Brent Weeks: Jenseits der Schatten (Night Angel Trilogie 3)

  • 'Jenseits der Schatten' ist der letzte, abschließende Band der Night Angel Trilogie um den Meisterassassinen Kylar Stern und seinen geheimnisvollen Lehrer Durzo, den jungen Thronerben Logan, den Propheten Dorian und all die anderen, deren Schicksale sich in den ersten zwei Bänden der Trilogie verwoben haben.
    Mit diesem Buch wird die Geschichte von ihnen allen zu einem spektakulären, welterschütternden Ende gebracht, das dort stattfindet, wo alles vor vielen Jahrhunderten begann.


    Mit dieser Buchbesprechung tue ich mich etwas schwer, und das fängt damit an, dass ich nicht recht weiß, wo ich beginnen soll mit der Inhaltswiedergabe. Anders als bei den Vorgängerbänden, vor allem dem sehr starken und stringenten zweiten Teil, ist dieser hier unfassbar dicht bepackt mit verschiedensten, sich rasant entwickelnden Handelssträngen, während es zugleich sehr lange dauert, bis ein übergreifender roter Faden sichtbar wird. Bis fast zum letzten Drittel des Buches war mir nicht ganz klar, wo der zentrale Konflikt liegt, und wie die vielen Einzelgeschichten sich zu einem zielgerichteten Ganzen fügen.
    Das heißt keinesfalls, dass das Buch nicht spannend wäre. Im Gegenteil, es ist streckenweise so fesselnd, dass man mal wieder die Nächte durchlesen möchte. Aber die Lektüre gestaltet sich über Abschnitte auch sehr anstrengend, eben weil so extrem viel in extrem kurzer Zeit von extrem großer Tragweite geschieht. Und alles gleichzeitig. Die Ideen, die auf diesen 700 Seiten verarbeitet werden, hätten locker ausgereicht, um den dreifachen Umfang zu füllen, ohne dass es langweilig geworden wäre.
    Traten in Bd.1 oder 2 zum großen, spektakulären Finale ein oder zwei mächtige magische Wesen auf (wie der Ferali des khalidorischen Gottkönigs), so überschwemmen sie hier geradezu inflationär zu Hunderten und zu Tausenden den Schauplatz der letzten Schlacht.
    Und um diesen gigantischen neuen Bedrohungen zu begegnen, enthüllen bekannte Figuren wie z.B. Durzo Blint, Kylars alter Meister, plötzlich Facetten von sich, die ihre Macht verhundertfachen - und die Geschehnisse der Vorgängerbände fast ein wenig unglaubwürdig erscheinen lassen. Denn wenn Durzo das ist, was er in diesem Teil der Geschichte enthüllt, dann muss man sich fragen, wie er sich in Bd. 1 von einem lausigen Scheißer wie Roth so unter Druck setzen lassen konnte, statt ihn einfach kalt zu machen.



    Aber - zum Inhalt:
    Nach dem Tod des Gottkönigs sind Kylar und Vi, die ehemalige Schülerin des Blutjungen Hu Gibbet, durch die Liebesohrringe aneinander gebunden, die Vi Kylar anlegte, um den Zwangzauber des Gottkönigs zu brechen und ihn erschlagen zu können.
    Neben der Tatsache, dass sie nun stets spüren können, was der jeweils andere spürt, haben sie auch die Eigenschaft, dass die Berührung jeder anderen Frau, sobald Sex in der Luft liegt, Kyle dazu bringt, sich übergeben zu müssen. Das macht seine Wiedervereinigung mit Elene natürlich sehr schwierig ... und es kommt noch schlimmer: Zwar gelingt es Kylar, das Schwert Curoch in den Wald des Jägers zu werfen, und er erhält daraufhin seine Hand zurück, doch der mysteriöse Wolf aus der Zwischenwelt eröffnet ihm eine schreckliche Wahrheit. Für jeden Tod, aus dem Klyar wieder erweckt wird, muss ein anderer, ihm nahestehender Mensch einen Preis zahlen...


