Isenhart, Holger Karsten Schmidt, Kiepenheuer & Witsch, Köln, 2011, ISBN 978-3-462-04332-7
Zum Autor (lt. Klappentext):
Holger Karsten Schmidt geboren 1965 in Hamburg, studierte Germanistik und Politikwisschenschaft in Mannheim. 1992 – 1997 folgte ein Drehbuchstudium an der Filmakademie Baden-Württemberg. Seit vielen Jahren zählt er zu den erfolgreichsten Drehbuchautoren Deutschlands. 2010 waren drei ilme für den Adolf-Gimme-Preis nominiert, zu denen Schmidt das Drehbuch geshrieben hatte: für „Mörder auf Amrum“ erhielt er die Aufszeichnung.
Meine Meinung:
Als ich den Klappentext des Romans „Isenhart“ von Holger Karsten Schmidt zum ersten Mal las, war meine Erwartung, dass mich ein spannender historischer Kriminalroman erwartet. Nachdem ich „Isenhart“ gelesen habe, weiß ich, dass „Isenhart“ ein genreübergreifender Roman ist, der die auch heute aktuelle Frage nach begrenzenden ethischen Werten, und wie weit der Mensch für Erkenntnisgewinn, Forschung und Fortschritt gehen darf, thematisiert. Die der Kriminalhandlung zugrunde liegende Idee, dass ein Mord mit Hilfe eines frühen „Profilers“ gelöst werden soll, ist nicht gerade originell, verspricht aber Spannung in klassischer Whodunnit - Manier.
1171, Isenhart stirbt beinahe bei der Geburt, kann aber durch einen Fremden wiederbelebt werden, was ihn den Einwohnern seines Geburtsortes unheimlich macht. Der wissbegierige, lernhungrige Waise, wächst beim Schmied der Burg Laurin bei Spira auf und genießt das Privileg zusammen mit Konrad, dem Stammhalter des Hauses Laurin, Unterricht zu bekommen. Als Isenharts heimliche Liebe, die Fürstentochter Anna von Laurin, bestialisch ermordet und ihre Leiche des Herzens beraubt wird, bricht für ihn eine Welt zusammen. Nachdem der Mörder gefasst und gerichtet ist, nimmt das Grauen immer noch kein Ende und sein Leben gerät zunehmend mehr aus den Fugen. Isenharts einziger Halt sind seine Träume wie der Traum vom Fliegen, die Sehnsucht, die Welt zu verstehen und seine ungewöhnliche Freundschaft zu Konrad. In seinem Wissendrang nimmt sich Isenhart stets vor der Inquisition in Acht. Als ein weiterer Mord nach identischem Muster geschieht, glaubt Isenhart an einen Serienmörder und versucht diesen mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln und der Unterstützung von Konrad zu fassen. Die Verfolgung des Täters führt die beiden bis in den Basar des Wissens von Toledo, wo sie erleben können, wie sich Gelehrte aus Morgen- und Abendland austauschen und Isenhart viel über seine geheimnisvolle Herkunft erfährt. Als Isenhart anatomische Zeichnungen des menschlichen Herzens findet, beginnt er eine Verbindung zu den Morden zu ziehen...
Grundidee und Setting von „Isenhart“ versprechen bei guter Recherche und Historientreue einen unterhaltsamen und spannenden historischen Krimi. Bereits die ersten Seiten des Romans zeigen, dass es Holger Karsten Schmidt versteht, eine Geschichte flüssig zu erzählen, Bilder im Kopf des Lesers zu erzeugen, und es gelingt ihm historische und sprachliche Details bis hin zur Erklärung, wie bestimmte Redewendungen entstanden sind, einzubinden, ohne belehrend zu wirken. Insofern hat der Beginn des Romans meine positiven Erwartungen noch erhöht. Leider musste ich schnell feststellen, dass Holger Karsten Schmidt dem Trend folgt, mit vielen Wiederholungen zu arbeiten und seine Figuren nicht durch ihr Handeln und Dialoge zu erklären, sondern durch wortreiche Erläuterungen. Beides schmälert meinen Lesegenuss, scheint sich aber immer mehr in den diversen Genres durchzusetzen. Wirklich schwer getan, habe ich mir über eine lange Phase des Romans mit dem Protagonisten. Isenhart ist offensichtlich an Leonardo da Vinci (1452 – 1519) orientiert, der seinen Zeitgenossen weit voraus war. Demzufolge ist Isenhart in seinem Denken seinen Zeitgenossen mehrere Jahrhunderte voraus, was meines Erachtens selbst mit dem Privileg der Bildung, die er genossen hat, in Kombination mit seiner Wissbegier nicht zu erklären ist. Da der Autor in anderen Punkten durchaus gut recherchiert hat und offensichtlich um Historientreue bemüht ist, war dies über eine längere Strecke des Romans ein Widerspruch, den ich nicht auflösen konnte. Erst in der zweiten Hälfte des Romans meinte ich zu verstehen, weshalb der Autor diesen Kunstgriff gewählt hat, der meines Erachtens, um die Geschichte schlüssig zu erzählen und seine Botschaft zu transportieren, nicht in dieser extremen Form erforderlich gewesen wäre. Ich habe Zweifel, ob die Hintergründe für die Charakterausgestaltung Isenharts in der geplanten Verfilmung greifbar gemacht werden können. Die Figurenzeichnung von Haupt- und Nebenfiguren sind dem Autor etwas schablonenhaft geraten. Obwohl die Krimihandlung zeitweise unterbrochen wird und die Handlung dahin zu mäandern scheint, versteht es Holger Karsten Schmidt den Spannungsbogen zu halten, die Identität des Mörders nicht zu früh zu entschleiern, bis der Roman in einem etwas klischeebehafteten Finale endet.
„Isenhart“ von Holger Karsten Schmidt ist ein spannender und unterhaltsamer historischer Roman, Krimi und Epos und in seiner Thematisierung aktueller ethischer Fragen sicher ungewöhnlich. Auch wenn „Isenhart“ einige Schwächen hat, halte ich den Roman dennoch für lesenswert und bin jetzt schon gespannt, ob Holger Karsten Schmidt, der mit diesem Roman viel Potential beweist, weitere Romane veröffentlichen wird.
8 von 10 Punkten