Unterschätzte, verkannte, unbekannte Bücher

  • Hallo,


    das würde mich mal interessieren. Kennt Ihr das, Ihr kauft auf dem "Wühltisch" ein Buch, weil es günstig ist und sich die Handlung ganz gut anhört, obwohl ihr von dem Autor noch nie was gehört habt? Und dann stellt sich heraus, dass dieses Buch eines der besten ist, das ihr seit langem gelesen habt, und dann fragt Ihr Euch: warum kennt das fast niemand?


    Was sind für Euch solche Bücher?


    Also, bei mir sind es z.B.:
    Der Wolkenatlas - David Mitchell
    Hangover Square - Patrick Hamilton
    Being dead - Jim Crace.
    Die merkwürdigen Erinnerungen des Thomas Penman - Bruce Robinson


    Kennt Ihr das?


    LG,
    Melanie

  • Bei mir ist es eindeutig das hier:


    Laut Verlag wird hier „die heimliche Vorgeschichte des 11. September“ erzählt. Oder die des 7. August, als in London die Bomben explodierten? Liefert Aslam das Buch zum Anschlag? Vermag der aus Pakistan stammende 39-Jährige zu erklären, was britische Bürger seiner Generation zu Terroristen macht?
    Nun, es geht um religiös motivierte Gewalt, die in einem Ehrenmord gipfelt. Schauplatz ist das Einwandererviertel einer englischen Stadt, "Dasht-e-Tanhaii", Wüste der Einsamkeit, genannt. Dort leben Menschen, die ihre Heimat verlassen haben, aber nie in England angekommen sind: Männer, die im Namen des Koran ihre Frauen schlagen; Mütter, denen ihre Kinder fremd werden; Kinder, die sich zwischen ihren Eltern und einem (weißen) Partner entscheiden müssen. Sie sind „halb Pakistani und ... halb Mensch“, fühlen sich wie Hunde, die zwar Fleisch kriegen, aber nicht bellen dürfen.


    Aus Opfern werden Täter und der Islam leistet Schützenhilfe. Die Religion ist Balsam auf die Wunden der Geschlagenen, gleichzeitig „streuen die heiligen Männer und Frauen auch noch Salz in diese Wunden“. Alle kommen zu Wort -- Gläubige, Frömmler, Zweifler, Ungläubige -- und zuweilen müssen die Figuren als Sprachrohre herhalten. Vereint sind die Extreme in einem alten Ehepaar und zu allererst ist das Buch ein großartiger Familienroman und mindestens ebenso poetisch wie politisch. Die Natur erscheint als Gegenentwurf zur bösen Menschenwelt -- naiv gedacht und sehr schön gemacht. Aslam ist ein Meister im Vergleichen (der Tritt auf die Eisschicht wie ein Messer, „das über Toast kratzt“), der uns sämtliche Sinne öffnet, nicht ohne den Bilder-Bogen immer wieder zu überspannen.

    Einige Bücher soll man schmecken, andere verschlucken und einige wenige kauen und verdauen.

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  • Viele Bücher, die ich hier vorstelle, selbst wenn ich davon begeistert war, sinken immer ganz schnell in den Eulenkeller hinab. Offensichtlich interessiert das sonst niemanden.


    Selbst der "Roman unsrerer Kindheit" von Georg Klein, der ja immerhin den Preis der Leipziger Buchmesse bekommen hat, blieb weitestgehend unbeachtet. Lediglich Herr Palomar, wie ich ein Meister der unbeantworteten Rezension, hat dieses großartige Buch auch gelesen.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Hm, eigentlich nicht, da ich meist keine Bücher auf dem Wühltisch kaufe. Und unbekannt sind mir die Autoren auch fast nie, weil ich mich meist schon im Internet informiere.


    Aber ich hab schon einige Bücher von eher unbekannten Autoren die ich sehr gerne mag, die aber nicht so bekannt sind (zumindest hab ich das Gefühl, dass es nicht so bekannt ist).


    Zum Beispiel ist das bei mir


    Mina Hepsen - Unsterblich wie die Nacht, Unsterblich wie ein Kuss, Unsterblich wie die Liebe und Unsterblich wie der Morgen.


    Ich liebe diese Reihe. Sie ist wirklich toll.


