In einer Nacht, woanders - Katerina Poladjan

  • In einer Nacht woanders
    Katerina Poladjan
    ISBN-13: 978-3871347177
    Rowohlt Berlin
    172 Seiten, 16,95 Euro


    Über die Autorin: Katerina Poladjan, 1971 in Moskau geboren, kam als Kind nach Deutschland. Sie arbeitet als Schauspielerin und Autorin und lebt mit ihrer Familie in Berlin. «In einer Nacht, woanders» ist ihr erster Roman.
    Klappentext: Beinah schon hatte Mascha ihre Kindheit in Russland vergessen, da reißt ein Anruf sie in die Vergangenheit zurück: Die junge Frau soll das Haus ihrer verstorbenen Großmutter verkaufen, das Haus ihres Kindheitsglücks, aus dem sie vertrieben wurde, als ihre Eltern die Sowjetunion verließen. Längst hat das graue Berliner Leben Maschas Erinnerungen verschüttet -- und auch die Rätsel ihrer Familie: Was trieb die schöne, lebensuntüchtige Mutter damals fort? Warum ließ der Vater sie im Westen so bald im Stich? Und was wurde wirklich aus Maschas geliebter Großmutter Tamara, einer Raumfahrtingenieurin mit höchsten Verbindungen? Überstürzt bricht Mascha auf ins winterliche Russland. Was als Fahrt in eine fremd gewordene Welt beginnt, wird zu einer Reise in die Kindheit, zu einer Flucht, zur Möglichkeit eines an¬deren Lebens... Doch als sie Pjotr begegnet, der für Tamara mehr als nur ein Hausgehilfe war, brechen ungestellte Fragen auf, beginnt alles Verborgene zu leuchten -- und Mascha muss die Geschichte der Familie, ihre Geschichte, neu entdecken. In mitreißendem Tempo und traumschönen Bildern erzählt Katerina Poladjans Roman von drei außergewöhnlichen Frauen, vom Geheimnis einer Familie -- und vom Zauber einer russischen Kindheit.


    Meine Meinung: Der Klappentext ist schon sehr aussagekräftig und trifft die Handlung sehr gut, doch das Buch ist mehr als die chronologische Aneinanderreihung und Aufarbeitung einer Kindheit. Es ist nicht nur die Auseinandersetzung einer jungen Frau mit der Beziehung zu ihrer Großmutter und ihrer Mutter.
    Von Beginn an gewöhnungsbedürftig ist der Schreibstil, denn es gibt keinen Erzähler, sondern es sind fast ausschließlich die Gedanken Maschas, in die der Leser Einblicke bekommt. Sie führen in Rückblicken erst auf ihr jetziges Leben in Deutschland und dann, je näher sie dem Haus der Großmutter kommt, immer tiefer in die vergangene Kindheit, in der sie bei der Großmutter lebte, weil ihre Mutter sie einfach im Kinderwagen im Park vergessen hatte. Die Großmutter und ihr Hausdiener Pjotr, den sie aus Kindertagen als väterlichen Freund in Erinnerung hat und den sie nun allerdings plötzlich als Mann wahrnimmt, ziehen sie auf bis sie mit ihren Eltern nach Deutschland ziehen muss.


    Gut getroffen sind die Gefühle Maschas und auch die schon fast spürbare Veränderung der Beziehung zu Pjotr - der Leser wird mitgenommen, doch wird es ihm trotzdem nicht leicht gemacht die Handlung einfach so durchzulesen, denn es fehlt jegliche Kennzeichnung wörtlicher Rede. Am Anfang ist das auch noch einfach zu lesen, man hält sogar etwas mehr inne, um die richtigen Betonungen in den Dialogen selbst zu gestalten, doch gegen Ende hin beginnen Maschas Gedanken zu rasen, was das Zuordnen der einzelnen Dialoge zu den entsprechenden Personen nicht immer leicht macht und zusätzlich zu den schnell dahinfliegenden Erinnerungen und Erkenntnissen (die sich ebenfalls nicht sofort erschließen), wird es dann irgendwann anstrengend. Ich habe mich trotzdem gut in die Hauptperson hineindenken können, doch ihre Reaktionen auf bestimmte Situationen blieben mir dann doch unverständlich, aber das ist wohl auch eine Frage des Temperamentes.


    Mein Fazit: Ein kleines und interessantes, auf jeden Fall ungewöhnlich geschriebenes Buch, das mich gut unterhalten hat, aber das keinen bleibenden Eindruck hinterlassen konnte.
    7 Punkte

  • Ich habe mich schon sehr auf das Buch gefreut gehabt und konnte es kaum erwarten es lesen zu können, aber leider muss ich sagen, dass mich das Buch sehr enttäuscht hat.
    Mit dem Schreibstil konnte ich mich überhaupt nicht anfreunden. Gedankengänge, Gespräche, Erinnerungen, einfach alles ist ineinander verworren, sodass es schon stellenweise wirklich anstrengend war dem Verlauf zu folgen. Meine Leselust ist stetig gefallen, sodass ich am Ende fast froh war, als das Buch zu Ende war.
    Auch konnte ich überhaupt keinen Bezug zu den Protagonisten finden. Sie waren von Anfang an nur blasse Gestalten und verschwommen und leider hat es sich bis zum Ende so gehalten. Die Emotionen konnte ich nicht nachempfinden, obwohl es das war, worauf ich mich gefreut habe und dieses Buch unbedingt lesen wollte.
    Aber vielleicht hatte ich zu hohe Erwartungen an das Buch, da es fast meine eigene Lebensgeschichte widerspiegelt.


