Irgendwann werden wir uns alles erzählen - Daniela Krien

  • Ein Mädchen gefangen in ihren Sehnsüchten


    Auf dem Land zur Wendezeit. Maria lebt in einem typischen Dorf der DDR, genießt ihre Jugendzeit und zieht mit 16 Jahren zu ihrem Freund Johannes auf den Hof. Sie vernachlässigt ihre Schule, verbringt viel Zeit beim Lesen und integriert sich immer mehr auf dem Hof, lernt kochen und backen. Es scheint eine unbeschwerte Zeit..Voller Staunen schauen sie, wenn auch nur am Rande erwähnt, auf die politiitschen Geschehnisse, verfolgen die Wiedervereinigung am Fernsehen und können nach Jahren den verloren geglaubten Sohn Hartmut, der geflüchtet war und sich in Bayern ein neues Leben aufgebaut hat, wieder auf dem Hof begrüßen. Doch dann begegnet Maria dem 40-Jährigen Henner, der allein auf dem Nachbarhof lebt. Sogleich besteht eine unglaubliche sexuelle Anziehung zwischen ihnen. Sie verfällt ihm regelrecht. Monatelang lügt sie dann alle ihr nahestehenden Personen an, ihre Mutter, ihren Freund Johannes, alle Leute auf dem Hof. Am Ende erträgt sie es nicht mehr, will endlich reinen Tisch machen - doch dann kommt alles anders.


    Ein sehr schön geschriebener Roman, der sich sehr flüssig und leicht lesen lässt. Leider wirkt die Protagonistin Maria, aus deren Sicht in der Ich-Perspektive alles beschrieben wird, über weite Strecken sehr unreif und naiv. Immer wieder rennt sie zu Henner, auch wenn dieser sie mehr als grob behandelt. Die beschriebenen Sexszenen erinnern dann auch schon mal eher an eine Vergewaltigung.


    Schade, ich hatte mir inhaltlich wirklich mehr erhofft, mehr auch über die Wendezeit zu erfahren. Leider dreht sich fast alles aber nur um die seltsame Liaison mit Henner.


    Da die Autorin aber dennoch einen sehr schönen Erzählstil hat, der den Leser stark umfängt und an dem Geschehen intensiv teilhaben lässt, kann ich sechs Punkte vergeben. Als Taschenbuch zu empfehlen, die gebundene Ausgabe würde ich mir nicht zulegen.

  • Daniela Krien: Irgendwann werden wir uns alles erzählen
    Graf Verlag 16.9.2011. 240 Seiten
    ISBN 978-3862200191. 18€


    Über die Autorin
    Daniela Krien, geboren 1975 in Mecklenburg-Vorpommern, aufgewachsen in einem Dorf im Vogtland (Sachsen), lebt mit Mann und zwei Töchtern in Leipzig. Sie studierte Kulturwissenschaften, Kommunikations- und Medienwissenschaften und arbeitete unter anderem als Drehbuchautorin und Cutterin.


    Verlagstext
    "Es gibt Dinge, die können gleich erzählt werden, andere haben ihre eigene Zeit, und manche sind unsagbar.“


    Sommer 1990, ein Bauerndorf nahe der deutsch-deutschen Grenze, die gerade keine mehr ist. In ihrem literarischen Debüt schildert Daniela Krien eine Liebesgeschichte von archaischer Wucht, die Zeitgeschehen und Existentielles auf zwingende Weise miteinander verschränkt. Es ist Sommer, heißer, herrlicher Sommer. Der Hof ist ein Dreiseithof. Schaut man geradeaus, sieht man eingezäunte Wiesen und den Bahndamm, und hinter den Schienen, in einiger Entfernung, doch klar erkennbar: den Henner-Hof.