    Und dann sind da noch folgende Reihen:


    Herbie Brennan - Elfenreihe (beginnend mit das Elfenportal)


    doch eher unbekannt und die Bücher sind auch nicht mehr ganz so leicht zu finden, aber ich mag die Reihe sehr gern.


    und außerdem von Julianne Lee die Reihen Das Schwert der Zeit und der Ritter der Zeit. Da ist es ungefähr wie bei der anderen Reihe.


    Bei diesen Autoren frag ich mich oft einfach warum die fast niemand anders kennt. Ok, Mina Hepsen kennen noch ein paar, aber Herbie Brennan und Julianne wirklich nur ganz wenige.

  • Zitat

    Original von DraperDoyle
    Lediglich Herr Palomar, wie ich ein Meister der unbeantworteten Rezension, hat dieses großartige Buch auch gelesen.


    Der Satz freut mich, weil ich bisher erst 2 Rezensionen hier eingestellt habe und beide ohne Antwort blieben und da hatte ich dann Angst, meine Rezension wäre mies oder dumm, und daher hab ich dann das Rezensieren lieber sein lassen. Aber vielleicht liegt es wohl einfach nur daran, dass - leider - niemanden das Buch interessiert. Das macht mir Mut, weiterhin Rezensionen zu schreiben. Auch wenn das nun ja gar nicht Thema dieses Threads ist.

  • Zitat

    Original von Frettchen


    Der Satz freut mich, weil ich bisher erst 2 Rezensionen hier eingestellt habe und beide ohne Antwort blieben und da hatte ich dann Angst, meine Rezension wäre mies oder dumm, und daher hab ich dann das Rezensieren lieber sein lassen. Aber vielleicht liegt es wohl einfach nur daran, dass - leider - niemanden das Buch interessiert. Das macht mir Mut, weiterhin Rezensionen zu schreiben. Auch wenn das nun ja gar nicht Thema dieses Threads ist.


    Das passt insofern zum Thema, als unbeantwortete Rezensionen, selbst wenn sie das entsprechende Buch in den Himmel loben, ein Hinweis darauf sind, warum manche Bücher/Autoren unbekannt bleiben: es interessiert sonst keinen. Das sollte einen nicht abhalten, weiter Rezis zu schreiben, man kann sich ja damit trösten, dass man nunmal einen besonders exquisiten Geschmack hat :grin


    Es ist allerdings auch eine Frage der Masse. Selbst wenn die Eulen die Menge an Neuerscheinungen schonmal gründlich durchfiltern, bleibt doch ein erkleckliches Sümmchen an Rezis übrig, da kann einem schon das eine oder andere Buch durch die Lappen gehen und unbeachtet im Keller versinken.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • @Draper: es heißt doch nicht, dass niemand deine Rezensionen liest, nur weil keiner einen Kommentar dazu abgibt. Man muss doch nicht alles kommentieren, bzw erwartest Du einen Kommentar, wenn Du was geschrieben hast? Warum denn? :-) Ich lese vieles gerne, auch ohne Kommentare zu hinterlassen.

    Ailton nicht dick, Ailton schießt Tor. Wenn Ailton Tor, dann dick egal.



    Grüße, Das Rienchen ;-)

  • Zitat

    Original von rienchen
    @Draper: es heißt doch nicht, dass niemand deine Rezensionen liest, nur weil keiner einen Kommentar dazu abgibt. Man muss doch nicht alles kommentieren, bzw erwartest Du einen Kommentar, wenn Du was geschrieben hast? Warum denn? :-) Ich lese vieles gerne, auch ohne Kommentare zu hinterlassen.


    Ich hätte mir schon einen Kommentar gewünscht, weil ich irgendwie Komplexe habe :lache Ich habe noch nie was rezensiert, weil ich immer dachte, ich mache das eh nicht gut, zu unprofessionell, und meine Meinung ist eh nicht intelligent genug. Mir hätte da ein kurzer Kommentar schon geholfen und mich ermutigt.

  • rienchen, ich erwarte nicht, dass jemand einen Kommentar zu meiner Rezi schreibt.
    Aber es geht doch in diesem Thread um unbeachtete Bücher. Und wenn ich eine euphorische Rezi zu einem Buch schreibe, finde ich es schade, wenn sonst niemand dieses Buch auch gelesen hat. D.h. unbeantwortete Rezis empfinde ich nicht als persönliche Schmach, sondern es ist halt schade, dass das entsprechende Buch sonst offenbar niemand mitgerissen hat.


