Sentas Koffer für die Probenwoche ihrer Schul - Jazzband sind bereits gepackt, als die 16 - jährige die große Neuigkeit erfährt: In dem kleinen Dorf Biberau, in das sie fahren, wohnt ihr Urgroßvater, abgeschieden von der Welt, etwas wirr im Kopf und steinalt - genaugenommen 101 Jahre alt. Keine Frage, daß Senta den alten Mann besuchen wird. Die Begegnung der beiden wird zu einer Begegnung der Jahrhunderte. Tastend nähern sie sich einander an, begeben sich auf eine ebenso historische wie ganz persönliche Spurensuche
Irma Krauß, geb. 1949, schreibt seit 1989 Kinder - und Jugendbücher und sie wird immer bekannter, zu Recht, denn die Themen, die sich aussucht, sind durchaus originell.
Hier also Sentas Geschichte, von ihr selbst erzählt. Sie ist sechzehn, in der Schulband als Saxophonistin aktiv, lebt bei ihrer Mutter, einer Übersetzerin. Die Eltern sind geschieden, aber schon in der Generation davor hat es schwer gekriselt. Der, sehr geliebte, Großvater, der recht gemütlich in einem Seniorenstift lebt, ist nämlich auf seine Art auch 'geschieden', vom seinem eigenen Vater nämlich, der seit Jahrzehnten von der eigenen Familie nichts mehr wissen will.
Anders als der Text auf dem Buchrücken sagt, dauert es schon ein wenig, bis Senta den Mut faßt, zu diesem seeehr alten Verwandten zu gehen. Und was sie zuerst erlebt, ist wenig angenehm. Der alte Mann glaubt nämlich, in ihr seine verstorbene Frau zu sehen. Wie Senta mit der Situation fertig wird und wie der sehr alte Mann lernt, sich nach so vielen Jahren doch noch der Realität zu stellen, ist sehr spannend, sehr einfühlsam und überzeugend dargestellt.
Überzeugend wird im Buch auch die Frage diskutiert, wie das denn nun ist mit der 'Verwandtschaft'. Was ist eine Familie, was sind 'Generationen', wie geht man miteinander um, wenn jede/r einzelne für sich zugleich ein Individuum ist, mit einer eigenen Meinung, mit eigener Urteilskraft und mit dem Recht, beides zu haben. Und wie geht man damit um, daß es 'Zeit' gibt, Zeit, die vergeht, Zeit, die Änderungen mit sich bringt.
Ein gelungenes Buch, wenn man sich auch gelegentlich wünscht, ein wenig mehr vom Saxophon zu hören. Es kommt ja nicht so oft vor, daß eine Hauptfigur, weiblich noch dazu, mit einem etwas anderen Instrument ausgestattet wird.