    Maria wird bald siebzehn, sie wohnt mit Johannes auf dem Hof seiner Eltern, in den „Spinnenzimmern“ unterm Dach. Sie ist zart und verträumt, verkriecht sich lieber mit den „Brüdern Karamasow“ als in die Schule zu gehen. Auf dem Nachbarhof lebt der vierzigjährige Henner, allein. Die Leute aus dem Dorf sind argwöhnisch: Eine Tragik, die mit seiner Vergangenheit zu tun hat, umgibt ihn; gleichzeitig ist er ein Mann, dessen charismatische Ausstrahlung Eifersucht erregt. Ein zufälliger Blick eines Tages, eine zufällige Berührung an einem andern lösen in Maria eine Sehnsucht aus, die fremd und übermächtig ist und sie daher wie von höherer Gewalt geleitet in Henners Haus und in seine Arme treibt…


    Die sommerlichen Weizenfelder, die vom Heu und den Mückenstichen juckenden Beine, das Summen des Kühlschranks in der Küche… Eine allgegenwärtige Sinnlichkeit beherrscht diesen intensiven Text, der eine ländliche, ebenso schöne wie düstere Welt entstehen lässt und einen Sog entwickelt, der bis zum dramatischen Ende alles mit sich reißt.


    Zum Inhalt
    Der Brendelhof wirkt wie ein Bauernhof aus dem Bilderbuch. Siegfried und Marianne züchten Rinder, Schafe, Gänse, Hühner, bewirtschaften einen Obst- und Gemüsegarten; und zusätzlich betreibt Siegfried noch ein Sägewerk. Auch wenn Großmutter Frieda und der ehemalige Knecht Alfred tüchtig mit anpacken, scheint es auf dem Hof mehr Arbeit zu geben als die Brendels bewältigen können. Zu DDR-Zeiten hat selbst die Einführung der LPG das Dorf optisch kaum verändert; und gerade findet fern des Hofes die deutsche Wiedervereinigung statt. Siegfried will nun das Land zurückfordern, das mit der Gründung der LPG vom Staat enteignet wurde, und er will den Hof weiter ausbauen. Erzählt wird die Geschichte, die 1990 in der ostdeutschen Provinz spielt, von der sechzehnjährigen Maria. Als Freundin von Johannes Brendel, dem Sohn der Hofbesitzer, war Maria in die Großfamilie aufgenommen worden. Maria scheint einfach auf dem Hof geblieben zu sein. Wer den Lebensunterhalt des Mädchens finanziert, bleibt zunächst unbekannt. Während Johannes in der Schule ist, zieht sich die veträumte Schülerin lieber mit den Brüdern Karamasow zum Lesen zurück als zum Unterricht zu gehen.


    Großmutter Frieda lebt mit Alfred im ersten Stock des Hauses und hat aus ihrem Fenster die Vorgänge auf dem Hof genauestens im Blick. Maria versucht sich in die ungeschriebenen Regeln auf dem Hof zu finden und wird allmählich als Arbeitskraft anerkannt und geschätzt. Hartmut, Johannes Bruder, haben die Brendels seit zwanzig Jahren nicht mehr gesehen, seit er aus der Haft in den Westen frei gekauft wurde. Nun hat Hartmut sich mit Frau und Kindern zu einem Besuch angekündigt. Vom ältesten Brendel-Sohn Volker wird im Dorf getuschelt, er sei nicht Siegfrieds Sohn. Johannes, den der Vater sich als Nachfolger für den Hof erhofft, entdeckt in diesem Sommer die Fotografie. Von den Vorbereitungen für seine Bewerbungsmappe wird Johannes so in Anspruch genommen, dass er nicht mitbekommt, wieviel Zeit Maria auf dem Nachbarhof bei Henner verbringt. Nachbar Henner besitzt weder Fernsehapparat noch Radio, so dass das ungewöhnliche Liebespaar auf einer Insel fern des Tagesgeschehens lebt. Mit dem stattlichen Henner, der ihr Vater sein könnte, verbindet Maria eine obsessive Liebe. Die Spuren ihrer gewalttätigen Liebesakte hätte Johannes längst bemerken müssen. Erlebt Maria mit Henner gerade das, was sie sich unter Freiheit vorgestellt hat?