    Für mich ein leider sehr enttäuschendes Buch!


    Von mir nur 2 Punkte!

    Und manchmal ist ein Buch die Welt für mich!


    Mein Blog



    :lesend Laini Taylor - Daughter of Smoke and Bone - Zwischen den Welten



    Langzeitprojekte:
    Margaret George - Maria Stuart LR

  • ich fand es auch nicht einfach - aber lest selbst:


    Dieses Buch ist ja nicht wirklich dick mit seinen gerade mal 173 Seiten. Und auch die Tatsache, dass es - man höre und staune - ohne eine einzige Kapiteleinteilung, und fast ohne Absätze daherkommt, könnte einen denken lassen, es eigne sich gut zur Überbrückungslektüre zwischen mehreren Wälzern. So nahm ich es mir ganz unvorbereitet und spontan zur Hand, und musste doch entdecken, dass es alles andere ist als ein Buch für "zwischendurch".


    Zum Glück habe ich doch ein wenig Erfahrung mit neumodischen literarischen Techniken, und war von daher nicht ganz so "erschlagen" vom wirklich ambitionierten Stil wie manch ein Leser vor mir. Dennoch, ich kann letzten Endes weder sagen, ob mir das Buch wirklich gefallen hat - noch, ob es gut oder schlecht war. Geschweige denn, ob ich das Ende wirklich verstanden habe. So man es denn überhaupt als ein "Ende" verstehen kann.


    Ich vermute, dass hier verschiedene Dinge zusammenkommen, die mir den Zugang erschwert haben. Zum einen enthält das Buch, so kann man vermuten, doch zahlreiche autobiographische Bezüge, da auch die Autorin, wie die Protagonistin, vor etwa 37 Jahren in Moskau geboren wurde, aber seit der Kindheit in Deutschland lebt. Vieles ist aus dieser Zeit un- oder halbverdaut geblieben, und bricht sich nun in diesen Zeilen Bahn.


    Zweitens, und das muss ich dem Buch wirklich lassen, ist es eine ziemlich plastische und authentische Darstellung dessen, was man als "russische Volksseele", als russische Mentalität bezeichnen könnte. Doch, leider, die ist nun so gar nicht meins! Ich bin ein fröhlicher und optimistischer Mensch, und hätte die junge Mascha am liebsten öfters geschüttelt, sie solle sich doch um alles in der Welt nicht so hängen lassen, und über Vergangenem brüten...


    Drittens, das Buch hat keinen wirklichen Abschluss, und man muss eher raten, was die eher traum- oder fieberhaften Sequenzen gegen Ende zu bedeuten haben. Im Klappentext steht zwar zu lesen, Mascha komme einem Familiengeheimnis auf die Spur - doch das stimmt so, meiner Meinung nach, nicht. Das Problem ist, dass sich sowieso der überwiegende Teil der "Handlung" in Maschas Kopf abspielt. Und von daher kann man einfach nicht sagen, ob sie nun etwas "herausgefunden" oder sich nur eingebildet hat.


    Es ist wirklich sehr schwierig, etwas Objektives zu diesem Buch zu sagen. Mascha berichtet die ganze Zeit in einem ununterbrochenen Fluss aus wirren Gedanken und sonstigen Splittern - die eigentliche Handlung gerät dabei eindeutig in den Hintergrund. Das ist in zwei Sätzen gesagt. Sie fährt nach Russland, um das Haus ihrer Großmutter zu verkaufen - begegnet vor Ort aber ihren unverdauten Erinnerungen, und flüchtet wieder. Damit sind natürlich keine 173 Seiten gefüllt. Dementsprechend wird der überstürzte Ausflug nach Russland denn auch eher als Folie für ihre eigene Vergangenheitsbewältigung benutzt. Aber, und das ist es gerade, wird hier eigentlich etwas bewältigt? Am Ende bin ich genauso schlau, was Mascha betrifft, wie am Anfang. Eine Entwicklung oder "Bewältigung" im eigentlichen Sinne kann ich da nicht ausmachen!


    Ich kann letztlich nicht mehr tun, als drei etwas ratlose Sterne zu verleihen - da ich sehe und anerkenne, dass hier schriftstellerisch neue Wege beschritten werden sollten. Aber "gemocht" habe ich das Buch wohl eher nicht. Es blieb mir letzten Endes fremd - was aber, wie gesagt, auch an der russischen Melancholie und Trägheit gelegen haben kann. Empfehlen würde ich das Buch jedenfalls nur solchen Lesern, die sehr (!) viel Willen zur Mitarbeit und Sinnkonstruktion mitbringen.