Inhaltsangabe (dem Klappentext entnommen)
Ein Leben, so lang wie ein Jahrhundert und auf drei Kontinenten: Freya von Moltke erlebte das Kaiserreich, die Zeit des Ersten Weltkrieges und die liberale Aufbruchstimmung der Weimarer Jahre; sie kämpfte an der Seite ihres 1945 hingerichteten Mannes Helmuth James von Moltke gegen den Nationalsozialismus; sie verbrachte die ersten Jahre nach dem Krieg in Südafrika und litt nach ihrer Rückkehr unter der Geschichtsvergessenheit der frühen Bundesrepublik. Seit 1960 lebte sie in den USA zusammen mit dem Kulturphilosophen Eugen Rosenstock-Huessy und setzte sich nach dem Fall des Eisernen Vorhangs für die europäische Versöhnung ein. Frauke Geyken schildert auf der Grundlage bisher unbekannter Quellen und zahlreicher Gespräche ein unbeugsames Leben für Freiheit und Demokratie.
Die Autorin
Dr. phil. Frauke Geyken ist Historikerin und Publizistin und arbeitet für verschiedene Bibliotheken und Museen.
Meine Meinung
Ein schön aufgemachtes Buch mit Vorwort, neun Kapiteln mit diversen Unterkapiteln, einem Epilog, dem obligatorischen Dank, einer aufschlussreichen Zeittafel, drei Stammtafeln, den üblichen Anmerkungen, Bildnachweisen, Quellen- und Literaturverzeichnissen, einem Personenregister und 71 im Text untergebrachten Fotos.
Mit großer Sympathie erzählt Frauke Geyken über das Objekt ihrer Biografie, breitet dieses „Jahrhundertleben“ (so im Untertitel) vor der Leserin staunenden Augen aus. Ein Leben, das mir unendlich reich erscheint, nicht so sehr an materiellen Dingen, auf die es Freya von Moltke wohl auch nicht so sehr ankam, sondern reich an Begegnungen, Erfahrungen, an Glück und Leid, reich aber ganz besonders an innerer Stärke. Sie muss eine große Selbstgewissheit besessen haben, war mit sich selbst im Reinen und sie hatte etwas mitbekommen, was aus ihr die Persönlichkeit werden ließ, die sie war, nämlich ein großes Herz, eine nicht minder große Liebesfähigkeit und eine bewundernswerte Lebensfreude und -zugewandheit.
Freya von Moltkes Herkunft, die starken Frauen unter ihren Vorfahren, auch die Tatsache, dass ihre Familie nicht so reich blieb, wie sie war, haben sie, so denke ich mir zumindest, gut auf das Leben vorbereitet, das sie an der Seite ihres Mannes Helmuth James von Moltke führte, haben sie befähigt, mit ihm die Sanierung des Gutes Kreisau anzugehen. Sie ist wohl gewachsen mit ihren Aufgaben, war sich nie zu schade, zuzugreifen, wo Arbeit getan werden muste, war von Anfang an involviert in den Widerstand des „Kreisauer Kreises“, unterstützte und stärkte ihren Mann während der Haftzeit. Das Leben nach Kriegsende kann für sie trotz einiger Unterstützung nicht leicht gewesen sein, es führte sie nach Südafrika, dann zurück in das Nachkriegsdeutschland Adenauers, dessen Haltung gegenüber dem Widerstand gegen Hitler sie entsetzt haben muss. Schließlich dann das Leben an der Seite von Eugen Rosenstock-Huessy in Amerika und das Finden ihres Themas, nämlich „die Vermittlung des Kreisauer Erbes“ (Seite 167) und die Versöhnung zwischen Ost und West.
Frauke Geyken spricht eine deutliche Sprache, zaudert nicht, in einigen Belangen, ganz besonders in Bezug auf das politische Klima der Adenauer-Republik und die (nicht stattfindende und oft gar nicht gewünschte) Auseinandersetzung mit dem Widerstand gegen Hitler klar Position zu beziehen. Der große Verdienst dieses Buches ist für mich, Freya von Moltke nicht auf „die Frau des Widerstandskämpfers“ zu beschränken, sondern sie in ihrer Eigenständigkeit zu zeigen, als politisch stets interessierte und im Geiste der Versöhnung arbeitende Persönlichkeit.
Beim Verfassen dieser Buchvorstellung habe ich immer wieder Sätze und Absätze neu formuliert, einiges gestrichen, anderes hinzugefügt, wohl wissend, dass ich dieser großen Frau, die für mich in der Entschiedenheit und Konsequenz, mit der sie ihr Leben lebte, zum Vorbild wurde, niemals werde gerecht werden können. Und letztlich ist das auch mein einziger Kritikpunkt an der Biografie von Frauke Geyken: Man kann das Leben der Freya von Moltke nachzeichnen, ihr Wirken benennen, was die Autorin auch für meine Begriffe gut und genau getan hat – aber für mich ist es zu kurz, zu wenig. Die Fülle und Früchte dieses Lebens in einem Buch unterzubringen erscheint mir fast nicht möglich. Trotz dieser kleinen Einschränkung ist dies eine der lesenswertesten Biografien, die ich kenne.