    Fazit
    In nüchterner, beinahe karger Sprache entfaltet Daniela Krien eine ungewöhnliche Liebesgeschichte vor der Kulisse der deutschen Wiedervereinigung. Während außerhalb des Ortes gerade die DDR aufgelöst wird, wirkt der idyllische Brendelhof mit seinen drei Generationen zunächst, als stamme er noch aus der Vorkriegszeit. Maria lebt zu Beginn der Ereignisse wie ein Eindringling in der Familie. Sie muss sich ihren festen Platz im Familiengefüge erarbeiten, indem sie sich nützlich macht. Großmutter Frieda und auch Henner sprechen Maria in sehr ungewöhnlicher Art in der dritten Person an, als wollten sie damit Marias Außenseiterposition im Dorf demonstrieren. Maria verbirgt ihre Gefühle hinter ihren nüchternen Bebachtungen, wie sie auch gegenüber den Gastgebern ihre wahren Gefühle verbirgt. Ungewöhnlich an dem Mädchen fand ich, dass sie sich selbst in ihrer ersten keuschen Beziehung zu einem Jungen nur als Teil eines Paars wahrnehmen konnte. Schon damals hat Maria Normen anderer übernommen und sich ihnen unterworfen. Bewegt haben mich am Schicksal der durch Diktatur und Bespitzelung zerbrochenen Protagonisten die Dinge, die die Autorin nicht oder noch nicht verrät. Wie bei einem Eisberg kann ich nur die Spitze sehen, der größere Teil bleibt verborgen. Warum Maria zu den Brendels kam oder wie sich der Hof gegen die Konkurrenz aus dem Vereinten Europa behaupten könnte, entfaltet sich erst allmählich bei der Suche nach der Vergangenheit der Protagonisten. Ein Roman, dessen Figuren und dessen Sprache bei mir noch lange nachklingen.

  • Daniela Krien: Irgendwann werden wir uns alles erzählen


    Maria übersiedelt mit knapp 17 Jahren auf den Hof ihres Freundes Johannes, was als ganz selbstverständlich angesehen wird. OIhre Mutter besucht sie ab und zu. Von der Schule will sie nicht mehr viel wissen obwohl sie im letzten Jahr vor dem Abitur steht. Lieber hilft sie Siegfried und Marianne, den Eltern Johannes´auf dem Hof oder werkelt mit Frieda, der Großmutter in der Küche.
    Es sind aufregende Zeiten so kurz nach dem Fall der Mauer, aber auch viel Unsicherheit, wie es weitergehen soll. Siegfried ist recht hellsichtig und sieht Arbeitslosigkeit und Geschäftsaufgaben voraus. Er selbst will seinen Hof auf Bio umstellen, der Hofladen, den seine Frau betreibt wird auch ausgebaut.


    Letztlich sind es aber die persönlichen Schicksale der Personen die Daniela Krien versteht recht eindringlich zu schildern.


    Maria trifft Henner den Nachbar der Familie Brendel, der alleine einen Pferdehof bewirtschaftet und von allen gemieden und als verschroben angesehn wird. Dass sie mit ihm eine leidenschaftliche Beziehung beginnt, die mehr und mehr Lügen erforderlich machen, belastet sie sehr. Aber sie kann auch nicht von ihm lassen.
    Mehr und mehr beginnt sie, sich mit ihm eine gemeinsames Leben vorzustellen, verbringt Tage auf dem Hof und übernimmt dort die Küche und den Haushalt, während sie vorgibt bei ihrer Mutter zu sein.
    Johannes, der die Liebe zur Fotografie entdeckt hat, bekommt von ihren Eskapaden nicht viel mit. Er ist intensiv mit der Vorbereitung seiner Fotomappe beschäftigt mit der er sich für ein Kunststudium bewerben will. Allenfalls Alfred, der vermutliche Sohn Friedas,der sie mit Argusaugen beobachtet, hat sie in Verdacht.


    Daniela Krien hat eine ruhige aber sehr intensive Art zu schreiben. Es ist zwar nicht große Geschichte, aber schon bei den wenigen Personen erleben wir, welche Auswirkungen eine diktatorische Staatsgewalt auf den Einzelnen hat.


    von mir diesmal 10 Punkte.

