Die Offenbarung - Robert Schneider

  • Über den Inhalt
    Der Naumburger Organist Jakob Kemper findet am Heiligabend des Jahres 1992 im morschen Gehäuse der Kirchenorgel ein bislang unbekanntes Oratorium von Johann Sebastian Bach. Der Fund stürzt den Eigenbrödler in schwere Gewissenskonflikte, da Experten der Bachgesellschaft erwartet werden, um die Restaurierung der Orgel, auf der Bach einst selbst gespielt haben soll, zu überwachen.
    Kemper hat den Wissenschaftlern seine Dienste angeboten, und ist über deren ablehnende Haltung noch immer sehr erbost. Aber nicht nur deshalb hadert er mit sich, ob er seinen Fund überhaupt mit der Welt teilen soll. Je länger Kemper nämlich die Partitur studiert, desto mehr wächst in ihm die Überzeugung, dass Bach am Ende seines Lebens eine Art kosmisches Gesetz entdeckt haben muss, an dem die Seele des Menschen gesunden kann – oder in tiefste Verzweiflung stürzt.


    Meine Meinung
    Mir hat der Roman besonders am Anfang sehr gut gefallen. Die Darstellung des verschrobenen Jakob Kemper gelingt dem Autor ganz vortrefflich, und auch seinen Sinn für eine gewisse Situationskomik fand ich recht unterhaltend. Mit dem Fund des Oratoriums gerät der Erzählfluß zwar etwas ins Stocken, doch entschädigt ein brillanter Stil für gewisse inhaltliche Schwächen.
    Die unerwartete Schlußwendung hat mich wiederum einigermaßen überrascht und ist Robert Schneider sehr gut geglückt. Den Beweis, dass die Herren Professoren von der Bachgesellschaft womöglich doch nicht die Experten sind, die sie zu sein vorgeben, durfte der große Musiker am Ende der Geschichte selbst erbringen, und das in einer seiner Zeit perfekt angepaßten Erzählweise.
    In diesem Stil würde ich mir die historischen Romane insgesamt wünschen, um sie als authentisch empfinden zu können.
    Alles in allem ein gelungenes Buch, das ich ruhigen Gewissens einer Leserschaft weiterempfehlen kann, die auch hin und wieder gerne zu nicht alltäglicher Lektüre greift.

  • Hm, bis gestern früh gab es zu diesem Buch noch keine Rezi, und ich hatte meine schon vorgeschrieben. Da war wohl jemand schneller :grin




    Die Offenbarung – Robert Schneider


    Taschenbuch: 285 Seiten
    Verlag: Aufbau Taschenbuch; Auflage: 1 (18. Februar 2009)
    ISBN-10: 3746624819
    ISBN-13: 978-3746624815


    Inhalt (Klappentext)
    Das Mysterium der Musik
    Am Heiligabend des Jahres 1992 entdeckt ein Naumburger Gehäuse der Kirchenorgel ein unbekanntes Oratorium von Johann Sebastian Bach: ein Jahrhundertfund, der sein Leben verändern wird.
    Robert Schneider eröffnet uns durch seinen liebenswürdig verschrobenen Helden einen erstaunlichen Blick auf die Macht der Musik und nicht zuletzt auf den großen Meister Bach selbst.


    Über den Autor
    Robert Schneider (* 16. Juni 1961 in Bregenz, Vorarlberg) ist ein österreichischer Schriftsteller.
    Er wurde als Kind mit zwei Jahren von dem Bergbauern-Ehepaar Anton und Stephanie Schneider adoptiert und wuchs in Götzis (Vorarlberg) auf, wo er noch heute als freier Schriftsteller lebt. Er ist verheiratet und Vater von zwei Kindern.
    Von 1981 bis 1986 studierte Schneider Komposition, Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte in Wien. Er brach sein Studium ab, um Schriftsteller zu werden, arbeitete als Fremdenführer und Organist, hielt sich mit diversen Literaturstipendien über Wasser.
    Seinen Debütroman Schlafes Bruder veröffentlichte er 1992 im Reclam-Verlag (Leipzig).


    Meine Meinung


    Erstaunlich, wie weit manchmal Erwartungen und Realität auseinander liegen, sich Enttäuschung breit macht, und dann wendet sich plötzlich alles noch einmal.
    So ergeht es nicht nur den glücklosen Organisten Jakob Kemper, so erging es auch mir beim Lesen. Erstmal sei vorangestellt, dass Robert Schneiders Romane immer irgendwie etwas Besonderes für mich sind, wenn es um Musik geht erst recht. Da es in diesem Buch laut Klappentext so sein sollte, waren die Erwartungen bei mir entsprechend hoch. Allerdings hat es recht lange gedauert, bis sich in mir etwas rührte. Einförmig wie das Leben des unbedeutenden und sich dessen bewussten Kemper plätschert die Geschichte dahin, selbst nach dem großen Fund. Im Nachhinein finde ich das schon wieder gelungen, und ich denke, dass ich den ersten Teil des Romans beim wiederholten Lesen ganz anders wahrnehmen werde.


    Die wirkliche Bewegung geht erst durch den Roman, als Kemper beginnt die Partitur zu lesen, die Musik hinter den Noten zu fühlen...
    Dann beginnt die Geschichte zu leben. Die auf der Rückseite angekündigte Situationskomik fand ich allerdings nicht, habe sie aber auch nicht vermisst. Solche gestrandete Menschen wie Kemper machen mich eher traurig als dass sie mich belustigen.
    Das letzte Kapitel hätte der Roman für mein Empfinden nicht gebraucht.


    Um wieder zum Anfang zu kommen: Im Laufe des Romans gelang es Schneider mich zu fesseln, mich mit hinein zu nehmen in den Klang der nie erklungenen Musik. Ein gelungener Roman!


    8 Punkte von mir

  • Schneller war ich wohl nur deshalb, weil ich diese Woche Urlaub hatte, Clare, obwohl's ja auch egal ist, wer zuerst eine Rezi einstellt.


    Beim Durchlesen der Deinigen hatte ich schon das Gefühl, dass wir prinzipiell dasselbe Leseerlebnis hatten, wenn wir uns auch in 2 Punkten voneinander entfernt hatten.
    Die Situationskomik habe ich schon gefunden, besonders eben am Anfang. Was dich wahrscheinlich traurig gestimmt hat, hat mir in gewissen Szenen doch immer wieder ein Schmunzeln entlockt, aber nicht im Sinne von jemanden auslachen. Ich halte solche gut getroffenen Darstellungen immer dem Talent des Autors zugute, und davon besitzt Herr Schneider ja wirklich sehr viel.
    Und auch das, worauf Du verzichten hättest können, das letzte Kapitel, war für mich sozusagen die Schlüsselszene, in der der Autor (in dichterischer Freiheit, nehme ich jetzt mal an) den Meister selber zu Wort hat kommen lassen. Wie er das sprachlich hinbekommt, hat mir wieder einmal mehr gezeigt, wie historische Romane sein könnten ...