'Tanz unter Sternen' - Seiten 239 - 322

  • Dieser Abschnitt war für mich der Emotionalste.
    Nicht etwa wegen Samuels Tod, oder der Entwicklung zwischen den Figuren. Für mich war der Untergang an sich auch nicht das Schlimmste, das war ja abzusehen - sondern das Verhalten der Menschen. Halbvolle Rettungsboote, und Überlebende die nach ihren irdischen Gütern krähen. Manchmal ist der Mensch doch echt zum kotzen!
    Und das Schlimme ist, es ist nicht mal an den Haaren herbei gezogen, der Mensch ist tatsächlich so...
    Und obwohl ich Lyman für seine Tat zutiefst verachte, rührt es mich doch zu sehen, das Henry noch nicht ganz tot ist.
    Ich hoffe für Cäcilie,das sie ihren Weg findet und über ihren Verlust hinweg kommt.
    Matheus gönne ich Nele, die beiden werden werden ihren Weg schon gehen und sie wird ihm helfen mit Samuels Tod zurecht zu kommen.


    Ein sehr berührender Abschnitt, sehr gut und atmosphärisch beschrieben und geschrieben. Hier wirkt nichts kitschig, überzogen oder gar übertrieben dargestellt. Einfach brillant!


  • Bis auf die Sache mit Nele kann ich das voll unterschreiben. Matheus trennt sich doch von Nele und geht zu Cäcilie zurück. Schade, ich hätte Nele das Glück gegönnt, sie ist kein schlechter Mensch, nur genauso wenig fehlerfrei wie die Anderen.

    :lesendR.F. Kuang: Babel


    If you don't make mistakes, you're not trying hard enough. (Jasper Fforde)

  • Die heikle Sache das Unvermeidliche zu schildern wurde sehr gut gelöst, ein grosses Kompliment von meiner Seite.


    Ich hab mich gefragt wie realistisch es ist das Matheus überlebt hat. Ich meine im Eiswasser zu sein und dann in nasser Kleidung in der Kälte im Rettungsboot zu überleben grenzt meiner Meinung nach an ein Wunder. Aber bei ihm passt natürlich ein Wunder.


    Ich würde gerne von Titus Müller wissen wie lange er an der Untergangsszene rumgefeilt hat. Genau diese Szene bietet doch einige Gefahren was die Dramatik anbetrifft. Ein schmaler Grat zwischen zu viel oder zu wenig Drama.


    Das jemand beim Untergang zu Tode kommen musste war klar. Ich persönlich war überrascht das Samuel sterben musste, ganz einfach weil ein totes Kind immer eine heikle Angelegenheit ist. Ich würde gerne von Titus Müller wissen ob er von Anfang an vor hatte Samuel sterben zu lassen oder ob er den Tod anderer Protagonisten im Kopf durchgespielt hat. (Mit einem andern Verlauf der restlichen Handlung natürlich)

  • Sapperlot, du kannst dich gut in einen Autor hineinversetzen. :-) Genau so habe ich's gemacht, ich habe gedanklich alle Varianten durchgespielt. Dass beim Untergang eine wichtige Figur sterben muss, war mir klar, aber wer? Lange Zeit wollte ich Cäcilie sterben lassen, dann wieder Matheus. Dass es am Ende Samuel getroffen hat, war für mich selber schmerzhaft. Ich habe es erst entschieden, als ich schon mittendrin beim Schreiben war.


    Bei der Frage, ob es zu viel oder zu wenig Drama ist, habe ich mich allerdings ganz vom Bauchgefühl leiten lassen, ehrlich gesagt. Ich habe darüber nicht viel nachgedacht. Gut, dass es für euch das richtige Maß geworden ist, dein Lob, nofret78, macht mich glücklich. :-) Nun muss ich nur noch herausfinden, warum du mit Nele nicht warm werden konntest. Ist sie dir als Identifikationsfigur zu "böse" durch den egoistischen Diebstahl? Oder war es dir unlogisch, dass sie so handelt? Das gibt's ja auch, dass man eine Figur dann nicht mehr ernst nehmen kann.


    Herzlich,


    Titus

  • Zitat

    Original von Titus Müller
    Nun muss ich nur noch herausfinden, warum du mit Nele nicht warm werden konntest. Ist sie dir als Identifikationsfigur zu "böse" durch den egoistischen Diebstahl? Oder war es dir unlogisch, dass sie so handelt? Das gibt's ja auch, dass man eine Figur dann nicht mehr ernst nehmen kann.