    "Leute die Bücher lesen, sind einfach unberechenbar." Spruch aus "Wilsberg "
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  • Zum Inhalt:
    Die Handlung spielt im Jahr 1990, also einige Monate nach der Wende. Ein kleines Dorf in der bald ehemaligen DDR, in der Nähe der innerdeutschen Grenze. Die 16jährige Maria zieht zu ihrem Freund Johannes auf den Hof seiner Familie. Dort leben 3 Generationen unter einem Dach, von der Großmutter Frieda über die Eltern Siegfried und Marianne bis zu den Söhnen Johannes und Lukas. Die Familie Brendel nimmt Maria auf, als wäre es nichts Besonderes und das junge Pärchen bekommt den Dachboden für sich.
    Während Johannes den Umbruch und die neuen Möglichkeiten begierig aufnimmt, ist Maria seltsam unentschlossen. Sie geht nicht mehr regelmäßig zur Schule und vergräbt sich lieber auf dem Hof und in der Lektüre der „Brüder Karamasow“ von Dostojewski.
    Der auf dem Nachbarhof lebende Eigenbrödler Henner ist schon 40 und eigentlich kein Umgang für das junge Mädchen. Doch durch irgendeinen Zufall begegnen sie sich näher und es entwickelt sich eine merkwürdige Beziehung zwischen den beiden. Schon bald lebt Maria ein Doppelleben.


    Meine Meinung:
    Der Klappentext verspricht eine „Liebesgeschichte von archaischer Wucht“. Da das Buch gerade mal 230 Seiten umfasst, war ich in meinen Erwartungen eher skeptisch. Das Buch macht es dem Leser auch nicht leicht, die Sprache ist irgendwie sperrig und lässt sich nicht so ganz leicht lesen. Aus Sicht des Mädchens Maria geschrieben, erfahren wir vor allem etwas über ihre Gefühle und Gedanken, die der anderen bleiben größtenteils verborgen. Der Liebesgeschichte konnte ich über weite Strecken nichts abgewinnen, zu viel Brutalität für meinen Geschmack. Dass es kitschig wird, kann man dieser Geschichte wirklich nicht nachsagen.
    Sehr interessant fand ich, wie das Leben der Familie beschrieben wurde. Auf die Vergangenheit in der DDR wird nur wenig eingegangen, aber es reicht, um sich ein Bild zu machen. Gleichzeitig werden vor allem gegen Ende des Buches die Pläne beschrieben, die die Familienmitglieder für ihr neues Leben machen, das war sehr schön dargestellt und man drückte ihnen regelrecht die Daumen beim Lesen, dass sich das auch alles so umsetzen lässt.
    Ich glaube, Leser aus Ostdeutschland werden vieles aus den Schilderungen wiedererkennen und sich noch deutlich besser in das Buch hineinversetzen können, als es mir gelungen ist. Trotzdem insgesamt eine interessante Lektüre, auch und gerade für mich als „Westkind“.

  • Irgendwann werden wir uns alles erzählen - Daniel Krien


    Graf-Verlag
    Gebundene Ausgabe: 240 Seiten


    Mein Eindruck:
    Eine neue Autorin, die mit eigenständigem Ton schreiben kann, ist in Deutschland nicht alltäglich. Zudem handelt es sich um einen interessanten Roman mit dichter Atmosphäre und einer Protagonistin, an der der Leser dicht dran ist und ihren Emotionen nahe folgen kann. Der Leser wird Komplize bei dem Geheimnis der komplizierten Liebesgeschichte zwischen der 16jährigen Maria und dem 40jährigen Henner. Eine innere Dramatik kennzeichnet den ruhigen Text. Es brodelt unter der Oberfläche. Die Intensität der Gefühle ist stark.


    Nebenbei ist der Roman auch noch ein kompaktes Zeitportrait über die Bauernhöfe im Osten 1990. Die Zeit der Wende, aber viele wissen noch nicht wohin. Der Druck des Westens wird viele Betriebe im Osten ruinieren.
    Vor diesem Hintergrund gesehen, ist das Buch ein tolles Debüt und man darf gespannt sein, was von der Autorin zukünftig noch kommen wird.

  • Ich möchte mich mit meiner Rezension Herrn Palomar anschließen, ganz besonders die dichte Atmosphäre passt bei diesem Roman wie die Faust aufs Auge. Es wirkt geheimnisvoll, etwas düster aber gleichzeitig auffällig ruhig in der Sprache. Die Protagonistin erzählt von Liebes- bzw. vielmehr Sexmomenten, die Sprache ist enorm dezent aber absolut passend gewählt. Die Autorin hat sprachlich auf jeden Fall einen Wiedererkennungswert, es ist kein Einheitsbrei, wenn auch anfangs etwas gewöhnungsbedürftig. Ich habe mich häufig gefragt, ob sie damit einfach auch die Naivität der Protagonistin ausdrücken möchte, denn in den Handlungen kommt sie definitiv sehr naiv und unreif rüber.