    Logan, der rechtmäßige Thronerbe Cenarias, verzichtet aus Ehrgefühl zugunsten der selbstsüchtigen und überehrgeizigen Adligen Terah Graesin, verbietet aber Kylar bei Androhung der Todesstrafe, die Frau zu töten. Währenddessen droht ihr unfähiger kleiner Bruder Luc, die cenarischen Armeen in ein Desaster zu führen.
    Das Drama erreicht seinen Siedepunkt, als Logan herausfindet, dass seine totgeglaubte Braut Jenine noch lebt. Sie wurde von den Schergen des Gottkönigs in die Hauptstadt Khalidors gebracht. Nach dem Tod des Gottkönigs herrscht dort Chaos und bevorstehendes Blutvergießen liegt in der Luft, weil die brutalen Edelinge des toten Herrschers um die Nachfolge kämpfen werden. Mitten in dieses Machtvakuum tritt der Prophet Dorian, selbst ein Sohn des Gottkönigs, um Jenine zu befreien, die er in seinen Visionen als seine zukünftige Frau erkennt.


    Zeitgleich hat sich der Vürdmeister Nepth Dada mit seinem Gefolge an einen abgeschiedenen uralten Platz der Macht begeben, um der grausamen Göttin Khali einen Körper zu geben und damit einen Schrecken zu entfesseln, der den Untergang der bekannten Welt bedeuten könnte. Und um dieser Gefahr entgegentreten zu können, bedarf es eines Wunders bisher ungekannten Ausmaßes.




    Dies ist nur ein Teil der verschiedenen Handlungsstränge, die sich in diesem Buch verweben. Denn da sind auch noch Vi und die mächtige Schwester Ariel, Durzo Blint, Dorians alter Weggefährte Solon, und weitere tragende Figuren.




    Tja, und was ist nun das Fazit?
    Zunächst, dass dieser Band zwar prallvoll ist mit allem, was ein leidenschaftliches, aufregendes, hochspannendes, phantasievolles Buch nur ausmachen kann, es sich aber meiner Meinung nach trotzdem um den schwächsten der Serie handelt.
    Warum?
    Weil all die guten Ideen und die verschiedenen Stories und die persönlichen Tragödien und Triumphe der Charaktere keine Zeit finden, sich zu entfalten. Vieles wird so rasch abgehandelt, dass man als Leser geradezu verwirrt ist, wieso etwas, das sich zuvor als unmöglich schwierig gestaltete, nun innerhalb von drei Seiten so einfach war.
    Es fühlt sich an, als wären hier zwei Bücher in eines gequetscht worden, und entsprechend komprimiert explodiert einem als Leser der Inhalt entgegen.
    Weil im Gegensatz zu Bd.1 und 2 das Böse kein Gesicht hat, oder zumindest ein sehr blasses. Nach der Vorlage des khalidorischen Gottkönigs aus Bd.2 hätte ich jemanden erwartet, der mindestens ebenbürtig ist. Doch Khali und ihre Horde alternder Vürdmeister treten nicht wirklich in den Brennpunkt des Geschehens, außer ganz zum Schluss. Und zuvor wirken sie zwar als Kraft, die die Schranken senkt, damit das Böse einfallen kann - aber dem Bösen selbst mangelt es an Charisma. Therah Graesin gibt ebenfalls nur eine halbherzige Antagonistin ab, einfach weil sich die wirklich weltverändernden Erschütterungen weit außerhalb ihres Interessenhorizonts abspielen und sie lediglich als lokaler Zwischengegner taugt.


    Dennoch ist es ein Buch, das man unbedingt lesen muss, wenn einem die ersten beiden Bände der Trilogie gefallen haben, denn es ist der logische Abschluss und Höhepunkt.
    Bei allen Schwächen macht es dennoch ungeheuer Spaß, es zu lesen. Meine Kritik spielt sich auf hohem Nivau ab, weil ich verwöhnt bin von den Vorgängerromanen. Im Vergleich zu anderer Fantasy belegt 'Jenseits der Schatten' noch immer einen Spitzenplatz.
    Und last but not least: Auch wenn vieles überstürzt erscheint, und manches nicht immer logisch, oder zufällig zu perfekt ineinander greift, ist es für mich dennoch ein befriedigendes Ende, das einen schönen Schlusspunkt unter das Werk setzt.