    Ich würde nicht sagen zu böse, sie ist mir einfach zu egoistisch. Sie hat alles daran gesetzt Matheus zu retten - hätte sie das auch getan, wenn es Cäcilie gewesen wäre und sie Matheus in Sicherheit gewusst hätte? Ich weiss es nicht...Wie ich in einem anderen Abschnitt schrieb, kommt sie mir vor wie ein trotziges Kleinkind, das haben will, was ihm seiner Meinung zusteht. Wäre sie am Anfang vielleicht anders beschrieben worden, wäre meine Meinung über sie vielleicht eine andere. Aber seine Mutter bestehlen um seins durchzusetzen,ohne daran zu denken wie es ihrer Mutter ergeht - sorry, geht gar nicht.
    Vielleicht bin ich zu wenig egoistisch, um ihr Handeln nachvollziehen zu können. Wäre Nele real, hätten wir schärfste Diskussionen miteinander ;-)

  • Nele ist mir nicht durchwegs unsympathisch, allerdings entfaltete sie sich im Verlauf der Geschichte nicht zu der sympathsichen Person bzw. fügt sich in die Rolle die Titus ihr wohl zugedacht hat.


    Ich habe das Buch jetzt gerade nicht zur Hand aber aus dem Gedächtnis kann ich zu Nele folgendes schreiben:


    - Bei ihrem ersten Auftritt plagen sie Selbstzweifel (positiv)
    - Sie verlässt recht kaltschnäuzig ihre Mutter und klaut ihr Geld (sehr negativ)
    - Ihr ist egal das die Mutter die Gasrechnung nicht bezahlen kann und dann in der Kälte leben muss (sehr negativ)
    - Sie lässt ihr Kleid zurück das die Mutter verkaufen kann. Sie hätte es ja selbst machen können und dann ein paar Tage später abhauen. Das hätte aber arbeit bedeutet und das mag Nele bekanntlich nicht (neutral)
    - In Paris bezirzt sie einen älteren Künstler und macht ihm schöne Augen und eins zwei drei schwuppdiwupp ist das Geld für die Fahrkarte nach Cherbourg vorhanden. (eher negativ)
    - Auf der Titanic klaut sie und findet auch noch sie sei im Recht. Nich mal ein schlechters Gewissen plagt sie (negativ)


    Dann folgen ein paar positive Dinge aber Nele habe ich zu diesem Zeitpunkt bereits gedanklich schubladisiert und wenn das mal geschehen ist ist es schwer aus dieser Schublade wieder herauszukrabbeln. Am Schluss stehe ich ihr dann neutral bis leicht positiv gegenüber.


  • Hat mir sehr weitergeholfen, sapperlot, deine Zusammenfassung der Ereignisse. Würde ich den Roman heute nochmal beginnen, bekäme Nele im ersten Drittel zwei, drei positive Szenen dazu, um das Negative auszugleichen. Ich lerne daraus, fürs nächste Buch.


    Vielen Dank dir!


    Titus

  • Hier in diesem Abschnitt bin ich wieder da angekommen, was mir am Anfang auch so gut gefiel, nämlich, wie es die gelingt, die Dichte der Atmosphäre einzufangen. Auch die Gefühlsachterbahn, die Matheus durchlebt, von der Todessehnsucht bis hin zum Überlebenskampf, das hat mich berührt und gefallen.
    Der Untergang selbst, da kann ich mir gut vorstellen, das sich genau solche Szenen abgespielt haben. Besonders im Gedächtnis ist mir die Stille geblieben, die du beschrieben hast, nach all dem Kampf ums Überleben.
    Ehrlich gesagt, hatte ich den Spannungsbogen auf der Titanic selbst etwas verloren. Ich hätte mir da noch etwas mehr Spionage gewünscht, weniger Eheprobleme.
    Jetzt in diesem Abschnitt hast du mich wieder voll eingefangen.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Ja, dieser Abschnitt war er emotionalste und bewegendste. Hier stimmte alles. Und Nele wurde mir richtig sympathisch.


    Samuels Tod war sehr traurig - umso schöner, dass er vorher noch von seinem Freund Adam aus dieser aussichtslosen Situation gerettet wurde und diese für ihn wichtige Erfahrung ( ich habe einen Freund ) machen durfte.


    Mich fasziniert ja das Thema Titanic nicht erst seit dem Cameron-Film. Es ist jedesmal wieder, wie soll ich sagen, berührend? über dieses Thema zu lesen.

  • Sicher kennt man die Geschichte des Sinkens aus anderen Büchern, aus verschiedenen Filmen, natürlich vor allem aus dem Cameron film. titis ist m.E. sehr gut mit dem umgegangen, was ihm da zu schildern blieb- nicht zu breit und ausführlich, das Grauen muß er nicht vorbereiten, das kennen wir und alle haben diese Bild des langsam absinkenden Tiefgefrorenen vor Augen und die stille leichenbedeckte See. Auf diesen wenigen Seiten gelingt es dem Autor genau diese absurde Athmosphäre zwischen Wahnsinn (wer ersetzt mir meine Bilder) und Heldenmut (wir mussten einen eingeschlossnen aus seiner Kabine befreien) zu beschreiben.