    Ich bin eigentlich kein Fan von so sehr dünnen Büchern, aber hier fand ich es passend, da inhaltlich garnicht allzu viel passiert, aber es dennoch irgendwie immer etwas spannend bleibt.


    Das wäre ein Buch, wo ich eine Leserunde mit Autorin spannend gefunden hätte. Irgendwie macht dieses Buch Lust auf mehr, obwohl man garnicht genau umschreiben kann, was einem an diesem Buch gut gefällt. Vermutlich ist es die Art, wie sie Dinge umschreibt, die Liebe zum Detail sowie das Erschaffen von lebendigen Charakteren, keine schwarz-weiß Figuren.

  • Irgendwann werden wir uns alles erzählen.


    Vielleicht. Denn es würde einiges zu erzählen geben. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sehr vieles weiterhin totgeschwiegen wird und sich dies nicht grossartig ändern wird.


    Das Buch, aus der Sicht der 16-jährigen Maria beschrieben, hat mich sehr schnell gefesselt. Der Schreibstil, das bruchstückhafte Erfahren von Details aus der Vergangenheit, die ganze Atmosphäre, die der Roman ausstrahlt - das alles hat dieses Buch für mich zu etwas ganz Besonderen gemacht.


    Für mich ein absolut gelungenes Debüt und ich werde gerne weitere Bücher von Daniela Krien lesen.


    10 Punkte.

  • Nüchtern, lakonisch ist die Sprache von Daniela Krien, mit der sie die knapp 17jährige Maria anfangen lässt, "irgendwann alles zu erzählen". Trotz der Kürze ist dieser Roman (irgendwie sträubt sich in mir bei 235 Seiten etwas gegen die Verwendung dieses Begriffs ...), ist diese Erzählung nicht zum raschen Durchlesen geeignet. Ähnlich wie Maria ihre Bezugsorte immer wieder wechselt, ist der Leser versucht, das Buch immer wieder mal aus der Hand zu legen, vielleicht ein anderes Buch dazwischenzuschieben, um dann zu der Erzählung genauso zwangsläufig zurückzukehren wie Maria zu Henner.


    Die Beziehung einer noch nicht 17jährigen schuleschwänzenden Dostojewski-Leserin zu einem 40jährigen Außenseiter in der dörflichen Gesellschaft mitten in der sterbenden DDR vereint viele spannende Aspekte. Die politische Situation im Jahr 1990 ist dabei keine billige Dekoration, sondern durchwebt die Erzählung in unterschiedlicher Intensität.


    Ich kann die Erzählung weiterempfehlen und wünsche mir, mehr von Daniela Krien zu lesen.


    9 Punkte (weil ich kein Freund extremer Bewertungen bin ;-) )

    „Streite niemals mit dummen Leuten. Sie werden dich auf ihr Level runterziehen und dich dort mit Erfahrung schlagen.“ (Mark Twain)

  • Hier geht es um die verbotene Liebe zwischen Maria und Henner zu Zeiten der Wende. Maria, 17 Jahre alt, lebt bei ihrem Freund Johannes auf dem Hof. Sie geht nicht zur Schule, hilft gelegentlich auf dem Hof und sie liest sehr viel. Bis sie eines Tages Henner kennenlernt. Er ist gute 20 Jahre älter als sie und ihm gehört der Hof nebenan.Beide fangen eine ziemlich ungewöhnliche Affäre an..


    Zum Anfang möchte ich was zum Schreibstil der Autorin sagen. Er war für mich ziemlich gewöhnungsbedürftig. Doch bereits nach einigen Seiten habe ich mich daran gewöhnt und er hat mir immer besser gefallen. Daniela Krien benutzt eine einfache und klare Sprache, die aber ziemlich ausdrucksstark ist. Die Kapitel wie auch die Sätze sind angenehm kurz.


    Mir persönlich hat das Buch leider weniger gut gefallen.
    Die Geschichte ist aus der Sicht von Maria geschrieben und es geht hauptsächlich um ihre Affäre mit Henner. Über die Veränderung der Menschen in der DDR zu Zeiten der Wende, erfährt man leider nur wenig.


