Originaltitel: A Discovery of Witches (2011)
Blanvalet Verlag 2011, 799 S.
„Die Seelen der Nacht“ ist der erste Band einer geplanten Fantasy-Trilogie.
Über den Inhalt:
Diana Bishop ist Historikerin mit Leib und Seele. Dass in ihr zudem das Blut eines uralten Hexengeschlechts fließt, versucht sie im Alltag mit aller Kraft zu ignorieren. Doch als Diana in der altehrwürdigen Bodleian-Bibliothek in Oxford ein magisches Manuskript in die Hände fällt, kann sie ihre Herkunft nicht länger verleugnen: Hexen, Dämonen und Vampire heften sich an ihre Fersen, um ihr das geheime Wissen zu entlocken – wenn nötig mit Gewalt. Hilfe erfährt Diana ausgerechnet von Matthew Clairmont, Naturwissenschaftler, 1500 Jahre alter Vampir – und der Mann, der Diana bald schon mehr bedeuten wird als ihr eigenes Leben …
Über die Autorin:
Deborah Harkness ist Professorin für Europäische Geschichte und Wissenschaftsgeschichte an der University of Southern California in Los Angeles. Für ihre wissenschaftlichen Arbeiten erhielt sie bereits mehrfach Stipendien und Auszeichnungen. Sie schreibt außerdem ein preisgekröntes Wein-Blog (goodwineunder20.blogspot.com).
„Die Seelen der Nacht“ ist Deborah Harkness' erster Roman, weitere Bücher der Autorin sind bei Blanvalet bereits in Vorbereitung.
Meine Meinung:
Diana Bishop war sieben Jahre alt, als ihre Eltern eines gewaltsamen Todes starben. Seither weigert sie sich standhaft, ihr magisches Hexen-Erbe anzunehmen und zieht es vor, als Mensch zu leben. Als sie im Rahmen ihrer Forschungen in einer Bibliothek ein uraltes, lange verschollenes Manuskript öffnet, werden ihre verborgenen Kräfte geweckt und sie muss sich plötzlich gegen zahlreiche übernatürliche Wesen zur Wehr setzen, die großes Interesse an der Handschrift zeigen. Die Bekanntschaft mit dem Vampir Matthew Clairmont, dessen Beschützerinstinkte sie weckt, stürzt beide in ein großes Abenteuer.
Das Buch besticht durch seine Dichte, seine Fülle an Informationen und seinen Detailreichtum, seine berauschende Mischung aus Geschichte und Magie, Mythologie und Wissenschaft. Und es bietet aus erwachsener Perspektive die Sicht auf ein Genre, das bis vor kurzem weitgehend den Jugendlichen überlassen war. Ich würde es als übernatürlichen RomanticThriller bezeichnen, aber mit weit mehr Raffinesse ausgestattet als die bekannten tragischen Vampir-Liebesgeschichten.
Deborah Harkness lässt sich Zeit mit dem Aufbau ihrer Geschichte. Umfangreiche und ausführliche Beschreibungen von Personen, Schauplätzen und Geschehnissen bestimmen vor allem den ersten Teil des Buches. Lässt man sich darauf ein, sorgt dieser Ideenreichtum dafür, dass man sich im Buch so richtig wohlfühlt. Mir ging es jedenfalls so. Durch die detaillierte Schilderung der kulturellen Sitten in der magischen Welt und den Einblick in ihre Historie schafft die Autorin eine plausible Verbindung zwischen der übernatürlichen und der realen Welt, in der Alchemie, Geheimgesellschaften und ein wiederentdecktes Manuskript für Spannung sorgen. Dieses Manuskript droht das seit langem aufrecht gehaltene Gleichgewicht zwischen den Arten zu stören. Gleichzeitig werfen Matthews Forschungen auf dem Gebiet der Genetik Fragen der Evolution auf und die intensive Romanze zwischen ihm und Diana weckt Jahrhunderte alte Feindschaften. Die beiden geraten in einen Konflikt zwischen den übernatürlichen Nicht-Menschen, der vor allem im zweiten Teil des Buches Action und Intrigen mit sich bringt und finden sich in einem Rennen wider, den Krieg zwischen den übernatürlichen Spezies zu verhindern.
Die Historikerin Dr. Diana Bishop ist eine unabhängige und selbstbewusste Frau mit einem herzhaften Appetit. Matthew Clairmont, der äußerst kultivierte, gebildete Wissenschaftler mit einer Vorliebe für guten Rotwein, ist der Anführer eines geheimen Ritterordens. Seine Ritterlichkeit gegenüber Diana wirkt gelegentlich übertrieben, man darf aber nicht vergessen, der Vampir ist 1500 Jahre alt. Natürlich sind sowohl Diana als auch Matthew talentiert, intelligent, attraktiv und leistungsstark, das braucht nicht extra erwähnt zu werden, da konnte die Autorin wohl nicht widerstehen.
Harkness’ Ideenreichtum glänzt auch in ihren schrulligen Nebenfiguren bin hin zur Hauskatze und dem Familienwohnsitz der Hexen selbst sowie Dianas einzigartiger Beziehung zu ihrer Tante und deren Partnerin.
Dianas Entwicklung stellt aus meiner Sicht die einzige kleine Schwachstelle im Buch dar. Die Handlung bewegt sich fort aus Oxford und die starke, intelligente, freche Heldin wandelt sich in ein hilfloses, schwaches Weibchen. Für eine erfahrene Wissenschaftlerin und Athletin verdunstet ihre Unabhängigkeit verblüffend schnell. Diese Entwicklung hat mich etwas verwundert, ich erkläre sie mir als Dianas romantische Flucht aus der Realität, die ich als vorübergehende Schwäche gerne bereit bin zu entschuldigen.
Das Zusammenspiel von Historie, Wissenschaft und Phantasie ist hervorragend gelungen. Mir gefielen die häufigen Verweise auf historische Texte, und es war amüsant, über die Beziehungen zwischen berühmten Menschen der Geschichte und dem Vampir zu lesen. Die berühmte Bodleian Bibliothek als Schauplatz ist schon sehr speziell, ich fand ihn genial.
Oh ja, dieses Buch ist ein Schmöker und was für einer: ein dicker, romantischer, sinnenfroher und hinreißender Liebesroman, bestückt mit vielen Fakten. Die Autorin versteht es, die seichten Pfade des typischen Liebesromanstils zu verlassen und in anspruchsvollere Gefilde vorzudringen. Mit vielen vollmundigen Details angereichert ist dieses Buch spannend, abenteuerlich, gelegentlich auch ein wenig gruselig und jede Leseminute wert. Ich habe es ausgesprochen genossen.
Ach ja: Die ersten 400 Seiten bin ich noch zuversichtlich davon ausgegangen, dass es sich um einen abgeschlossenen Roman handelt, doch dann schwante mir langsam, dass auch dieser ein Mehrbänder werden würde. Aber okay, das offene Ende schreit nach Fortsetzung und natürlich hänge ich am Haken und kann den nächsten Teil kaum erwarten.