnisse behandelt, die sich wirklich so ereignet haben sollen. Aber alles, was für mich eigentlich ein Sachbuch ausmacht, fehlt: Wenn schon kein Panorama, dann doch wenigstens Konzentration auf und Durchleuchtung von bestimmten Bereichen. Eine fundierte Auseinandersetzung. Persönliche Sachkenntnis. Quellen, Vergleiche, Studien, Fotos.


    Die Autorin hat sich leider auf keinen Bereich wirklich konzentriert. Selbst die neun Kapitelüberschriften bleiben eher zufällig, und treffen höchstens die Hälfte von dem, was dann unter dieser Überschrift erzählt wird. Besonders auffällig wird das in dem Kapitel "Funktionäre", in dem überhaupt keine Funktionäre vorkommen, sondern in dem sich munter Beschreibungen einer Beerdigung mit wilden Sprüngen in Vergangenheit und Zukunft abwechseln. Enttäuscht war ich auch vom Kapitel "Glauben". Gefühlte zwei Absätze beschäftigen sich tatsächlich mit dem, was ostdeutsche Jugendliche so glauben und glaubten. Der Rest besteht aus eher zusammenhanglosen Erinnerungen an eine Jugendweihe, und an einen Schuh (!), der auf einen Acker geworfen wurde. Also bitte, Sachbuch sieht anders aus!


    Die Autorin hat einfach, wie mir scheint, in ihren Erinnerungen gekramt, und wie in einer Collage etliche Schnipsel zu Kapiteln verbastelt. Aber es bleibt beim Leser doch der Eindruck haften, dass sie nicht recht weiß, was sie schreiben soll. Denn schließlich war sie zum Zeitpunkt der Wende erst 5 oder 6 Jahre alt. Wirklich verstanden hat sie damals natürlich noch nichts - was die Politik und manches andere betrifft, mussten über Jahre hinweg mühsam Eltern und Verwandte befragt werden. Und auch die haben oft nichts gesagt, flüchteten sich in mühsam erworbene Jobs, entwickelten kuriose Manien, oder wurden depressiv. Vielleicht ist es gerade das, was das Buch vermitteln kann bzw. will: die Erfahrung einer Entwurzelung einer ganzen Generation.


    Aber seinem offensichtlichen Anspruch wird das Buch ganz gewiss nicht gerecht. Es ist weder wirklich ein Sachbuch, noch behandelt es "Meine Jugend". Es sind Blitzlichter, Schlaglichter, tagebuchartige Erinnerungen, mal hier, mal da ein wenig. Sicher ist manches komisch, manches auch tragisch, manches geradezu hellsichtig. Aber es fehlt ein roter Faden, eine klare Erzählhaltung, etwas, das man dem Leser als Essenz, als Botschaft mitgeben könnte. Und dass die Autorin Journalistin sein soll,merkt man hier auch nicht besonders. Die Schreibweise wirkt oft unbeholfen, die Sätze abgehackt, wild dahingeschrieben. Sehr gestört haben mich in späteren Kapiteln die scheinbar planlos und bemüht eingestreuten englischen Sätze/Zitate. Das sollte wohl Wut oder Coolness ausdrücken - wirkte bei mir aber eher verkrampft. Nun ja, man kann das Buch sicher lesen - aber man muss es auf keinen Fall.

  • Einen Punkt, den Du aufgegriffen hast, muss ich auch nochmals rausstellen:


    Andrea Hünniger ist ja Journalistin, also man sollte eigentlich denken, dass sie weiß, wie man schreibt. Aber für mich hat das alles so unstrukturiert gewirkt, als ob ein Kindergartenkind mit Aufmerksamkeitsdefizit etwas erzählt.


    Ich finde das dann schon fast peinlich, wenn jemand, der von Berufs wegen eben eigentlich wissen sollte, wie ein guter (auch wenn man darüber streiten kann) Text geht, einfach nur Worthülsen aneinanderreiht.


    Einen "regulären" Text von Andrea Hünniger habe ich noch nicht gelesen, aber ich denke, sofern ich ihren Namen über einem Artikel sehen sollte, wäre ich erst einmal vorsichtig :lache Oder hat da jemand schon andere Erfahrungen gemacht?

  • Zitat

    Original von dschaenna
    Aber für mich hat das alles so unstrukturiert gewirkt, als ob ein Kindergartenkind mit Aufmerksamkeitsdefizit etwas erzählt.



    :-) Besser hätte ich das nicht ausdrücken können!