    Für mich war Maria einerseits zu naiv und gutgläubig und andererseits sehr berechnend, wie sie doch alle angelogen und genau geplant hat, wie sie Henner wiedersehen kann. Auch waren mir ihr Verhalten teilweise zu unglaubwürdig. Besonders das Verhältnis der beiden fand ich ziemlich "abartig" - diese gewalttätigen Sexszenen wurden ja schon erwähnt. Hier wäre weniger auf jeden Fall mehr gewesen und dann hätte die Geschichte auf mich auch bestimmt einen ganz anderen Eindruck gemacht.


    Fazit: Toller Schreibstil - aber leider eine für mich nicht überzeugende und nicht nachvollziehbare Geschichte.
    Ich vergebe 6 von 10 Punkten.

    Einige Bücher soll man schmecken, andere verschlucken und einige wenige kauen und verdauen.

  • Zitat

    Original von verena
    Mir persönlich hat das Buch leider weniger gut gefallen.
    Die Geschichte ist aus der Sicht von Maria geschrieben und es geht hauptsächlich um ihre Affäre mit Henner. Über die Veränderung der Menschen in der DDR zu Zeiten der Wende, erfährt man leider nur wenig.


    Für mich war Maria einerseits zu naiv und gutgläubig und andererseits sehr berechnend, wie sie doch alle angelogen und genau geplant hat, wie sie Henner wiedersehen kann. Auch waren mir ihr Verhalten teilweise zu unglaubwürdig. Besonders das Verhältnis der beiden fand ich ziemlich "abartig" - diese gewalttätigen Sexszenen wurden ja schon erwähnt. Hier wäre weniger auf jeden Fall mehr gewesen und dann hätte die Geschichte auf mich auch bestimmt einen ganz anderen Eindruck gemacht.


    Fazit: Toller Schreibstil - aber leider eine für mich nicht überzeugende und nicht nachvollziehbare Geschichte.


    Besser hätte ich es nicht zusammenfassen können. Nicht ganz mein Ding, aber auch nicht ganz schlecht, irgendwie schräg.


    Einzig das Zitat hat mir gut gefallen:
    "Unbedingt werden wir auferstehen, unbedingt werden wir uns wiedersehen und heiter, freudig einander alles erzählen was war." Aus: Dostojewskij, Die Brüder Karamasow.


    Vielleicht sollte ich mal Dostojewskij lesen :gruebel

  • Irgendwann werden wir uns alles erzählen - Daniela Krien


    Taschenbuch: 240 Seiten
    Verlag: List Taschenbuch (5. Oktober 2012)
    ISBN-10: 3548611311
    ISBN-13: 978-3548611310


    Wer hat's geschrieben?


    Daniela Krien, geboren 1975 in Neu-Kaliß/Mecklenburg-Vorpommern, aufgewachsen in einem Dorf im Vogtland (Sachsen), lebt seit 1999 in Leipzig. 1996 -1999 besuchte sie das Abendgymnasium in Chemnitz, studierte anschließend Kultur- und Medienwissenschaften. 2004 und 2006 Geburt ihrer beiden Töchter. Ihr Romandebüt Irgendwann werden wir uns alles erzählen (2011) war ein Bestseller und erscheint in 15 Sprachen. Die Verfilmung ist in Vorbereitung.


    Worum geht's?


    Sommer 1990, ein Bauerndorf nahe der deutsch-deutschen Grenze, die gerade keine mehr ist. Marie wird bald siebzehn, sie wohnt mit Johannes auf dem Hof seiner Eltern, in den „Spinnenzimmern“ unterm Dach. Sie ist zart und verträumt, verkriecht sich lieber mit den Brüdern Karamasow, als in die Schule zu gehen. Auf dem Nachbarhof lebt der vierzigjährige Henner, allein. Die Leute aus dem Dorf sind argwöhnisch: Eine Tragik, die mit seiner Vergangenheit zu tun hat, umgibt ihn; gleichzeitig erregt seine charismatische Ausstrahlung Eifersucht. Ein zufälliger Blick eines Tages, eine zufällige Berührung an einem andern lösen in Maria eine Sehnsucht aus, die fremd und übermächtig ist und sie wie von höherer Gewalt geleitet in seine Arme treibt ...


