Wunsiedel – Michael Buselmeier

  • Wunderhorn-Verlag, 158 Seiten
    2011


    Kurzbeschreibung:
    Sommer 1964 hat der junge Ich-Erzähler Moritz Schoppe in dem oberfränkischen Städtchen Wunsiedel zehn leidvolle Wochen zugebracht; sein Engagement bei den dort alljährlich stattfindenden Luisenburg-Festspielen geriet zum Fiasko. Seine Bearbeitung des »Götz von Berlichingen« wurde als »zu intellektuell« verworfen, er bekam nur winzige Rollen zu spielen, auch für den angehenden Regisseur gab es angesichts schlampiger Inszenierungen so gut wie nichts zu lernen. Er litt an Heimweh. Unter den Schauspielern blieb er ein Fremder, Überflüssiger, von allen verlassen, auch von seiner Freundin, die ihn während seiner Abwesenheit betrog (wie bei Shakespeare Cressida den Troilus). Allein die Lektüre der Romane des in Wunsiedel geborenen Jean Paul, die poetische Kraft seiner Sprache, hielt ihn am Leben.44 Jahre später stellt sich der einstige »Verfinsterungsort« für Schoppe anders dar. Zwar hat er anfangs Schwierigkeiten, sich zurecht zu finden, doch es gefällt ihm auf Anhieb in der würzigen Luft des Fichtelgebirges, er unternimmt romantische Wanderungen in die fränkische Vergangenheit, forscht nach den Gräbern seiner Wirtsleute, seines alten Intendanten, und steht unerwartet vor dem Grab von Rudolf Heß. Auch den Hauptort frühen Unglücks, die Naturbühne der Luisenburg, sucht er auf, doch das einst so geliebte Theater ist ihm gänzlich fremd geworden, der Theaterrock endgültig zerschlissen. Im
    Gehen und Beobachten liegt die Chance eines Neuanfangs.


    Über den Autor:
    Michael Buselmeier, geboren 1938 in Berlin, aufgewachsen in Heidelberg. Schauspielausbildungund Studium der Kunstgeschichte und Germanistik. Im September 2010 erhält Michael Buselmeier der mit 15.000 Euro dotierte Ben-Witter-Preis 2010. Der Schriftsteller und Lyriker lebt und arbeitet in Heidelberg.


    Mein Eindruck:
    Der Ich-Erzähler dieses kurzen Romans kehrt nach 44 Jahre nach Wunsiedel zurück und erinnert sich, wie es damals war, als er als junger Mann hier in der Provinz seine Karriere beim Theater starten will. Er hat einen ironisch-spöttischen aber auch liebevollen Blick auf den jungen Mann Anfang zwanzig, der sehr ambitioniert ist, das Theater ernst nimmt, daher arrogant aber auch sehr unsicher auftritt. In dieser Fremde wird er nicht so einfach heimisch.
    Die Trennung von der Mutter und seiner Freundin fällt ihm ebenso schwer wie Freundschaften in Wunsiedel zu schließen. Gelungen sind auch kurze Rückblicke, z.B. wie ihn seine Mutter alleinerziehend und behütend in schweren Zeiten nach dem Krieg aufzog.
    Buselmeier zeigt auch die positiven Seiten des Individualismus.
    Wunsiedel ist gleichzeitig auch ein Zeitportrait, es zeigt eine Gesellschaft im oberfränkischen im Jahr 1964.


    Es war überraschend, dass ein Roman mit Theatersujet und von einem kleinen Verlag es auf die Longlist zum Deutschen Buchpreis schaffte, aber wenn man den Roman gelesen hat, kann man das verstehen. Der Autor hat genau den richtigen Ton getroffen. Auf den ersten Blick besitzt der Roman eine große Leichtigkeit, wenn man anschließend noch einmal nachblättert, merkt man aber, wie genau Buselmeier dabei gearbeitet hat.
    Große Hoffnung für die Shortlist mache ich mir nicht für dieses Buch, weil es doch ziemlich kurz ist, aber für mich persönlich ist es ein Kandidat für mein Monatshighlight.

  • Ich habe dieses Buch jetzt auch gelesen. Beeindruckend fand ich ich die Sprache und die Beschreibungen der Natur. Man leidet mit dem jungen Ich-Erzähler, der sich in seiner eigenen (Gedanken)welt lebt, dessen Beziehung während seines Wunsiedelaufenthalts zerbricht, der merkt, warum er von anderen abgelehnt wird und sein Verhalten doch nicht ändern kann.


    Die Zeitsprünge zwischen dem jungen und dem alten Ich-Erzähler sind interessant, wenn ich sie auch nicht immer sofort erkannt habe.


    Der ältere Ich-Erzähler hat sich offensichtlich im 'normalen' Leben etabliert. Das Buch erklärt leider nicht, wie diese Veränderung zustande gekommen ist, wodurch Fragen offen bleiben.