Der dunkle Thron, Rebecca Gablé, Bastei Lübbe GmbH & Co. KG, Köln, September 2011, ISBN 978-3-431-03840-8
Zur Autorin (lt. Klappentext):
Rebecca Gablé, geboren 1964, studierte Literaturwissenschaft, Sprachgeschichte, und Mediävistik in Düsseldorf, wo sie anschließend als Dozentin für mittelalterlich englische Literatur tätig war. Heue arbeitet sie als freie Autorin. Sie lebt mir ihrem Mann am Niederrhein, verbringt aber zur Recherche viel Zeit in England. Ihre sieben historischen Romane und ihr Buch zur Geschichte des englischen Mittelalters wurden allesamt Bestseller und un vielen Sprachen übersetzt.
Kurzbeschreibung:
London 1529: Nach dem Tod seines Vaters erbt der vierzehnjährige Nick of Waringham eine heruntergewirtschaftete Baronie – und den unversöhnlichen Groll des Königs Henry VIII. Dieser will sich von der katholischen Kirche lossagen, um sich von der Königin scheiden zu lassen. Bald sind die „Papisten“, unter ihnen auch Henrys Tochter Mary, ihres Lebens nicht mehr sicher. Doch in den Wirren der Reformation setzen die Engländer ihre Hoffnungen auf Mary, und Nick schmiedet einen waghalsigen Plan, um die Prinzessin vor ihrem größten Feind zu beschützen: ihrem eigenen Vater …
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Meine Meinung:
Vier Jahre nach ihrem historischen Roman „Das Spiel der Könige“, den ich damals als krönenden Abschluss einer herausragenden Trilogie bezeichnet habe, überrascht Rebecca Gablé ihre Leser mit der Fortführung der Waringham – Saga. Dem Grundschema der bisherigen Teile der Waringham – Saga bleibt sie dabei treu und erzählt englische Geschichte über eine fiktive dem englischen Königshaus nahestehende Familie. Diesmal verlässt Rebecca Gablé allerdings die Welt des Mittelalters, führt ihre Leser in die von der Reformbewegung geprägte Zeit der englischen Renaissance und stellt die Entwicklung von Mary Tudor, Tochter von Heinrich VIII. und Katharina von Aragon, die als „Bloody Mary“ in die Geschichte einging, von 1529 bis zum Beginn ihrer Regierung als Mary I. im Jahr 1553 in den Vordergrund. Damit ermöglicht sie ihren Lesern einen etwas anderen Blick auf Mary I.
Da ich die Shardlake – Reihe von C. J. Sansom wegen ihrer authentischen Darstellung der Epoche Heinrich VIII. sehr schätze, hatte ich durchaus Befürchtungen, ob mir Rebecca Gablés erster Ausflug aus dem Mittelalter in diese Epoche ebenso gefallen würde. Aber bereits der erste Satz „Waringham, Du bist einfach hoffnungslos“ ließ mich ahnen, was sich dann von Seite zu Seite bestätigt hat: „Der dunkle Thron“ lesen, ist wie nach Hause kommen. Scheinbar spielerisch erzählt Rebecca Gablé in ihrem bekannt flüssigen Sprachstil englische Geschichte mit wissenswerten Details, ohne jemals belehrend zu wirken. Sie lässt ihre Leser die Konflikte und Wirren der Reformation verstehen und bringt uns die Sorgen und Nöte von Bediensteten, Bauern und Lords nahe, deren Entscheidung für eine Seite zur täglichen Lebensbedrohung wird.
Ähnlich wie bei Richard III., ist Rebecca Gablé auch bei Heinrich VIII. gezwungen, sich für eine bestimmte Charakterausgestaltung zu entscheiden und begründet diese in ihrem Nachwort zum Roman. Ähnlich wie im dritten Teil der Waringham – Saga „Das Spiel der Könige“ kann man auch im vierten Teil „Der dunkle Thron“ geteilter Meinung über die von ihr ergriffene Position sein. Für das Lesevergnügen ist dies nicht abträglich, höchstens eine Anregung weitere historische Romane um Heinrich VIII. zu lesen. Für die Anlage des Romans ist die Positionierung allerdings ganz entscheidend bis hin zu den Rollen, die daraus resultierend fiktive Figuren wie Gablés Protagonist Nicholas (Nick) of Waringham einnehmen.
Daß sich bei der Lektüre von Rebecca Gablés neuem Roman „Der dunkle Thron“ so schnell ein Gefühl des Vertrautseins, des Wohlfühlens einstellt, liegt vor allem auch am handelnden Protagonisten – denn natürlich ist er ein Waringham und trägt die Züge früherer Waringhams und wie immer hat er ein ordentliches Päckchen zu tragen. So wie Julian Waringham zeigt der Sympathieträger Nick Waringham klare Stärken und Schwächen wie Zorn und Unbeherrschtheit. In manchen Szenen erscheint er gemein und ungerecht, fast betriebsblind, und ist gleichzeitig ganz ein Kind seiner Zeit. Das familiäre Netzwerk der Waringhams wird insbesondere in der ersten Hälfte des Romans fast überstrapaziert, was aber Lesern, denen auch die vorangegangenen Romane bekannt sind, ein nettes Wiedersehen mit den Nachfahren alter Bekannter aus anderen Zweigen der Familie beschert. Richtig schwarze Schafe sucht man dabei in dieser Familie vergebens. Ein paar kleine Konstruiertheiten im Handlungsverlauf schmälern ebenso wenig den Lesegenuss wie die Tatsache, dass Rebecca Gablé Personen erklärt, statt sie durch Dialoge zu entschlüsseln, und dass die Sprechstimmen der handelnden Personen sich sehr ähneln.
Der Lübbe Verlag hat den historischen Roman „Der dunkle Thron“ mit schönen Illustrationen ausgestattet. Ein Personenregister, eine historische Karte und die Nachbemerkung der Autorin ergänzen den Roman.
Rebecca Gablés erster Ausflug aus der Welt des englischen Mittelalters in die englische Renaissance ist mit ihrem vierten Teil der Waringham - Saga „Der dunkle Thron“ rundum gelungen und wieder einmal sind fast 1.000 Seiten, in denen ich gespannt Freud und Leid von fiktiven und historischen Figuren verfolgt habe, wie im Flug vergangen. „Der dunkle Thron“ kann als eigenständiger Roman, als Einstieg zur Waringham – Saga oder als überaus erfreuliche Fortsetzung mit Hoffnung auf weitere Romane zur englischen Geschichte und den Waringhams gelesen werden.
Eine Frage hätte ich allerdings noch an Sie, liebe Frau Gablé: wie erging es denn den Waringhams im Goldenen Zeitalter Elizabeth I.? Ich bin mir sicher, nicht nur ich würde mich sehr freuen, die Antwort in einigen Jahren auf ca. 1.000 Seiten lesen zu können...
10 von 10 Punkten