    Wie war's?


    Angeregt durch die Liste vom Lieblingsbuch-Leseevent bin ich auf dieses Buch gestoßen, dass ich ansonsten vermutlich nie in die Hand genommen hätte.


    Die Geschichte, die aus Sicht der knapp 17-jährigen Maria erzählt wird, spielt 1990 als die Grenzen zwischen der DDR und der Bundesrepublik sich gerade geöffnet hatten, die Wiedervereinigung aber noch nicht vollzogen war. In diesem Sommer voller Umbrüche beginnt Maria eine leidenschaftliche Beziehung mit einem deutlich älteren Mann und setzt damit ihr bisheriges Leben aufs Spiel.


    Der Autorin gelingt es nicht nur durch die Erzählung in Ich-Form, die zeitweise wie ein Tagebuch anmutet, sondern auch durch ihren dichten Erzählstil, eine ganz besondere Atmosphäre zu schaffen. Der Leser wird von der Handlung mitgezogen.


    Mir persönlich - möglicherweise bedingt durch den Umstand, dass ich ein West-Kind bin - fiel es äußerst schwer, die Rahmenbedingungen dieser Geschichte nachzuvollziehen. Das geschilderte Hof- und Dorfleben erweckte bei mir fast durchgängig den Eindruck einer Geschichte aus dem späten 19. oder frühen 20. Jahrhundert. Eine quasi nicht aufgeklärte, überaus naive Protagonistin, die in Blümchenkleidern durch die Maisfelder wandert und in Abhängigkeit einer anderen Familie lebt, das klingt für mich einfach nicht nach den 90ern, auch nicht nach den 90ern, die ich aus Erzählungen meiner ostdeutschen Bekannten und Freunde kenne. Mir hat sich auch nicht wirklich erschlossen, warum Maria auf dem Hof und nicht mehr bei ihrer Mutter lebt und sich damit in ein unnötiges Abhängigkeitsverhältnis zu fremden Menschen begibt - auch wenn der Sohn der Familie ihr Freund ist.


    Ich habe mich dann beim Lesen einfach von den Kritikpunkten frei gemacht, vor allem, da die Tatsache, dass die Geschichte zur Wendezeit spielt, genaugenommen keine große Rolle spielt und das Buch einfach als Liebesgeschichte angesehen. Und die erzählt Daniela Krien mit einer Intensität und tiefgehenden Sinnlichkeit in kraftvoller Sprache. Eine kitschige "Alles wird gut"-Lovestory darf der Leser allerdings nicht erwarten; dafür gibt es in dieser sich anbahnenden Beziehung zuviele Hindernisse.


    Alles in allem ein durchaus lesenswertes Buch, das vor allem von der einfachen, aber wahnsinnig intensiven Sprache lebt und allein deshalb ein Leseerlebnis ist.


    Gute 7 Punkte.


    /edit: Tippfehler

    With freedom, books, flowers and the moon, who could not be happy? - Oscar Wilde


    :lesend Rock My World - Christine Thomas

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  • Ich habe das Buch heute spontan aus meinem SUB gefischt und an einem Nachmittag durchgelesen. Es hat mir sehr gut gefallen, auch wenn ich nicht wirklich nachvollziehen konnte, was Maria an diesem Henner so fazinierend findet.
    Aber die Geschichte ist toll geschrieben, ich konnte mir alles wunderbar vorstellen, die alten Höfe, die Menschen, die Landschaft... und ich denke, wenn nicht alle um Maria herum so mit sich selbst beschäftigt gewesen wären, hätte sie ihre Affaire nicht so leicht geheimhalten können. Das Ende fand ich ziemlich heftig und hätte ich so auch nicht erwartet.


    Ich werde das Buch mal einer Bekannten weitergeben, die aus Thüringen stammt und zur Wende in Marias Alter gewesen sein dürfte - mal sehen, was die dazu sagt! Und den Zitronenkuchen werde ich auf jeden Fall mal nachbacken (auch wenn mir der Saft von 4 (!!!) Zitronen ziemlich viel vorkommt, aber vielleicht waren die Ost-Zitronen nicht so saftig???).


    Ich vergebe volle Punktzahl und kann das Buch uneingeschränkt weiterempfehlen.


    LG, Bella