    Edit meint gerade, natürlich wäre es großartig, wenn als Kommentar zu meiner Rezi käme:
    "Eigentlich interessiert mich dieses Buch überhaupt nicht, aber deine messerscharfe Analyse, dein brillanter Wortwitz und dein ansonsten exquisiter Geschmack haben mich nun doch überzeugt, das Buch zu kaufen". :achtungironie


    Was kontraproduktiv wäre, wenn der Kommentator das Buch am Ende schaise finden würde :lache

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von DraperDoyle ()

  • Zitat

    Original von DraperDoyle
    Lediglich Herr Palomar, wie ich ein Meister der unbeantworteten Rezension [..]


    Das geht mir auch so. Ich habe zwar noch nicht so viele Beiträge auf dem Buckel, aber viele meiner Rezis bleiben auch unkommentiert.
    Für mich aber ok. Ich weiß ja, dass ich gerne mal abseits des Mainstream lese, teils auch schon rein thematisch (Sach- und populärwissenschaftliche Bücher machen etwa die Hälfte meines Lesepensums aus). Die Rezis schreibe ich in erster Linie für mich selbst. Wenn es doch den ein oder anderen motiviert, sich das Buch auch mal anzuschauen - um so besser ( wie bei "Die verlassene Geschichte" von Andres Ibanez)


    Ein verkanntes Buch für mich ist "Das Leben der Monsterhunde". Ich verstehe die Berührungsängste damit aber auch.. die hatte ich auch bevor ich es gelesen hatte.

  • Ich habe selber schon viele Bücher - auch unbekannter Autoren - aus dem Wühltisch herausgesucht, weil einfach der Klappentext interessant geschrieben war in meinen Augen. Es waren tolle Bücher dabei, aber auch einige, die ich mir hätte sicher sparen können, aber so ist es ja häufig mit Wühltischkäufen :grin

  • Werte Miteulen,


    interessant finde ich an diesem Fred, dass sich die Schicksale von tollen Büchern und tollen Menschen mitunter gleichen: Sie wünschen sich zu wissen, gelesen zu werden.


    Ich lese z.B. sehr gern Kommentare von Frettchen und Rienchen (Und auch von Mulle); und freue mich seit einigen Abenden auch immer, wenn ich was von Draper, Voltaire, Churchill finde.
    Manchmal sage ich das aber nicht, um nicht als Claquerin dazustehen die allen zubrüllt: Supa! Weiter so, Ja-cque-li-ne! Oder um nicht zuviel traffic zu verbreiten.


    Vielleicht ist das bei manchem unterschätzten Buch ebenfalls so: Es hat vordergründig nicht DEN "Erfolg" (objektiver Erfolg: Bestsellerlistenplatz, reichlich Penunsen und ein Auflagen-Sixpack, also sechsstellig).
    Aber dennoch hat es Erfolg: Es wirkt. Es wirkt nach, dass ein Einzelne/r hier eine Rezension schreibt, auf die er Schweigen erntet. Aber: Es wirkt in ihm nach, das Buch. Und, wer weiß - in dem einen oder anderen, der davon liest. Dert eines Tages über das Buch fallen wird, auf dem Flohmarkt, im Regal einer Bekannten, oder jemand im Zug liest es.
    Die Eule beugt sich rüber.
    "Darf ich Dein Buch haben?" fragt sie, ihre Augen wirken tief, zwei Tunnelenden.
    Der Fremde nickt. Er kann sich, will sich nicht wehren; etwas passiert. Genau davon hatte er geträumt, schon immer: Irgendwo, auf einer Reise, mitten auf dem Weg von Einerlei zu Irgendwo, trifft er den Mittelpunkt seines Lebens.
    Die Eule greift nach Roman.
    Man wird sie später finden, mit einem Lächeln auf den Lippen.


    ...


    Kurz: Ich bin davon überzeugt dass alles was wir tun und in die Welt schicken, eine Wirkung hat, die wir NIEMALS (ich schreibe dies mit Bedacht und vollster Überzeugung) erfahren werden. Wei ein Stein, der in Wasser fällt, niemals weiß, welche Wellenringe er hinterlässt.


