Inhalt:
In London wird ein schrecklicher Doppelmord begangen, ein Ehepaar wird buchstäblich abgeschlachtet und ihr Baby aus dem Leib der Mutter geschnitten und verschleppt. Dies ist der Fall, der DCI John Luther, genialer aber höchst instabiler Ermittler im Londoner Morddezernat, endgültig an den Rand des Zusammenbruchs und letzten Endes darüber hinaus geführt hat.
Autor:
Neil Cross ist ein englischer Roman- und Drehbuchautor, der nun in Wellington/NZ lebt. Er war Autor bei der englischen TV-Serie "Spooks", bevor er mit "Luther" seine ganz eigene Serie für die BBC schreiben durfte. Er hat alle bislang gedrehten 10 Folgen selbst geschrieben.
Der vorliegende Roman ist ein höchst ungewöhnlicher Fall. Normalerweise ist es entweder so, dass eine Buchserie verfilmt wird, wobei bei den Darstellern natürlich immer Abstriche gemacht werden müssen, oder es gibt zuerst die TV-Serie und dann "Romane zur Serie", die nicht selten eher schwach ausfallen, nicht zuletzt weil meist unterschiedliche Autoren beteiligt ist, was zwangsläufig zu stilistischen Unterschieden führen muss.
Hier verläuft es genau umgekehrt. "Luther" ist von A bis Z Cross' Baby und er hat sich erst nach Ausstrahlung der ersten beiden Serienstaffeln entschlossen, die Vorgeschichte von John Luther nun auch romanhaft zu erforschen. Die Geschichte hier knüpft nahtlos an die TV-Serie an, da die letzte Szene hier die erste dort ist.
Um eine Figur in einem Drehbuch zum Leben zu erwecken braucht es die Zusammenarbeit von beiden Seiten, Autor und Schauspieler (Regie etc. sind natürlich auch nicht gerade unwichtig). Das scheint hier perfekt geklappt zu haben, denn Cross bedankt sich im Nachwort zu diesem Buch bei den Darstellern, die seine Schöpfungen mit Leben erfüllt haben und meint, ihnen gehören sie ebenso, wie ihm. Das sieht man auch sehr schön in der Darstellung der Charaktere in diesem Roman, denn hier schließt sich der Kreis wieder, da Cross sie alle so perfekt getroffen hat, dass man, wenn man die TV-Serie kennt, gar keine Chance hat, als nicht die bekannten Gesichter mit all ihren Eigenheiten vor Augen zu haben. Das funktioniert vom überlebensgroßen Luther ("A big man with a big walk.") bis hin zu einem netten Cameoauftritt von Ripley, der hier noch gar nichts zu suchen hat, da ihn Luther erst später kennen lernen wird. Der Roman ist im Prinzip eine Liebeserklärung von Cross an die Schauspieler.
Die TV-Serie zu kennen ist sicher kein Fehler, aber auch keine Bedingung um dieses Buch lesen und genießen zu können.
Nettes Detail am Rande für Kenner der TV-Serie: Luther hat durchaus schon eine Theorie über Jack the Ripper.
Meinung:
Den Drehbuchautor kann Cross nicht verleugnen, denn seine Sätze sind teilweise sehr kurz, sehr prägnant. Aber niemals ohne Tiefe, ganz im Gegenteil. Sehr schön sind oftmalige ungewöhnliche Beschreibungen, die doch genau zutreffen und, ja, sehr deutliche Bilder erzeugen. Einer meiner Lieblingssätze in dieser Hinsicht war:
ZitatThe car begins to beep and shriek in panic. S. 239
Die Geschichte hier ist keine Schnitzeljagd, da wir sie von Anfang an aus den verschiedensten Blickwinkeln erleben, darunter auch der des Mörders.
Die eigentliche Handlung ist vielmehr, was es Luther antut und wie er daran fast zugrunde geht und was er deswegen wiederum anderen antut. Es hilft auf jeden Fall, wenn man Interesse an kaputten Typen hat, die jedoch nicht zuletzt deshalb kaputt sind, weil sie zu menschlich sind. Über Luther urteilen muss jeder selber. Aber auch hier haben wir - als Barometer quasi - eine junge Kollegin an Luthers Seite, an der man sehr eindrücklich sieht, wie brandgefährlich er eigentlich ist, ohne das zu wollen.
Cross scheint nicht viel von Tabus zu halten, weshalb das Buch zeitweise sehr, sehr grausam ist. Dies als Warnung.
Allerdings ist es auch sehr spannend, nicht zuletzt die letzten Kapitel. Selbst wenn man ganz genau weiß, wie es endet (wenn man eben die TV-Serie kennt), weil man bis zuletzt nicht sehen kann, wo die Handlung die entscheidende Wendung nehmen wird.
Ich werde mir den Namen Neil Cross sehr gerne merken, sowohl als Roman- als auch als Drehbuchautor. Da es heißt, dass er insgesamt drei Luther-Romane schreiben wird, bin ich jetzt schon sehr gespannt, worum es im zweiten und dritten gehen wird, da er gesagt hat, dass er keine Romane verfilmen und keine Episoden in Romane ummünzen wird. Also idealerweise ein schönes Hand in Hand beider Medien. Ich lasse mich gern überraschen.
Edit: Na bitte, eine deutsche Ausgabe, die im Februar 2012 erscheinen soll! Ich habe somit also nun den deutschen Titel eingetragen und verlinke zum deutschen Buch.
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