Gebundene Ausgabe: 510 Seiten
Verlag: Hoffmann und Campe
erschienen am 29. August 2011
zum Inhalt:
Ilsabe Bunk lernt früh, dass es Frauen schwerer im Leben haben. Nur die Mutter schenkte ihr die Liebe, die ein Kind benötigt. Leider starb diese bereits als Ilsabe drei Jahre alt war. Von der Familie misshandelt, auf dem Hof des Schwagers missbraucht, entschließt sie sich, von Verden wegzugehen. Nach mehreren kurzzeitigen Anstellungen kommt sie nach Hamburg. Das Leben hat der stillen Frau bisher deutlich gemacht, dass sie als Frau nicht die Möglichkeit hat, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Sie braucht einen Mann, der für sie sorgt, um in der Gesellschaft akzeptiert zu werden. So kommt sie auf die Idee, sich selber als Mann auszugeben und ihren Namen zu ändern. Als Hinrich Bunk arbeitet sie fortan bei den Flussschiffern. Niemand schöpft Verdacht, bis eine enthauptete Leiche gefunden wird und Hinrich unter Verdacht gerät. Der vom Hamburger Stadtgericht abgestellte Advokatus Wrangel bringt bei seinen Ermittlungen überraschendes zutage.
über die Autorin:
Claudia Weiss, Jahrgang 1967, ist promovierte Historikerin und Privatdozentin. Sie hat in Hamburg und Moskau Geschichte, Slawistik und Geographie studiert und im Anschluss zwölf Jahre als Osteuropa-Historikerin in Deutschland, Frankreich und Russland geforscht und gelehrt, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Neben wissenschaftlichen Fach publikationen schrieb sie für GEO Epoche und veröffentlichte im März 2011 Das Reich der Zaren, einen Sachbildband. Schandweib ist ihr erster Roman. (Quelle: Verlag)
Interessant ist auch die Internetseite des Buches.
meine Meinung:
Claudia Weiss legt ihrem Debütroman den auf wahren Begebenheiten beruhenden Hamburger Vorfall aus dem Jahr 1701 zugrunde. Der Tatsachenbericht liest sich spannend wie ein Kriminalroman. Die Autorin zeichnet darin ein dichtes Gesellschaftsporträt. Plastisch hebt sie ihre Protagonistin Ilsabe hervor, die aus Mangel an Liebe und Fürsorge seelisch verkümmert ist. Nach einigen gewalttätigen Übergriffen zog sie sich aus Selbstschutz Männerkleidung an. Was uns heute zu einem verständigen Nicken veranlasst, war seinerzeit per Gesetz verboten. Der Ilsabe an die Seite gestellte Pflichtverteidiger Wrangel hatte insofern einen schlechten Stand, diesen Fall zugunsten seiner Mandantin zu verhandeln.
Der Fall scheint über eine lange Zeit eindeutig. Ilsabe hat gegen die Norm verstoßen und ihren Mitmenschen vorgegaugelt, jemand anderes zu sein. Da ihr Advokatus das Strafmaß so nicht hinnehmen will, stellt er eigene Nachforschungen an. Diese Wendung der Geschichte nutzt Weiss, um die Hamburger Politik mit einfließen zu lassen. Sowohl die wirtschaftliche Situation als auch die Ränkeschmiede im Senat werden deutlich. Als Wrangel mit einem jüdischen Geschäftsmann zusammentrifft, werden obendrein die religiösen Fronten sichtbar. Mit dem Beleuchten dieser Fakten erhöht sich obendrein die Anzahl der Verdächtigen, die den eingangs erwähnten Mord tatsächlich begangen haben könnten.
Die studierte Historikerin schafft es mit diesem Roman, viel Wissen über die Zeit mitzuteilen, ohne dass der Leser überfordert wird. Sie legt dabei viel Wert auf die Darstellung der Gepflogenheiten und Lebensumstände. Der flüssige Schreibstil erhöht den Spaß zusätzlich. Die Spannung erhöht sich durch die leisen Töne fast unmerklich. Auch nach der letzten Seite bewegt die Geschichte nicht nur sanfte Gemüter. Das Schandweib ist eindeutig ein Lesetipp.