    Das Ende dieses Abschnitts ist nur konsquent- Samuel stirbt und Matheus und Cäcile sind dadurch im Leid wieder vereint und Nele muß zusehen.

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen übersiet :grin


    :lesend  :lesend

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von beowulf ()

  • Diese "Cameronbilder" bin ich zum Glück dank dieses Abschnitts losgeworden. Wie ich schon schrieb, wurde hier alles wohldosiert,weder übertrieben dennoch einfühlsam dargestellt. Eindeutig mein "Lieblingsabschnitt des Buches, denn hier spiegelt sich sehr viel von Titus schriftstellerischem Können wieder.


    Ach ja, die Cameronverfilmung fand ich übrigens furchtbar... :rolleyes

  • Und wieder kann ich mich nur anschließen - sehr starker Abschnitt.
    Ich fand es sehr berührend, dass Adam Samuel gerettet hat. Adam selbst konnte sich vermutlich nicht mehr retten? (Ich mochte ihn.)


    Matheus beweist endlich mal etwas Stärke und überwindet seine Ängste. Das fand ich gut :-] allerdings fand ich seine Reaktion zum Schluss, als Samuel tot ist, irgendwie zu mau. Das schien ihn ja kaum zu kümmern.

  • Der Untergang der Titanic ist sehr gut geschrieben. Kurzzeitig dachte ich, dass du Matheus sterben lässt, aber die Wahl mit Samuel fand ich gut, wenn auch traurig. Da er vorher schon sehr lange im Eiswasser verharrte und ich ihn da schon sterben sah, war es für mich logisch, dass er die Nacht auf dem Wasser auch nicht mehr unbedingt überstehen würde.


    Bei dem gesamten Untergang kam bei mir vor allem eine traurige Atmosphäre entgegen. Es war keine Beschleunigung und Dramatisierung zu spüren, sondern ehe eine Verlangsamung, die die kritische Lage noch unterstrich und mich als Leser auch darauf eingehen ließ. Super!

  • So, Samuel musste sterben, immerhin wurde er vorher noch von seinem "Freund" gerettet - den ich gerade in diesen Szenen ziemlich skrupellos fand, obwohl er Samuel gerettet hat. Andererseits sind beide in ihrem Handeln beständig, Adam nicht nur "böse" und Samuel sehr in sich zurückgezogen.


    Nele, Matheus, Cäcilie - ihr Schicksal, ihre Entscheidungen und ihr Verhalten passen perfekt zu dem Bild das ich bisher von ihnen hatte.


    Der Untergang war echtes Kopfkino für mich, auch dank der poetischen Worte für das Grauen, insbesonderen die Szene in der das Meer beginnt die Titanic zu verschlingen. (Kann es beim Hörbuch nicht nachschauen. ;-) )


    Das Verhalten der Menschen an den Rettungsbooten ist tragisch, passt perfekt zu der Unterhaltung beim Essen in der ersten Klasse....

    "It is our choices, Harry, that show what we truly are, far more than our abilities." Albus Dumbledore
    ("Vielmehr als unsere Fähigkeiten sind es unsere Entscheidungen, die zeigen, wer wir wirklich sind.")


    "An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die Schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern."

    Erich Kästner.

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von ottifanta ()

  • Ich kann mich meinen Vorschreibern nur anschließen: ein sehr emotionales Kapitel! Gut geschrieben, die richtige Länge und Dramatik, die die Atmosphäre gut einfängt.


    Was mir persönlich allerdings sehr zugesetzt hat, war Samuels Tod. Ein Kind erst zu retten, um es dann doch sterben zu lassen, geht für mich gar nicht. Ich fand die Geschichte ja schon im letzten Abschnitt zu traurig und Samuels Tod ist nun noch die Spitze des Eisbergs. Für mich ist das Buch eindeutig zu emotional! Dass irgendjemand (oder auch mehrere) sterben müssen ist klar, aber Samuel hätte es für mich nicht sein dürfen.


    Ich werde jetzt noch die wenigen Seiten, die bleiben, irgendwie hinter mich bringen und das Buch dann als große Enttäuschung abheften. Schade, es wäre eigenlich so schön!


    Edit: Nach nochmaligem Durchlesen habe ich beschlossen, dass "große Enttäuschung" sehr (zu) hart klingt. Es ist eigentlich ein wirklich schönes Buch, es liest sich flüssig und spannend, erzählt detailreich von der damaligen Zeit und bringt vor allem die Atmosphäre, das Lebensgefühl und die Stimmung der Vorkriegsjahre gut an heutige Leser ran. Doch gerade deswegen finde ich es für mich sehr schade ("enttäuschend"), dass ich mit der fiktiven Handlung so große Probleme hatte. So konnte ich leider auch das ganze tolle Drumherum nicht mehr genießen :-(. Schade!

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Lese-rina ()