Inhalt:
Als der Obdachlose Chap in einer Notunterkunft für schwierige Kinder beharrlich für den vermissten Cassiel Roadnight gehalten wird, der ihm erschreckend ähnlich sieht, kann er schließlich nicht anders: Er nimmt seine Identität an.
„Ich überlegte, in was für einem Haus Cassiel wohl lebte, in was für einem Zimmer, und wie es sich anfühlen würde, wenn es mir gehörte. Ich dachte an das Frühstück am Küchentisch, an Pfannkuchen und schlechte Witze und Orangensaft und die gelbe Sonne auf unseren Gesichtern. Ich dachte, wie es sein würde, zur Schule zu gehen und Freunde zu haben und normal zu sein.Ich sehnte mich nach dem, was Cassiel Roadnight hatte. Mit jedem Atemzug sehnte ich mich danach.“
(S. 18-19)
Aber während Chap noch versucht, als vermeintlicher Cassiel nicht aufzufliegen und das neue Familienleben zu genießen, muss er herausfinden, auch in der neuen Familie nicht alles normal ist. Und was war vor zwei Jahren der Grund für das Verschwinden des echtes Cassiels?
Meine Meinung:
Nachdem ich von Jenny Valentine „Die Ameisenkolonie“ gelesen habe, bin ich begeisterter Fan der Autorin. Selten habe ich ein Buch gelesen, das auf so wenigen Seiten so viel Gefühl übermitteln kann.
Umso mehr habe ich mich gefreut, als ich nun das neue Buch von ihr in den Händen hielt, das als „atemberaubender Thriller über Familie, Identität und Selbstfindung“ gehandelt wird.
Das Buch startet in altbekannt guter Manier: Schon auf den ersten Seiten, wird sehr beeindruckend und glaubwürdig das Bedürfnis eines vermutlich jeden Jugendlichen nach einem Zuhause, nach einer liebenden Familie und vor allem nach Identität und Zugehörigkeit beschrieben.
Ich mag die Charakterzeichnungen der Autorin, die Personen erschafft, die gleichzeitig beeindruckend stark, aber dann doch auch wieder so schwach und liebebedürftig sind.
Im Verlauf des Buches wird die Geschichte aber mehr und mehr zu einem wirklichen Jugendthriller: es geht um die Aufklärung von Ungewissheiten und plötzlich steht ein gefährlicher Gegner im Raum. Und so sehr ich Thriller sonst auch lesen mag: Wenn ich ein Buch von Valentine lese, möchte ich keine spannungsgeladenen Erlebnisse geschildert bekommen, sondern ich möchte zwischen Lachen und Weinen schwanken.
Ich glaube, dass ich aufgrund meiner besonderen Erwartungshaltung durch „Die Ameisenkolonie“ etwas enttäuscht von der Geschichte war: Sie ist weniger bewegend und mehr spannend.
Das soll aber nicht heißen, dass ich das Buch nicht geradezu verschlungen habe. Jenny Valentine ist durchaus ein Jugendroman gelungen, der sich von anderen Jugendbüchern abhebt. Sie greift auf eine ganz eigene Weise das Thema der Identitätsfindung auf. Ich vergebe 7 von 10 Sternen und damit eine klare Leseempfehlung.