    Ein Werk, das zweifellos zu den ganz leuchtenden Türmen unter den neueren Vertretern des Genres zählt.
    Wer Fantasy mag, kommt an Brent Weeks eigentlich nicht vorbei, oder er verpasst eine ganz phantastische, wunderbare und tiefgründige Vision, die dazu noch so unterhaltsam und spannend geschrieben ist, dass sie locker mit jedem Thriller mithalten kann.

    Ich hab' mich verirrt.
    Ich bin dann mal weg, um nach mir zu suchen.
    Sollte ich zurückkommen, bevor ich wieder da bin, sagt mir bitte, ich soll hier warten!

  • Ich habe dem Buch gerade aus Versehen zehn Punkte gegeben, dabei verdient es in meinen Augen maximal 5 -.-


    Ich war nämlich bitter enttäuscht von diesem dritten Band.
    Ich liebte die ersten beiden Bände, wegen der düsteren Grundstimmung, dem ständig präsenten Gedanken "Das kann nicht gut ausgehen" und den Charakteren.


    Der 3. Band fing ebenso großartig an und hätte unendlich viel Stoff für entsetzlich schöne Szenarien am Ende gegeben, aber irgendwo im letzten Drittel dachte ich, der Autor hätte lustige bunte Pillen eingeworfen.
    Das, was am Ende passiert bzw das Ende an sich steht in so krassem Kontrast zu den ersten zweieinhalb Bänden, ich saß Tränen lachend über dem Buch, als ich die letzten 100 Seiten gelesen habe.
    Ich konnte nicht glauben, dass Brent Weeks diese tollen Bücher am Ende so verhunzt.


    Vielleicht lag es am Platzmangel, denn es klang teilweise nach "Ich muss jetzt schnell zum Ende kommen und wurschtel alles zusammen, egal wie unglaubwürdig oder lächerlich es klingt".


    Also, richtige Spoiler!

  • Zitat

    Original von Inevera



    Naja, wobei mich das Ende insgesamt gar nicht so geschockt hat.
    Im Gegenteil, nach all der Düsternis war es sogar mal ganz angenehm, dass nicht alles in Blut, Leid und Tränen endet. Deshalb habe ich es einfach mit einem fluffigen Gefühl im Magen hingenommen und anschließend sofort vergessen :grin.
    Allerdings fand ich einige der Auflösungen aufgrund der Hals-über-Kopf-muss-fertigwerden-Mentalität etwas verwirrend - das war dann alles doch ein bisschen viel alte Geschichte und neue Fakten auf einmal.

    Ich hab' mich verirrt.
    Ich bin dann mal weg, um nach mir zu suchen.
    Sollte ich zurückkommen, bevor ich wieder da bin, sagt mir bitte, ich soll hier warten!

  • Zitat

    Original von elwe




  • Also wir teilen unsere meinung über den dritten band, dass wir ihn nicht so mögen, sondern nur gelesen haben, um zu wissen, wie's ausgeht, was in den ersten beiden büchern so toll war...


    mir ist er philosophisch und mythologisch zu weit abgehoben, aber das hab ich schon im interview am ende von buch eins - oder zwei? - gemerkt: ich teile mit dem autor die lebensphilosophie, die idee des bösens, des guten und die hoffnung auf vergebung und erlösung nicht...
    obwohl es daneben hunderte andere religionen gibt, sind alle figuren darin, auch die angeblichen atheisten alle von der idee des einen gottes gefangen, sehr kurios.
    Dass die kraft des vir irgendwie ausserirdische parasiten sind, die sich von leid ernähren, und auch die fremden dämonen, mit denen man die krul wiederbeleben kann, irgendwie nicht auf die welt gehören, kam mir samt der beschreibung der schwarzen über die haut kriechenden tatoos wie aus akte x geklaut vor, nur, dass sie grüne schwarzmagie hervorbringen


    nicht zu verwechseln mit der offenbar grünen heilerschule, obwohl ich bis zum ende nicht weiss, was die blaue schule unterrichtet, wahrscheinlich kriegsmagie, Solon ist als roter magier feuer magier, das bekam ich mit.
    und irgendwie steht da, das frauen keine kriegsmagie zustande brächten...


    ein bischen kurioses weltbild auf dieser welt...

    DC :lesend


    Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens I


    ...Darum Wandrer zieh doch weiter, denn Verwesung stimmt nicht heiter.
    (Grabinschrift F. Sauter )