The Boy in the Dress 2008
David Walliams (geb. 1971) ist Schauspieler und Star einer TV-Serie in England. Neuerdings ist er auch unter die Kinderbuchautoren gegangen.
Der Kicker im Kleid heißt Dennis. Er ist zwölf und lebt mit seinem Vater und seinem älteren Bruder John. Die Mutter hat die Familie verlassen. Daß die mutter ging hat keiner der drei so recht verkraftet. Der Vater ist in sich gekehrt, oft schlecht gelaunt und versorgt die beiden Jungen mehr schlecht als recht. John geht seine eigenen Wege, tyrannisiert Dennis aber gern. Dennis vermißt seine Mutter schrecklich, aber er darf nicht darüber sprechen. Sein Vater hat alles, was an die Muter erinnert, aus dem Haus verbannt und im Garten verbrannt. Dennis konnte ein einziges, etwas angekohltes Foto aus schöneren Tagen retten.
Was die drei verbindet, ist einzig das Fußballspielen. Sie verpassen kein wichtiges Spiel im Fernsehen und spielen selbst alle drei gut und begeistert, Dennis aber ist der Beste. Wenn er Fußball spielt, ist er glücklich.
Glücklich ist er aber auch, wenn er das Foto anschaut, auf dem seine Mutter so ein hübsches Kleid trägt. Das führt dazu, daß er eine Tages im Kiosk von Raj in der Vogue blättert und das Heft dann auch kauft. ‚Ein Geschenk’ schwindelt er dem immer neugierigen Raj vor.
Zuhause taumelt Dennis kopfüber in die Welt der teuren Damenmode. Kleider, Make up, herrliche Frisuren, er kann sich nicht sattsehen. Erzählen kann e von seiner neuen Leidenschaft aber niemandem, das weiß er instinktiv. Bis er beim Nachsitzen Lisa trifft, eine ältere und wunderschöne Schülerin. Da nur sie beide nachsitzen müssen, kommen sie ins Gespräch. Lisa erwähnt Vogue, zu ihrer Verblüffung weiß der Kleine, wovon sie spricht. Fünf Minuten später sind sie Freunde. Danach gibt es kein Halten mehr und ehe Dennis es sich versieht, steckt er in Lisas selbstgenähtem orangefarbenen Pailletten-Kleidchen.
Er kann sich kaum trennen. Es ist aber nicht sein Einfall, im Kleid in der Schule zu erscheinen und sich als französische Austauschschülerin auszugeben! Die Folgen sind katastrophal. Lisa und Dennis haben ale Hände voll damit zu tun. Gut, daß es Darvesh, Dennis’ besten Freund gibt, daß dessen Mutter nichts erschüttern kann und daß Dennis über all der Beschäftigung mit Mode nie vergessen hat, wie man fachmännisch mit einem Fußball umgeht.
Die Geschichte ist recht gut erzählt, vor allem ist sie urkomisch. Mit Comedy kennt Walliams sich wirklich aus. Die Witze sind allerdings oft derb und meist mehr als übertrieben. Die Figuren sind gut ausgedacht, lebendig und lebhaft geraten. Der reale Alltag stand dabei immer Pate, es gibt viel, womit sich Kinder umgehend identifizieren. Es gibt viele Wendungen und viele Einfälle, einiges ist auch stereotyp, der stets schlechtgelaunte Direktor der Schule, Darveshs überehrgeizige Mutter, die aggressiven Mitglieder der Schul-Fußballmannschaft. Sehr komisch ist dagegen Raj, der ewig lachende Kioskbesitzer, der seine Kundschaft mit den tollsten Geschäftsvorschlägen überrascht, die allein darauf zielen, ihnen mehr Geld au s der Tasche ziehen. Das Buch ist über weite Strecken höchst unterhaltsam. Rundum zu genießen sind die Zeichnungen von Quentin Blake. Sie tragen zu dem Spaß noch einiges extra bei.
Was es nicht ist, ist ein ernstzunehmender Beitrag zu der Frage, wie es ist, wenn ein Junge tatsächlich Gefallen an Frauenkleidern findet. Walliams umgeht das Problem. Man weiß am Ende nicht, ob Dennis in das Ganze nur hineingerutscht ist, weil er seiner Mutter nachtrauert oder ob er sich ernsthaft auf eine andere Rolle zu bewegt. Schließlich war alles nur ein herrlicher Scherz. Walliams Botschaft lautet eher unbestimmt, gleich, was für Kleider jemand trägt, er ist im Grund ein rechter Kerl. Und das ist die eigentliche Katastrophe. Ein Mann bleibt also ein Mann, solange er ordentlich Fußball spielt.
Und das im 21. Jahrhundert!