    Also… lesen wir weiter, erzählen uns davon, und manchmal sagen wir vielleicht nur Danke. Dauert keine fünf Sekunden, inklusive "Applet-Erlauben"-Gehampel.


    Herzlichst


    _Nina



  • :anbet :anbet :anbet ... schön formuliert und spiegelt auch meine Meinung wieder :-)[/quote]

  • Zitat

    Original von DraperDoyle
    Viele Bücher, die ich hier vorstelle, selbst wenn ich davon begeistert war, sinken immer ganz schnell in den Eulenkeller hinab. Offensichtlich interessiert das sonst niemanden.


    Selbst der "Roman unsrerer Kindheit" von Georg Klein, der ja immerhin den Preis der Leipziger Buchmesse bekommen hat, blieb weitestgehend unbeachtet.


    Wenn du das Buch gerade so empfiehlst, werde ich es mir hier in der Bibliothek doch mal ausleihen - gibt es sogar auf Deutsch. Bisher konnte mich nur der Klappentext immer nicht so richtig überzeugen.


    (Und abgesehen davon: Ich lese deine Rezensionen wirklich gerne, sind auch oft interessante Dinge dabei. Leider kann man ja aber auch nicht alles lesen, was man gern lesen würde, dazu müsste der Tag ein paar mehr Stunden haben :-))

    "Es gibt einen Fluch, der lautet: Mögest du in interessanten Zeiten leben!" [Echt zauberhaft - Terry Pratchett]

  • Zitat

    Original von Mondspielerin
    interessant finde ich an diesem Fred, dass sich die Schicksale von tollen Büchern und tollen Menschen mitunter gleichen: Sie wünschen sich zu wissen, gelesen zu werden.


    hundertprozentig verstehe ich den Satz jetzt nicht, aber egal. Ob ich Torten backe, Socken stricke oder Aquarelle male: Anerkennung von außen tut immer gut, wer anderes behauptet ("ich mach das nur für mich!"), lügt sich entweder in die eigene Tasche oder ist autistisch.


    Aber Bücher sind halt keine Torten. Obwohl es sicherlich genug Autoren gibt, die mit einem "hat gut geschmeckt!" zufrieden sind, oder denen die Anerkennung ihrer Arbeit über Verkaufszahlen reicht, denke ich doch, dass so manche mehr bezwecken. Wer setzt sich sonst hin und unternimmt die Plackerei, Seite um Seite Text in die Tastaturen zu hämmern. Und der mag dann glücklich sind, wenn irgendein Leser da draußen auch nur einen Bruchteil dessen verstanden hat, was er sagen wollte.
    Und umgekehrt ist es auch mit der Rezensionschreiberin. Die hat im besten Falle die Mission, der Welt zu sagen: gucke, mit diesem Buch kannst ein klitzekleines bisschen lernen, die Welt zu verstehen.


    Denn Bücher funktionieren über Sprache, ich empfinde sie als besondere Art der Kommunikation. Zwischen Autor und Leser, naturgemäß eine eher einseitige Angelegenheit, oder zwischen den Lesern, da freut es einfach, wenn irgendwas aus dem Wald zurückschallt.


    saz : Klein ist sehr speziell, er hat meinen Nerv getroffen. Ich würde mich aber sehr über deine Meinung freuen, selbst wenn die da lautet: was fürn Mist!

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Kurz: Ich bin davon überzeugt dass alles was wir tun und in die Welt schicken, eine Wirkung hat, die wir NIEMALS (ich schreibe dies mit Bedacht und vollster Überzeugung) erfahren werden. Wei ein Stein, der in Wasser fällt, niemals weiß, welche Wellenringe er hinterlässt.


    Also… lesen wir weiter, erzählen uns davon, und manchmal sagen wir vielleicht nur Danke. Dauert keine fünf Sekunden, inklusive "Applet-Erlauben"-Gehampel.


    Herzlichst


    _Nina[/quote]


    War wirklich schön formuliert Dein gesamter Beitrag. Aber ich bin ein wenig erschrocken, dass Du mich einordnest als wen, dessen Beiträge du gern liest. Bin ja auch noch neu hier und daher immer relativ unsicher.
    Aber ich gebe mir Mühe.